Online-Nachricht - Montag, 24.06.2019

Einkommensteuer | Mehraktige Ausbildung im Kindergeldrecht (BFH)

Nimmt ein volljähriges Kind nach Erlangung eines ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine nicht unter § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG fallende Berufstätigkeit auf, erfordert § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, zwischen einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit und einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen (, NV; veröffentlicht am , teilweise inhaltsgleich mit , s. hierzu Selting/Heidemann, ).

Sachverhalt: Der Sohn des Klägers legte am die Abschlussprüfung zum Kaufmann in Groß- und Außenhandel ab. Bereits zu Beginn der Ausbildung vereinbarte er mit dem Arbeitgeber, mit dessen finanzieller Unterstützung das Bachelorstudium Wirtschaftsrecht anzuschließen und nach dessen Erfolg in das Unternehmen einzutreten. Nach der bestandenen Abschlussprüfung meldete sich der Sohn bei der X-Hochschule zum Studienbeginn an. Seither ist er dort mit dem Ziel Bachelor of Laws eingeschrieben; hierzu wendet er wöchentlich ca. 30 Stunden auf.

Daneben ist er weiterhin bei seinem Ausbildungsbetrieb mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung vom auf und forderte die Zahlungen für Februar bis Juli 2015 zurück, da der Sohn seine Berufsausbildung am beendet habe und seitdem eine Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden ausübe, die eine schädliche Zäsur zwischen beiden Akten der Berufsausbildung begründe. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz überwiegend Erfolg (s. hierzu Schmitt, ).

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Nimmt ein volljähriges Kind nach Erlangung eines ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine nicht unter § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG fallende Berufstätigkeit auf, erfordert § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, zwischen einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit und einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen.

  • Eine einheitliche Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht mehr anzunehmen, wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und sich die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen.

Anmerkung von RA, StB Prof. Dr. Hans-Joachim Kanzler, Mitherausgeber der NWB und Vorsitzender Richter am BFH a. D., Bad Kreuznach:

Erst die Aufhebung der Anrechnung eigener Einkünfte und Bezüge des Kindes durch den Gesetzgeber haben zu der neuen Streitfrage der Abgrenzung mehraktiger einheitlicher Erstausbildungen mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildungen geführt, die die Gerichte immer wieder beschäftigt.

Im Streitfall sah sich der BFH außerstande, diese Abgrenzungsfrage in einem Sachverhalt zu entscheiden, in dem der Sohn des Klägers im Anschluss an seine Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel einen Studiengang mit dem Ziel "Bachelor of Laws" gewählt hatte, weiterhin aber bei seinem bisherigen Arbeitgeber mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt blieb. Im zweiten Rechtsgang hat das FG nun zu entscheiden, ob eine Ausbildungseinheit zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten besteht oder ob die Erwerbstätigkeit des Sohnes im Vordergrund steht.

Quelle: , NV; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB OAAAH-21144