Feststellungsantrag - Feststellungsinteresse bei vergangenheitsbezogener Feststellung - hinreichende Bestimmtheit des Antrags
Gesetze: § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 256 Abs 1 ZPO
Instanzenzug: ArbG Neuruppin Az: 3 BV 6/16 Beschlussvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 8 TaBV 1304/16 Beschluss
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Zuteilung von Aktienoptionen eines ausländischen herrschenden Unternehmens.
2Die konzernangehörige Arbeitgeberin betreibt ein Werk in H, in dem der antragstellende Betriebsrat gebildet ist. Herrschendes Unternehmen ist die in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässige T (TFS).
3Ein bei dieser gebildeter Vergütungsausschuss entscheidet jährlich, ob und welchen im Konzern beschäftigten Arbeitnehmern wie viele Aktienoptionen (Stock-Options und Time-Based Restricted Stock Unit Awards) zugeteilt werden. In den Jahren 2011 bis 2014 konnte die Arbeitgeberin der TFS Arbeitnehmer für die Zuteilung von Optionen vorschlagen. Vertragliche Vereinbarungen über die Gewährung von Aktienoptionen bestehen allein zwischen den Arbeitnehmern und der TFS. Seit dem Jahr 2015 ist das Vorschlagsrecht der Arbeitgeberin entfallen.
4Der Betriebsrat machte gegenüber der Arbeitgeberin ein Mitbestimmungsrecht „im Hinblick auf die Aktienoptionen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG“ erfolglos geltend. Eine vom Arbeitsgericht eingesetzte Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand „Verteilung der Stock-Options sowie Time-Based Restricted Stock Unit Awards“ wies einen Betriebsvereinbarungsentwurf des Betriebsrats mit Spruch vom mangels Zuständigkeit zurück. Es fehle an einem Mitbestimmungsrecht.
5Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, der Spruch der Einigungsstelle sei schon deshalb rechtswidrig, weil diese nicht befugt gewesen sei, über die Feststellung ihrer Unzuständigkeit hinaus auch seinen Antrag zurückzuweisen. Zudem bestehe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auch dann, wenn die TFS als herrschendes Unternehmen Aktienoptionen an bei der Arbeitgeberin beschäftigte Arbeitnehmer gewähre. Auf ein Vorschlagsrecht der Arbeitgeberin oder andere durchsetzbare Einflussmöglichkeiten komme es nicht an. Das erforderliche Feststellungsinteresse für die Zeit vor dem Jahr 2015 folge aus dem Umstand, dass die Betriebsparteien für diesen Zeitraum die betriebliche Angelegenheit rückwirkend neu regeln könnten.
6Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt
7Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
8Die Vorinstanzen haben die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter.
9B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Die als einheitliches Feststellungsbegehren zu verstehenden Anträge zu 1. und zu 2. sind sowohl für die Jahre 2011 bis 2014 als auch für den nachfolgenden Zeitraum unzulässig.
10I. Die Anträge des Betriebsrats bedürfen der Auslegung. Der Antrag zu 1., der seinem Wortlaut nach auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle gerichtet ist, bildet mit dem Antrag zu 2. ein einheitliches Antragsbegehren. Der Betriebsrat strebt keine eigenständige Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle an, mit der diese ihre Zuständigkeit verneint hat. Ein solches Begehren wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zudem unzulässig, weil es nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet ist ( - Rn. 12). Es geht dem Betriebsrat vielmehr, wie er in der Anhörung vor dem Senat ausgeführt hat, allein um die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der „Gewährung von Aktienoptionen“.
11Darüber hinaus ist der Antrag für die Jahre 2011 bis einschließlich 2014 darauf gerichtet, dass dem Betriebsrat bei der Ausübung des Vorschlagsrechts der Arbeitgeberin gegenüber dem herrschenden Unternehmen ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zusteht, weil es sich auch insoweit um eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung handele. Für die nachfolgende Zeit, die über das im Antrag genannte Jahr 2015 nach dem Vorbringen des Betriebsrats auch „die Folgezeit“ erfassen soll, bestehe ein Mitbestimmungsrecht, weil die Arbeitgeberin verpflichtet sei, auf die Vergabeentscheidung des bei der TFS gebildeten Ausschusses einzuwirken. Hierbei sei er zu beteiligen. Diesen Antragsinhalt hat der Betriebsrat in der Senatsanhörung klargestellt.
12II. Der so verstandene einheitliche Feststellungsantrag ist für beide Zeiträume unzulässig.
131. Der Teil des Antrags, mit dem der Betriebsrat die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts für die Jahre 2011 bis einschließlich des Jahres 2014 begehrt, ist zwar auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet (vgl. - Rn. 26, BAGE 151, 27), es fehlt aber das von Amts wegen zu beachtende erforderliche Feststellungsinteresse.
