StuB Nr. 7 vom Seite 1

ARUG II-RegE: Quo vadis, Vergütungsbericht?

Prof. Dr. Patrick Velte | Lüneburg

Die nationale Umsetzung der neugefassten EU-Aktionärsrechterichtlinie 2017/828 schreitet voran. Nachdem das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) am den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II-RefE) veröffentlicht hat, hat die Bundesregierung am einen Gesetzentwurf für ein ARUG II vorgelegt. Mit Blick auf den „neuen“ Vergütungsbericht nach § 162 AktG-E und das zweifache Vergütungsvotum durch die Hauptversammlung (Say on Pay) nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 AktG-E lassen sich keine gewichtigen inhaltlichen Änderungen gegenüber dem RefE erkennen. Der Gesetzgeber verwendet allerdings nunmehr anstelle von „Vergütungspolitik“ den Terminus „Vergütungssystem“, welches der Aufsichtsrat gem. § 87a AktG-E einzurichten hat. Eine analoge Terminierung ist bereits de lata beim Vergütungsbericht in § 289a Abs. 2 HGB zu finden.

Die zum RefE im Schrifttum formulierten Kritikpunkte an der künftigen Ausgestaltung des Vergütungsberichts wurden bedauerlicherweise nicht aufgegriffen. Die geplante „Auslagerung“ des Vergütungsberichts aus dem Handels- ins Aktienrecht analog zur Entsprechenserklärung und die damit verbundene Ausweispflicht auf der betrieblichen Internetseite können weiterhin nicht überzeugen. Für börsennotierte Aktiengesellschaften wird die bisherige Pflichtpublizität (Finanz-, Corporate Governance- und gegebenenfalls nichtfinanzielle Berichterstattung) um ein weiteres Medium erweitert. Dieses regulatorische Vorgehen trägt nicht dem Risiko einer Informationsüberflutung am Kapitalmarkt und der „Green Washing“ -Gefahr Rechnung. Das Themenfeld Organvergütung verdeutlicht, dass Aspekte der Finanz-, Corporate Governance- und Nachhaltigkeitsberichterstattung gleichermaßen tangiert werden und insofern inhaltliche Redundanzen beim neuen Vergütungsbericht vorprogrammiert sind. Die Erklärung zur Unternehmensführung (Corporate Governance Statement) nach § 289f HGB wäre der ideale Ort, um über die Vergütung des Vorstands und Aufsichtsrats zu berichten. Analog zum RefE sieht auch der Gesetzentwurf für ein ARUG II nur eine formelle Prüfung des Vergütungsberichts durch den Abschlussprüfer nach § 162 Abs. 3 AktG-E vor. Zwar ist vorgesehen, dass der Prüfungsvermerk des Abschlussprüfers dem Vergütungsbericht beizufügen und insofern offenzulegen ist. Es stellt sich allerdings die Frage, inwiefern die Entscheidungsnützlichkeit des Vergütungsberichts sichergestellt wird. Bislang hat der Abschlussprüfer sowohl die vergütungsbezogenen Angaben im (Konzern-)Anhang als auch die Informationen zum Vergütungssystem des Vorstands im Lagebericht nach § 317 Abs. 2 HGB materiell, d. h. inhaltlich zu würdigen. Interessanterweise haben sich sowohl das IDW als auch die WPK in ihren Stellungnahmen zum RefE explizit für eine materielle Prüfung des Vergütungsberichts im Rahmen der (Konzern-)Abschlussprüfung ausgesprochen. Diese Sichtweise verdient Zustimmung, da ansonsten eine Verlässlichkeitslücke droht. Da der Aufsichtsrat für die Implementierung des Vergütungssystems für den Vorstand verantwortlich ist, führt die Aufsichtsratsprüfung der Vorstandsvergütung und seiner Bezüge zu einer Selbstprüfung. Sofern künftig keine freiwillige materielle Prüfung durch den Abschlussprüfer vorgenommen wird, besteht das Risiko, dass der Vergütungsbericht als Instrument der positiven Selbstdarstellungspolitik missbraucht wird und die Aktionäre dem neuen Vergütungsbericht misstrauen.

Patrick Velte

Fundstelle(n):
StuB 7/2019 Seite 1
NWB HAAAH-11273