BGH Beschluss v. - V ZB 56/18

Grundbuchberichtigungsverfahren auf Ersuchen der Flurbereinigungsbehörde: Pflicht der Behörde zur Vorlage eines Grundschuldbriefes

Leitsatz

Die nach § 79 Abs. 1 FlurbG um Berichtigung des Grundbuchs ersuchende Flurbereinigungsbehörde ist zur Vorlage des Grundschuldbriefes verpflichtet, wenn sich im Zuge der Flurbereinigung der Belastungsgegenstand ändert. Dies ist der Fall, wenn für die Grundschuld (auch) ein neues, d.h. im Bestandsverzeichnis mit einer eigenen Nummer aufzuführendes selbständiges Grundstück haftet (Fortführung von Senat, Beschluss vom - V ZB 160/12, NJW-RR 2013, 916).

Gesetze: § 41 Abs 1 S 1 GBO, § 42 S 1 GBO, § 79 Abs 1 FlurbG

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 20 W 309/17 Beschlussvorgehend AG Kirchhain Az: AM-1946-17

Gründe

I.

1Die Beteiligte zu 1 ist in dem im Beschlusseingang näher bezeichneten Grundbuchblatt als Eigentümerin der dort gebuchten Grundstücke eingetragen. Im Bestandsverzeichnis waren u.a. vier Grundstücke mit den laufenden Nummern 1, 3, 5 und 6 aufgeführt. In Abteilung III des Grundbuchblattes war eine Briefgrundschuld über den Betrag von 51.000 DM eingetragen, die u.a. auf dem Grundstück mit der laufenden Nummer 1 des Bestandsverzeichnisses lastete. Der Beteiligte zu 2 führte ein Flurbereinigungsverfahren durch, dem die Grundstücke Nummer 1, 3, 5 und 6 unterlagen. An die Stelle dieser Grundstücke sind im Flurbereinigungsverfahren vier neue Grundstücke getreten, wobei die Briefgrundschuld auch auf einem der neuen Grundstücke lasten sollte. Der Beteiligte zu 2 ersuchte das Grundbuchamt um Berichtigung des Grundbuchs und bescheinigte die Übereinstimmung der dem Schreiben beigefügten Anlagen mit dem Flurbereinigungsplan und den Eintritt des neuen Rechtszustandes.

2Das Grundbuchamt hat eine Zwischenverfügung erlassen mit dem Inhalt, dass zur Grundbuchberichtigung die Vorlage des Grundpfandrechtsbriefs der in Abteilung III unter der laufenden Nummer 1 eingetragenen Grundschuld erforderlich sei. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Nach Erlass der Beschwerdeentscheidung hat die Beteiligte zu 1 den Grundschuldbrief nebst Löschungsbewilligung vorgelegt. In der Folge hat das Grundbuchamt in Abteilung III die Briefgrundschuld sowie in dem Bestandsverzeichnis die Grundstücke mit den laufenden Nummern 1, 3, 5 und 6 gelöscht und an deren Stelle die neuen Grundstücke mit den laufenden Nummern 8, 9, 10 und 11 eingetragen. Mit der - nach der Eintragung - eingegangenen Rechtsbeschwerde möchte der Beteiligte zu 2 feststellen lassen, dass die Zwischenverfügung des Grundbuchamts ihn in seinen Rechten verletzt hat.

II.

3Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung u.a. in FGPrax 2018, 150 veröffentlicht ist, meint, die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes sei zu Recht ergangen, weil der Beteiligte zu 2 gemäß § 41 Abs. 1, § 42 Satz 1 GBO zur Vorlage des Grundschuldbriefes verpflichtet sei. Nach Abschluss des Flurbereinigungsverfahrens habe nämlich in dem Grundbuchblatt die Eintragung „bei einer Grundschuld“ zu erfolgen. Aufgrund des durchgeführten Flurbereinigungsverfahrens seien im Wege der dinglichen Surrogation an die Stelle der bislang eingetragenen Grundstücke mit den laufenden Nummern 1, 3, 5 und 6 andere Grundstücke getreten, wobei sich die Hypotheken und Grundschulden gemäß § 61 Satz 2, § 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG unter Austausch des jeweiligen Haftungsobjekts an den jeweiligen Ersatzgrundstücken fortgesetzt hätten. Diese Grundstücke seien nach § 6 Abs. 1 GBV, Nr. 4.3.4.1 GBGA im Bestandsverzeichnis jeweils unter einer neuen laufenden Nummer einzutragen. Dies habe wiederum zur Folge, dass nach § 11 Abs. 3, 6 und 7 GBV jeweils eine entsprechende Eintragung in Abteilung III des Grundbuchblattes bei den dort eingetragenen Hypotheken und Grundschulden in den Spalten 2, 5, 6 und 10 erforderlich sei. Insofern unterscheide sich der Sachverhalt von demjenigen der Entscheidung des (NJW-RR 2013, 751).

