BGH Beschluss v. - V ZB 156/18

Ausgangskontrolle bei Fax-Schriftsätzen

Gesetze: § 85 Abs 2 ZPO, § 233 S 1 ZPO

Instanzenzug: Az: 6 S 79/18vorgehend AG Leverkusen Az: 21 C 230/15

Gründe

I.

1Die Kläger haben gegen ein ihnen am zugestelltes Urteil des Amtsgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung wurde bis zum verlängert. An diesem Tag gingen bei dem Landgericht per Telefax die ersten drei von insgesamt vier Seiten der Berufungsbegründungsschrift ein; die vierte Seite mit der Unterschrift fehlte. Der Telefaxausdruck besteht aus zwei Blättern, wobei sich die Seiten zwei und drei der Berufungsbegründungschrift verkleinert auf dem zweiten Blatt befinden. Die vollständige Berufungsbegründungsschrift ging auf dem Postweg am bei dem Landgericht ein.

2Nachdem die Vorsitzende der Berufungskammer die Kläger mit Verfügung vom auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen hatte, haben diese mit Schriftsatz vom Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung haben sie darauf verwiesen, die Mitarbeiterin ihres Prozessbevollmächtigten habe, der allgemeinen Anweisung entsprechend, den Sendebericht des Faxes auf den Vermerk „erfolgreiche Sendung“ geprüft. Dabei habe sie übersehen, dass der Sendebericht lediglich das Senden zweier Seiten dokumentiert habe, obwohl alle vier Seiten des Schriftsatzes von dem Faxgerät zur Versendung eingezogen worden seien. Die Kanzleimitarbeiterin sei aufgrund des Vermerks „erfolgreiche Sendung“ davon ausgegangen, die Sendung sei ordnungsgemäß erfolgt. Sie habe insoweit vollständig nach Weisung gehandelt. Dass die Blattzahl im Sendebericht nicht mit derjenigen des Schriftsatzes übereingestimmt habe, sei noch nie zuvor aufgetreten, so dass sie dies auch nicht näher geprüft habe. Zur Glaubhaftmachung haben sich die Kläger auf die eidesstattliche Versicherung der Kanzleimitarbeiterin berufen.

3Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.

II.

4Das Berufungsgericht meint, die Berufung sei unzulässig, da eine vollständige Berufungsbegründungsschrift erst nach Ablauf der bis zum verlängerten Frist eingegangen sei und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO nicht vorlägen. Die Kläger hätten ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das ihnen gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen sei, nicht ausgeräumt. Ein Rechtsanwalt genüge seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur, wenn er seine Angestellten anweise, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden sei. Erst danach dürfe die Frist im Fristenkalender gestrichen werden. Dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger eine entsprechende Weisung in seiner Kanzlei getroffen habe, sei nicht dargelegt. Aus dem Vorbringen, die Mitarbeiterin habe sich an sämtliche vorgegebene Schritte gehalten, ergebe sich vielmehr, dass eine allgemeine oder auf den Einzelfall bezogene Anweisung, den Sendebericht auf eine vollständige Übermittlung sämtlicher Seiten zu überprüfen, nicht existiert habe. Bei Erteilung einer solchen Weisung wäre bemerkt worden, dass die Berufungsbegründungsschrift nicht vollständig übermittelt worden sei.

III.

5Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

61. Sie ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Zulässig wäre sie aber gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Dies ist nicht der Fall. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht keine überzogenen Anforderungen gestellt, die den Klägern den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschweren (vgl. dazu nur Senat, Beschluss vom - V ZB 224/09, NJW-RR 2010, 1096 Rn. 4 mwN; Beschluss vom - V ZB 94/13, NJW 2014, 228 Rn. 5).

72. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Klägern die form- und fristgerecht beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt hat, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die weder fortzubilden noch zu ergänzen ist. Die Fristversäumung beruht auf einem den Klägern gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden (§ 233 Satz 1 ZPO) ihres Prozessbevollmächtigten.

8a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Die Anweisung muss die Ermittlung und Eingabe der richtigen Faxnummer des Empfangsgerichts erfassen (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 173/10, juris Rn. 9 mwN; Beschluss vom - V ZB 155/12, juris Rn. 8). Die Überprüfung der Vollständigkeit der Übermittlung bedeutet, dass die Anzahl der zu übermittelnden mit den laut Sendeprotokoll versandten Seiten zu vergleichen ist (, FamRZ 2007, 809 Rn. 6; Beschluss vom - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 14; Beschluss vom - VI ZA 3/09, NJW 2010, 3101 Rn. 8; Beschluss vom - III ZB 51/12, juris Rn. 6; Beschluss vom - II ZB 9/15, NJW 2016, 1664 Rn. 10 f.). Eine Prüfung des OK-Vermerks auf dem Sendebericht ist danach nicht ausreichend. Diese notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben (Senat, Beschluss vom - V ZB 135/15, NJW 2016, 3789 Rn. 28; Beschluss vom - V ZB 124/16, juris Rn. 8; , NJW 2008, 2508 Rn. 12).

9b) Gemessen daran hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger die ihm obliegende Verpflichtung zur Ausgangskontrolle schuldhaft verletzt. Nach seinem eigenen Vorbringen fehlt es an einer ordnungsgemäßen Weisung für die Durchführung einer Vollständigkeitsprüfung anhand des Sendeprotokolls. Diese ist nur in der Weise möglich, dass die Seitenzahlen abgeglichen werden. Zwar ist die Anordnung eines solchen Seitenabgleichs regelmäßig konkludent in der Anweisung des Rechtsanwalts, die Vollständigkeit der Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, enthalten (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 86/15, NJW-RR 2016, 636 Rn. 8 u. 10 für eine Einzelanweisung). Die Anweisung, den Sendebericht auf den Vermerk „erfolgreiche Sendung“ zu prüfen, umfasst aber gerade nicht die erforderliche Vollständigkeitsprüfung. Bei dem Vermerk „erfolgreiche Sendung“ handelt es sich um die textliche Erklärung zu der Statusmeldung „OK“. Wie der OK-Vermerk belegt er deshalb lediglich die Herstellung der Verbindung zwischen Sende- und Empfangsgerät, nicht aber die Übereinstimmung der Anzahl der zu übermittelnden mit derjenigen der gesendeten Seiten des Schriftsatzes.

10c) Die Fristversäumnis beruht auf dem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger. Die Kanzleimitarbeiterin hat weisungsgemäß nur den Sendevermerk geprüft. Hätte in der Kanzlei, wie geboten, die Anweisung bestanden, anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung des fristwahrenden Schriftsatzes vollständig an den Empfänger erfolgt ist, wäre festgestellt worden, dass lediglich das Senden von zwei statt vier Seiten dokumentiert war. Der Fehler bei dem elektronischen Übertragungsvorgang war aus dem Sendeprotokoll ersichtlich.

IV.

11Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:040419BVZB156.18.0

Fundstelle(n):
JAAAH-27955