BSG Beschluss v. - B 6 KA 37/13 B

Vertragsärztliche Versorgung - einheitlicher Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen - Überprüfung der Kombination einer Gesprächsleistung und des Ordinationskomplexes - Anmerkung zu einer Gebührenordnungsposition - gleicher Rang wie Leistungslegende - Vertragsarzt - persönliche Pflicht zur korrekten Abrechnung - Einschränkung der Befugnis einer Kassenärztliche Vereinigung zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten - Zurückverweisung eines Befangenheitsantrages - Geltendmachung als Verfahrensfehler

Gesetze: § 87 Abs 1 SGB 5, § 87 Abs 2 SGB 5, § 106a Abs 2 SGB 5, Anh 3 EBM-Ä 2005, Nr 01320 EBM-Ä 2005, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 242 BGB

Instanzenzug: Az: S 16 KA 52/09 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 11 KA 148/11 Urteil

Gründe

1I. Der 1940 geborene Kläger, der als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, wendet sich gegen sachlich-rechnerische Richtigstellungen für die Quartale II/2005 bis IV/2005. Die Beklagte hob die Honorarbescheide für diese Quartale teilweise auf, weil eine Prüfung mittels Quartals- und Tagesprofilen ergeben habe, dass er jeweils an mehreren Behandlungstagen (15, 25 und 23 Tage in den betroffenen Quartalen) mehr als 12 Arbeitsstunden abgerechnet habe. Den Widerspruch hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom zurück. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Es stehe insbesondere mit den zeitlichen Vorgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) in Einklang, bei gleichzeitiger Abrechnung der Gebührenordnungspositionen 03110 bis 03112 und 03120 EBM-Ä eine Zeit von 20 Minuten anzusetzen.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, zu deren Begründung er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie einen Verfahrensfehler rügt (§ 160 Abs 1 Nr 3 SGG).

3II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Soweit sein Vorbringen den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügt, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.

41. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG (vgl dazu BVerfGE 91, 93, 107 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die BVerfG-Angaben in BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG <Kammer> SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f; BVerfG <Kammer> SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5).

92. Auch ein Verfahrensmangel liegt nicht vor. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36).

10Soweit der Kläger sich gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs gegen die Richterin Dr. P. im wendet, liegt ein Verfahrensmangel nicht vor. Im Hinblick auf § 557 Abs 2 ZPO (iVm § 202 SGG) unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen der Beurteilung des Revisionsgerichts grundsätzlich dann nicht, wenn sie ihrerseits unanfechtbar sind. Diese Einschränkung der Prüfungsbefugnis des Revisionsgerichts ist bei Beschlüssen, durch die ein Ablehnungsgesuch gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 406 Abs 5 ZPO zurückgewiesen wird, gegeben, wenn sie - wie hier - von einem LSG erlassen werden und deshalb gemäß § 177 SGG der Anfechtung mit der Beschwerde entzogen sind. Dies hat zur Folge, dass die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags grundsätzlich auch nicht als Verfahrensfehler des angefochtenen Urteils iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend gemacht werden kann. Die Bindung des Revisionsgerichts entfällt lediglich, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind, oder wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (vgl BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 5 mwN). Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Richterin Dr. P. hat das LSG nicht willkürlich zurückgewiesen. Selbst wenn die Richterin im Zusammenhang mit der Beurteilung der Befangenheit der ehrenamtlichen Richterin T.sachlich fehlerhaft gehandelt haben sollte, begründet dies die Besorgnis einer Parteinahme noch nicht.

113. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

124. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2013:111213BB6KA3713B0

Fundstelle(n):
ZAAAH-26006