III.

41. Die zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 78 Abs. 1 GBO) und frist- und formgerecht eingelegt (§ 71 FamFG i.V.m. § 78 Abs. 3 GBO). Sie ist auch im Übrigen zulässig. Dass die beantragte Eintragung zwischenzeitlich vorgenommen worden ist, ändert daran nichts, weil die Rechtsbeschwerde in analoger Anwendung von § 62 FamFG als Feststellungsantrag fortgeführt werden kann.

5a) Gemäß § 62 FamFG spricht das Beschwerdegericht nach Erledigung der Hauptsache auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn dieser ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Diese Norm gilt nach allgemeiner und zutreffender Ansicht auch im Grundbuchverfahren und ebenfalls im Verfahren der Rechtsbeschwerde (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 47/16, NJW-RR 2017, 1162 Rn. 5 mwN).

6b) Die Voraussetzungen von § 62 FamFG sind gegeben.

7aa) Dass die Eintragung noch vor Einlegung der Rechtsbeschwerde erfolgt ist, macht den Antrag nicht unzulässig. Die Bestimmung des § 62 Abs. 1 FamFG ist nämlich zur Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes auch dann anwendbar, wenn sich die angegriffene Maßnahme bereits vor Einlegung der Beschwerde - bzw. hier: der Rechtsbeschwerde - erledigt hat (vgl. , NJW-RR 2013, 751 Rn. 13).

8bb) Das berechtigte Interesse an der Feststellung liegt gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 FamFG in der Regel vor, wenn eine Wiederholung konkret zu erwarten ist, was voraussetzt, dass gerade der Beschwerdeführer von einer gleichartigen Rechtsverletzung betroffen wäre. Daran fehlt es zwar, wenn das Interesse lediglich auf die abstrakte Klärung einer Rechtsfrage für die zukünftige Rechtspraxis einer Behörde gerichtet ist (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 169/14, FGPrax 2016, 34 Rn. 12; Beschluss vom - V ZB 47/16, NJW-RR 2017, 1162 Rn. 6). Hier geht es aber nicht lediglich um die Klärung einer Rechtsfrage. Vielmehr verweist die Rechtsbeschwerde darauf, dass derzeit infolge des Flurbereinigungsverfahrens in 45 Fällen die Vorlage von Grundpfandrechtsbriefen verlangt worden sei. Dies begründet die von dem Beteiligten zu 2 geltend gemachte Wiederholungsgefahr.

92. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Zu Recht nimmt das Beschwerdegericht an, dass für die beantragte Eintragung die Vorlage des Grundschuldbriefs erforderlich war.

10a) Nach § 41 Abs. 1 Satz 1, § 42 Satz 1 GBO ist der Grundschuldbrief vorzulegen, wenn eine Eintragung bei einer Briefgrundschuld erfolgen soll. Eintragungen „bei einer Grundschuld“ sind solche Eintragungen, die in der Abteilung III des Grundbuchs unter der Nummer erfolgen, unter der die Grundschuld eingetragen ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Eintragung rechtsbegründend oder rechtsbezeugend ist, auf Bewilligung, Unrichtigkeitsnachweis oder Zwangsvollstreckung beruht, auf Antrag, auf Ersuchen oder von Amts wegen vorzunehmen ist, endgültigen oder vorläufigen Charakter hat, ob der Grundschuldgläubiger von der Eintragung betroffen oder begünstigt oder ob sie für ihn rechtlich neutral ist, und ob die Eintragung auf dem Brief vermerkt wird oder nicht. Keine Eintragungen i.S.v. § 41 Abs. 1 Satz 1, § 42 Satz 1 GBO sind dagegen solche, die zwar materiell auf die Grundschuld einwirken, aber grundbuchmäßig ihre Eintragung in Abteilung III nicht berühren (Senat, Beschluss vom - V ZB 160/12, NJW-RR 2013, 916 Rn. 7; Beschluss vom - V ZB 159/12, juris Rn. 6).

