Online-Nachricht - Montag, 15.04.2019

Umsatzsteuer | Im vorläufigen Insolvenzverfahren entstandene USt (FG)

Das Finanzamt darf die während des vorläufigen Insolvenzverfahrens unter Eigenverwaltung entstandene Umsatzsteuer nicht als Masseverbindlichkeit gegenüber dem späteren Insolvenzverwalter festsetzen (; Revision zugelassen).

Sachverhalt: Der Kläger war zum vorläufigen Sachwalter über das Vermögen einer GmbH bestellt worden, nachdem diese die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung beantragt hatte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde er zum Insolvenzverwalter bestellt und focht im vorläufigen Insolvenzverfahren von der GmbH geleistete Umsatzsteuerzahlungen an, was zu einer Erstattung der Beträge führte. Diese Beträge setzte das Finanzamt nunmehr gegenüber dem Kläger als Masseverbindlichkeit fest, meldete sie aber zugleich als Insolvenzforderung an. Der Kläger wandte sich gegen die Festsetzung mit der Begründung, dass es sich nicht um Masseverbindlichkeiten handele.

Das FG gab der Klage vollumfänglich statt:

  • Das Finanzamt darf die im vorläufigen Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung entstandenen Umsatzsteuern nicht als Masseverbindlichkeiten gegenüber dem späteren Insolvenzverwalter festsetzen, da es sich lediglich um Insolvenzforderungen handelt. Durch die erfolgreiche Insolvenzanfechtung lebt die ursprünglich erloschene Steuerforderung zwar wieder auf; sie kann jedoch nicht als Masseverbindlichkeit qualifiziert werden.

  • Zunächst ist nicht davon auszugehen, dass im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung ausschließlich Masseverbindlichkeiten begründet werden können, da ansonsten die Insolvenzmasse zulasten aller Gläubiger aufgezehrt werden würde. Es handelt sich auch nicht um eine von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit dessen Zustimmung begründete Verbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 2 bzw. Abs. 4 InsO, weil bei der vorläufigen Eigenverwaltung gerade kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird.

  • Diese Vorschriften sind auch nicht analog anzuwenden, weil einem vorläufigen Sachwalter - im Gegensatz zum vorläufigen Insolvenzverwalter - keine insolvenzspezifischen Befugnisse zugewiesen sind und der Gesetzgeber diese unterschiedliche Rechtsstellung bewusst eingeführt hat.

  • Aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) folgt kein Gebot, den vorläufigen Sachwalter mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter gleichzustellen. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die Einräumung der Möglichkeit einer vorläufigen Eigenverwaltung das Ziel verfolgt, Schuldnern den Zugang zu diesem Verfahren zu erleichtern und durch Erhaltung ihrer Verfügungsbefugnisse das Vertrauen ihrer Geschäftspartner zu sichern.

  • Auch das Unionsrecht gebietet keine derartige Gleichstellung. Da die vorläufige Eigenverwaltung von einer Entscheidung des Insolvenzgerichts abhängt, handelt es sich nicht um eine für eine europarechtswidrige Beihilfe erforderliche selektive Vorteilsgewährung. Ein Wettbewerbsvorteil ergibt sich ebenfalls nicht, weil die Umsatzsteuer unabhängig davon einen durchlaufenden Posten darstellt, ob sie als Masseverbindlichkeit oder als Insolvenzforderung qualifiziert wird.

Quelle: FG Münster, Newsletter April 2019 (Ls)

Fundstelle(n):
NWB PAAAH-12183