14a) Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren geltenden § 256 Abs. 1 ZPO ist ein besonderes rechtliches Interesse an der gerichtlichen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erforderlich. Für eine nur auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung, aus der sich keinerlei Rechtsfolgen für die Zukunft mehr ergeben, besteht regelmäßig kein besonderes rechtliches Interesse. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, einem Beteiligten zu bescheinigen, dass er im Recht war, oder eine die Verfahrensbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu klären (ausf. - Rn. 17 mwN).
15b) Mit dem Antrag wird eine rein vergangenheitsbezogene Feststellung begehrt, ohne dass sich aus diesem zur Entscheidung gestellten Rechtsverhältnis - dem Bestand eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Ausübung des Vorschlagsrechts durch die Arbeitgeberin - noch gegenwärtige oder zukünftige Rechtsfolgen ergeben könnten. Nach den nicht mit zulässigen Rügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts steht der Arbeitgeberin seit Beginn des Jahres 2015 kein Vorschlagsrecht mehr zu.
16Das erforderliche Feststellungsinteresse für die Vergangenheit ergibt sich auch nicht aus dem vom Betriebsrat angeführten Umstand, bei einem etwaigen Verstoß gegen ein ihm zustehendes Mitbestimmungsrecht müsse für die Jahre 2011 bis 2014 „eine neue Aktienoptionsverteilung“ zwischen den Betriebsparteien „festgelegt werden“, jedenfalls aber seien die „Mitarbeiter finanziell so zu stellen, wie sie stünden, wenn die Verteilung entsprechend den Vorgaben des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unter Mitbestimmung des Betriebsrats erfolgt wäre“. Die beantragte Feststellung zielt dann auf eine Vorfrage, die bei der Geltendmachung eines betriebsverfassungsrechtlichen Beseitigungsanspruchs klärungsbedürftig werden könnte. Eine Vorfrage kann, ebenso wie abstrakte Rechtsfragen, nicht Gegenstand eines Feststellungsantrags sein (st. Rspr., etwa - Rn. 16 mwN).
172. Unzulässig ist auch der weitere Antragsteil, mit dem der Betriebsrat die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts für die Zeit ab dem Jahr 2015 geltend macht. Dabei muss der Senat nicht darüber befinden, ob dem Antrag das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt. Die Unzulässigkeit des Antrags folgt bereits aus dessen mangelnder hinreichenden Bestimmtheit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er lässt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Betriebsrats nicht erkennen, für welche konkrete betriebliche Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht festgestellt werden soll.
18a) Der Antragsteller eines Beschlussverfahrens muss entweder die Maßnahme des Arbeitgebers oder die betriebliche Angelegenheit, hinsichtlich derer ein Mitbestimmungsrecht streitig ist, so genau bezeichnen, dass mit der Entscheidung über den Antrag feststeht, für welche betrieblichen Angelegenheiten das Mitbestimmungsrecht bejaht oder verneint worden ist. Diese müssen so konkret umschrieben werden, dass die Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Betriebsparteien entschieden werden kann ( - zu B I 2 a aa der Gründe mwN, BAGE 111, 36).
19b) Dem Vorbringen des Betriebsrats lässt sich nicht entnehmen, welche betriebliche Angelegenheit oder welche Maßnahme der Arbeitgeberin mitbestimmt werden soll. Der Betriebsrat meint, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, „auch ohne durchsetzbare Einflussmöglichkeiten“ auf die Entscheidungen des Vergabeausschusses einzuwirken. Durch den Antrag wird auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Betriebsrats nicht ansatzweise anhand abstrakter Kriterien beschrieben, bei welchen konkreten Maßnahmen der Arbeitgeberin, die die Vergabeentscheidung des Ausschusses bei dem herrschenden Unternehmen betreffen, er ein Mitbestimmungsrecht reklamiert. Weder der im Antrag wiedergegebene „Regelungsgegenstand ‚Verteilung von Stock-Options sowie Time-Based Restricted Stock Unit Awards‘“ noch der Vortrag lassen erkennen, welche von der Arbeitgeberin vorzunehmenden Handlungen einem ihm zustehenden Mitbestimmungsrecht unterliegen sollen. Einen betrieblichen Anlassfall hat der Betriebsrat nicht vorgetragen. Er hat auch nicht dargetan, dass zwischen den Betriebsparteien ein übereinstimmendes Verständnis besteht, welche Maßnahmen die Arbeitgeberin zur Einwirkung auf die Vergabeentscheidung ergreifen könnte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:231018.B.1ABR18.17.0
Fundstelle(n):
BB 2019 S. 627 Nr. 11
NJW 2019 S. 10 Nr. 11
QAAAH-08737