BGH Beschluss v. - 3 StR 262/18

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Symptomatischer Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstaten bei unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Gesetze: § 64 StGB

Instanzenzug: LG Mönchengladbach Az: 21 KLs 20/17

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitstrafe von vier Jahren verurteilt; von seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB ist in mehrfacher Hinsicht durchgreifend rechtsfehlerhaft.

3a) Das sachverständig beratene Landgericht hat einen Hang des Angeklagten, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. zu den Voraussetzungen , NStZ 2005, 210; vom - 3 StR 386/13, juris Rn. 10; Beschlüsse vom - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199; vom - 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103; vom - 3 StR 103/15, juris Rn. 5), verneint, obwohl sich dessen Vorliegen hier schon angesichts der getroffenen Feststellungen zu seinem Konsumverhalten aufdrängte. Danach konsumierte der Angeklagte bereits als Schüler Amphetamin und Cannabis, absolvierte vier Therapien im Rahmen des § 35 BtMG - zuletzt im Jahre 2013 - und brach eine Maßregel nach § 64 StGB wegen Rückfalls in den Drogenkonsum ab. Nach einer mehrwöchigen Abstinenzphase im Winter 2016/17 konsumierte er bis zu seiner Verhaftung ca. 6 bis 7 g Amphetamin und 8 g Marihuana je Woche. Vor diesem Hintergrund ist die Erwägung des Landgerichts, ein Hang habe lediglich bis 2008 - nicht aber zur Tatzeit - vorgelegen, nicht tragfähig und widerspricht den Feststellungen im Rahmen der persönlichen Verhältnisse, wonach erst 2013 eine Therapie auf der Grundlage des § 35 BtMG zum Erfolg geführt habe.

4b) Das Landgericht ist zudem von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis von dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstaten ausgegangen. Insoweit gilt:

5Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang bereits dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat (vgl. , BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 5; Beschluss vom - 3 StR 24/18, juris Rn. 5). Eine Mitursächlichkeit für die verfahrensgegenständlichen Taten oder ihr Ausmaß und die Befürchtung, dass ein solcher Einfluss des Hanges auch in Zukunft zu erwarten ist, genügt. Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (vgl. , BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 6; vom - 1 StR 351/16, juris Rn. 28). Ein aus den Taten bzw. Taterträgen bedienter Eigenkonsum genügt für die Annahme eines solchen Zusammenhanges, auch wenn der Täter in erster Linie des wirtschaftlichen Vorteils wegen Handel mit Rauschgift betreibt (, juris Rn. 21 für einen wöchentlichen Eigenkonsum von 3 g synthetischer Cannabinoide und 5 g Amphetamin).

6Von diesen Grundsätzen hat sich das Landgericht in rechtsfehlerhafter Weise gelöst und die Mitursächlichkeit des Hangs verneint, obwohl der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen im November 2016 von dem Mitangeklagten Amphetamin (entweder 0,5 Liter Amphetaminöl oder 1,25 kg daraus hergestelltes Amphetamin) erwarb, von dem 10% für den Eigenkonsum mit Freunden vorgesehen waren und mithin auch seiner Suchtbefriedigung dienten. Es liegt nach den getroffenen Feststellungen auf der Hand, dass der arbeitslose Angeklagte seinen Konsum - zuletzt ca. 6 bis 7 g Amphetamin und 8 g Marihuana je Woche - aus den Einnahmen seines Betäubungsmittelhandels bestritt und ein ausreichender Zusammenhang zwischen Hang und Straftaten besteht.

72. Anhaltspunkte dafür, dass der mehrfach und überwiegend einschlägig vorbestrafte Angeklagte nicht gefährlich im Sinne des § 64 Satz 1 StGB ist, sind nicht ersichtlich. Da auch die für die Anordnung der Maßregel erforderliche Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB), zu der sich das Urteil nicht verhält, nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden.

8Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; , BGHSt 37, 5, 9; Beschluss vom - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:181018B3STR262.18.0

Fundstelle(n):
NAAAH-13938