BGH Beschluss v. - 1 StR 485/18

Verurteilung wegen Steuerhinterziehung: Anforderungen an die Urteilsgründe bei unberechtigtem Steuerausweis

Gesetze: § 14c Abs 2 UStG, § 15 UStG, § 370 AO, § 267 Abs 1 S 1 StPO

Instanzenzug: Az: 526 KLs 8/16

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer anderweitigen Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Daneben hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet.

2Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge Erfolg; auf die erhobene Verfahrensrüge kommt es nicht mehr an.

I.

31. Die Verurteilung des Angeklagten hat schon deshalb keinen Bestand, weil das Urteil den Anforderungen des § 267 Abs.1 Satz 1 StPO nicht genügt.

4Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in den Urteilsgründen regelmäßig neben dem konkreten Tatgeschehen auch die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen nachvollziehbar dargestellt sein. Dies erfordert insbesondere, dass diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen), im Urteil mitgeteilt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 538/17, NStZ-RR 2019, 79 f. und vom – 5 StR 448/00, wistra 2001, 308, jeweils mwN). Bei – wie hier – unberechtigtem Steuerausweis i.S.v. § 14c Abs. 2 UStG bedarf es dabei auch der Angabe, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe die Steuer entstanden ist (vgl. , NStZ-RR 2019, 79 f.).

5Daran fehlt es hier. Das Landgericht teilt lediglich mit, in welcher Gesamthöhe Vorsteuerbeträge aus Scheinrechnungen zu Unrecht entgegen § 15 UStG geltend gemacht worden sind. Es fehlen jedoch Feststellungen dazu, von welchen unberechtigten Steuerbeträgen i.S.d. § 14c Abs. 2 UStG das Landgericht ausgegangen ist und wann die zugrunde liegenden Scheinrechnungen ausgegeben worden sind (vgl. BGH aaO), zu welchem Zeitpunkt die Steuer also tatsächlich entstanden ist (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG bzw. § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG aF). Der Senat kann daher bereits nicht nachprüfen, ob eine Steuerverkürzung eingetreten ist und damit der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) erfüllt ist.

62. Die subjektive Tatseite der Steuerhinterziehung ist in den Urteilsgründen ebenfalls nicht tragfähig belegt.

7Das Landgericht nimmt bedingten Tatvorsatz an und geht dabei davon aus, dass der Angeklagte trotz der bei ihm vorliegenden Intelligenzminderung mit einhergehender Legasthenie erkannt habe, dass er keinen Handel mit Kupferkathoden getrieben und auch keine entsprechenden Umsätze erwirtschaftet sowie dass er bewusst unzutreffende Ausgangsrechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer unterzeichnet hat. Aufgrund seiner Gewerbeanmeldung im Jahr 2010 sei ihm zudem bekannt gewesen, zur Abgabe zutreffender Jahresumsatzsteuererklärungen verpflichtet zu sein. Diese Annahmen lassen sich jedoch nicht ohne weiteres mit den Feststellungen des insoweit sachverständig beratenen Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten vereinbaren. Danach liegen beim Angeklagten nicht nur eine Legasthenie und Einschränkungen der Merkfähigkeit vor, vielmehr leidet dieser an einer Intelligenzminderung von mittlerer bis schwerer Ausprägung, so dass sowohl das Merkmal des Schwachsinns als auch dasjenige der krankhaften seelischen Störung i.S.d. § 20 StGB erfüllt seien und deshalb eine erhebliche Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit des Angeklagten nicht ausgeschlossen werden könne. Ausgehend hiervon hätte es näherer Darlegung bedurft, auf welche Umstände das Landgericht seine Überzeugung stützt, dass der Angeklagte seine Verpflichtung erkannt hat, auch die in den Scheinrechnungen jeweils ausgewiesene Umsatzsteuer in die Steuererklärungen aufzunehmen, aber von einer Geltendmachung entsprechender Vorsteuerbeträge abzusehen.

8Rechtsfehlerhaft offen bleibt zudem, ob die für einen Schuldvorwurf beim Angeklagten erforderliche Unrechtseinsicht im konkreten Fall vorhanden war; die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit genügt insoweit nicht (vgl. dazu , NStZ 2019, 78 f. mwN).

93. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung durch eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts. Der Senat hebt die gesamten Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO).

II.

10Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:

11Der neue Tatrichter wird für die Frage, ob Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht anzuwenden ist – dies richtet sich im vorliegenden Fall entsprechend § 32 JGG danach, ob das Schwergewicht der gemäß § 154 StPO eingestellten Taten und der verfahrensgegenständlichen Tat bei Straftaten liegt, für die Jugendstrafrecht gilt (vgl. hierzu III-3 RVs 79/16, NStZ-RR 2017, 28 f.; HK-JGG/Schatz, 7. Aufl., § 32 Rn. 44; Eisenberg, JGG, 20. Aufl., § 32 Rn. 20 mwN; Brunner/Dölling, JGG, 13. Aufl. § 32 Rn. 1; Drees, NStZ 1995, 481) –, eine umfassende Gesamtwürdigung aller hierfür bedeutsamen Umstände vorzunehmen haben. Maßgeblich für die Bestimmung des Schwergewichts sind insoweit nicht nur die jeweiligen Auswirkungen der Taten (Umfang der jeweils verursachten Hinterziehungsbeträge), sondern insbesondere, ob sich die späteren Straftaten als in den früheren bereits angelegt darstellen, ob sie also bei Betrachtung der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten ihren Ursprung im Jugendalter haben bzw. wo die „Tatwurzeln“ liegen (vgl. , NStZ 2018, 662 f. mwN und vom – 6 StR 84/54, BGHSt 6, 6 f.; Beschluss vom – 2 StR 229/94 Rn. 15).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:070219B1STR485.18.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2019 S. 305 Nr. 10
AO-StB 2020 S. 16 Nr. 1
BFH/NV 2019 S. 799 Nr. 7
wistra 2019 S. 465 Nr. 11
XAAAH-22126