11b) Bereits entschieden hat der Senat, dass es der Vorlage des Grundschuldbriefs nicht bedarf, wenn in einem Verfahren des freiwilligen Landtausches gemäß den §§ 103a ff. FlurbG ein aus zwei Flurstücken bestehendes Grundstück mit Briefgrundschulden belastet war und eines dieser Flurstücke von der Flurbereinigungsbehörde gegen ein anderes, unbelastetes (selbständiges) Grundstück getauscht wird, ohne dass dieses unter einer neuen laufenden Nummer des Bestandsverzeichnisses als selbständiges Grundstück eingetragen wird. In diesem Fall erlangt das bisher selbständige Grundstück die rechtliche Stellung des alten Flurstücks, also nicht die eines selbständigen Grundstücks, sondern die eines unselbständigen Bestandteils des bereits unter einer bestimmten laufenden Nummer eingetragenen Grundstücks. Dies wird grundbuchtechnisch nach Maßgabe der Vorschriften in § 6 Abs. 2, 5, 6 Buchst. b und c, § 13 Abs. 1 GBV nur im Bestandsverzeichnis vermerkt. Dass sich die in Abteilung III eingetragene Grundschuld auf ein anderes (unselbständiges) Flurstück als vorher erstreckt, wird in Abteilung III nicht vermerkt; denn rechtlich ist der Belastungsgegenstand unverändert geblieben (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 160/12, NJW-RR 2013, 916 Rn. 17). Es handelt sich grundbuchrechtlich weiterhin um dasselbe Grundstück, geändert hat sich nur seine Zusammensetzung. Insoweit ist zu beachten, dass Flurstück und Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinne nicht notwendig identisch sind. Ein Grundstück kann vielmehr aus mehreren Flurstücken bestehen (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl., § 2 Rn. 18).

12c) Anders ist der soeben dargestellte Fall jedoch zu beurteilen, wenn das getauschte Grundstück in dem Bestandsverzeichnis unter einer neuen laufenden Nummer als selbständiges Grundstück eingetragen werden sollte. Dann ist die Grundschuld zu einer Gesamtgrundschuld geworden, weil sie nicht nur das alte - rechtlich identisch gebliebene - Grundstück belastet, sondern auch das neue Grundstück (vgl. hierzu auch bereits Senat, Beschluss vom - V ZB 160/12, NJW-RR 2013, 916 Rn. 17). Da sich der Belastungsgegenstand verändert hat, muss dies gemäß § 11 Abs. 3 und 6 GBV auch in Abteilung III des Grundbuchs dokumentiert werden. Vor diesem Hintergrund ist die Vorlage des Grundschuldbriefs erforderlich, um die Übereinstimmung zwischen dem Inhalt des Grundbuchs und dem Inhalt des Grundschuldbriefs (vgl. § 62 GBO) sicherzustellen.

13d) Entsprechendes gilt, wenn aufgrund des Flurbereinigungsverfahrens an die Stelle eines belasteten (selbständigen) Grundstücks ein anderes (selbständiges) Grundstück tritt. Die nach § 79 Abs. 1 FlurbG um Berichtigung des Grundbuchs ersuchende Flurbereinigungsbehörde ist deshalb immer dann zur Vorlage des Grundschuldbriefes verpflichtet, wenn sich im Zuge der Flurbereinigung der (rechtliche) Belastungsgegenstand ändert. Dies ist der Fall, wenn für die Grundschuld (auch) ein neues, d.h. im Bestandsverzeichnis mit einer eigenen Nummer aufzuführendes selbständiges Grundstück haftet. So liegt es hier. Wie das Beschwerdegericht zutreffend sieht, handelt es sich bei den Grundstücken, die in dem Flurbereinigungsverfahren an die Stelle der alten Grundstücke getreten sind (§ 68 Satz 1 FlurbG), um rechtlich selbständige Grundstücke, die gemäß § 6 Abs. 1 GBV auch in dem Bestandsverzeichnis mit einer eigenen, neuen Nummer zu versehen sind. Anders als in dem vom Senat am (V ZB 160/12, NJW-RR 2013, 916) entschiedenen Fall, auf den sich der Beteiligte zu 2 stützt, hat sich der Belastungsgegenstand in rechtlicher Hinsicht geändert. Das ursprünglich haftende Grundstück hat seine Existenz verloren. Für die Grundschuld haftete nunmehr (auch) ein anderes Grundstück. Das muss, wie dargelegt, in Abteilung III des Grundbuchs dokumentiert werden. Wäre die Grundschuld nicht gelöscht worden, hätte daher gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1, § 42 Satz 1 GBO eine Eintragung „bei der Grundschuld“ erfolgen und deshalb der Grundschuldbrief vorgelegt werden müssen.

IV.

14Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 61 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 und 3 GNotKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:100119BVZB56.18.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2019 S. 403 Nr. 7
WM 2019 S. 1405 Nr. 30
YAAAH-08555