Online-Nachricht - Donnerstag, 14.02.2019

Verfahrensrecht | Änderungen von Steuergesetzen verfassungswidrig (BVerfG)

Die im Jahr 2004 vorgenommenen Änderungen des BierStG und des EStG durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 sowie die im Jahr 1999 vorgenommene Änderungen des KStG durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 sind formell verfassungswidrig. Grund sind in beiden Fällen den Vermittlungsausschuss betreffende Mängel im Gesetzgebungsverfahren (, 2 BvL 5/11, 2 BvL 4/13 sowie v. - 2 BvL 1/09).

Hintergund: Die ersten drei Normenkontrollverfahren betreffen die formelle Verfassungsmäßigkeit von Änderungen des BierStG (2 BvL 4/11 und 2 BvL 5/11 - Erhöhung der ermäßigten Biersteuersätze für kleinere Brauereien) und des EStG (2 BvL 4/13, Begrenzung des Betriebskostenabzug von Bewirtungsaufwendungen durch Absenkung der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG geregelten Quote von 80 % der angemessenen und nachgewiesenen Aufwendungen auf 70 % in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG) durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 v. . Die Änderungen sind erst im Vermittlungsverfahren auf der Grundlage des sogenannten Koch/Steinbrück-Papiers in den Gesetzentwurf aufgenommen worden. Das Gesetzgebungsverfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 war mit derselben Fragestellung bereits - im Hinblick auf den durch Art. 24 Haushaltsbegleitgesetz 2004 geänderten § 45a des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) - Gegenstand des Senatsbeschlusses v. (BVerfGE 125, 104).

Das vierte Verfahren betrifft die Frage, ob die Vorschrift des § 54 Abs. 9 Satz 1 KStG 1999 in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetz 1999 v. in formell verfassungsmäßiger Weise zustande gekommen ist. Nach dieser erst im Vermittlungsverfahren eingefügten Regelung ist § 23 Abs. 2 Satz 5 KStG 1999 in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999, der die Besteuerung bestimmter umwandlungssteuerrechtlicher Übernahmegewinne zum Gegenstand hat, bereits für den VZ 1999 anzuwenden und nicht erst für den VZ 2000, wie dies noch nach der vom Bundestag verabschiedeten Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 der Fall war.

Hierzu führten die Richter des BVerfG weiter aus:

  • Der Vermittlungsausschuss, auf dessen Vorschlag die betreffenden Änderungen vorgenommen wurden, hat seine ihm durch das Grundgesetz eingeräumten Kompetenzen überschritten: Er darf eine Änderung, Ergänzung oder Streichung der vom Bundestag beschlossenen Vorschriften nur vorschlagen, wenn und soweit dieser Einigungsvorschlag im Rahmen des ihnen zugrundeliegenden Gesetzgebungsverfahrens verbleibt.

  • Wird der Anrufungsauftrag auf einzelne Vorschriften begrenzt, muss der Vermittlungsausschuss zudem die übrigen Regelungen des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes als endgültig hinnehmen.

  • In dem die Vorlagen 2 BvL 4/11, 2 BvL 5/11 und 2 BvL 4/13 betreffenden Gesetzgebungsverfahren konnte das sogenannte Koch/Steinbrück-Papier aufgrund der Art seiner Einführung und seiner Behandlung im parlamentarischen Verfahrensgang keine Grundlage für die vom Vermittlungsausschuss vorgeschlagenen Änderungen des Biersteuergesetzes und des Einkommensteuergesetzes sein.

  • Bei der Änderung des Körperschaftsteuergesetzes betreffend umwandlungssteuerrechtliche Übernahmegewinne (2 BvL 1/09) überschritt der Vermittlungsvorschlag sowohl den Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens als auch die Grenzen des Anrufungsbegehrens, das nur die Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen betraf.

Hinweise:

Das BVerfG hat allerdings klargestellt, dass die durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 vorgenommene Änderungen des BierStG sowie des EStG materiell-rechtlich mit dem GG vereinbar sind. Sie bleiben daher für den Zeitraum bis zu ihrer - bereits erfolgten - Bestätigung beziehungsweise Neuregelung anwendbar.

Im Fall der Anwendung der Regelung über die Besteuerung von Übernahmegewinnen hat das BVerfG die Regelung des § 54 Absatz 9 Satz 1 KStG 1999 dagegen für nichtig erklärt, sodass § 23 Abs. 2 Satz 5 KStG 1999 in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 gemäß § 54 Abs. 1 KStG 1999 in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 erstmals für den VZ 2000 anzuwenden ist.

Die Pressemitteilung zu den o.g. Verfahren ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht. Dort finden Sie auch die Entscheidungen im Volltext.

Quelle: u.a. BVerfG, Pressemitteilung v (il)

Fundstelle(n):
NWB VAAAH-07519