OFD Nordrhein-Westfalen

Ertragsteuerliche Behandlung von Verbindlichkeiten in Fällen der Unternehmensinsolvenz

Es ist gefragt worden, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt in den Fällen, in denen über das Vermögen eines Unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners abweichend vom Nennwert mit dem niedrigeren Wert zu bewerten sind. Ein geänderter Wertansatz würde dann zu einem entsprechenden Gewinnausweis führen.

Grundsätzliche Passivierungspflicht wegen wirtschaftlicher Belastung

Die gemäß § 155 Abs. 1 InsO unberührt bleibenden handels- und steuerrechtlichen Pflichten zur Buchführung im Rahmen des Insolvenzverfahrens umfassen auch die Verpflichtung zur ordnungsmäßigen Bilanzaufstellung und Bewertung. Somit sind die grundsätzlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften des Handels- und Steuerrechts im Insolvenzverfahren unverändert anzuwenden.

Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Verbindlichkeiten nicht (mehr) passiviert werden dürfen, wenn sie keine wirtschaftliche Belastung darstellen. Eine solche wirtschaftliche Belastung fehlt dann, wenn der Schuldner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger rechnen muss (vgl. , BStBl 1989 II S. 359 ).

Der BFH hat weiterhin entschieden, dass allein die Tatsache, dass der Schuldner die Verbindlichkeit mangels ausreichendem Vermögen nicht oder nur teilweise tilgen kann, noch nicht die Annahme einer fehlenden wirtschaftlichen Belastung begründet (vgl. , BStBl 1993 II S. 747 ).

Daher ist zu dem Zeitpunkt, zu dem das Vorliegen eines Insolvenzgrundes (vgl. § 16 InsO) zu prüfen ist, und auch während des Insolvenzverfahrens von einer wirtschaftlichen Belastung des Schuldners in Höhe des Nennbetrages der Verbindlichkeit auszugehen.

Da die Insolvenzgläubiger ihre restlichen Forderungen auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch geltend machen können (§ 201 Abs. 1 InsO), ist insoweit eine wirtschaftliche Belastung des Schuldners auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens weiterhin anzunehmen. Ob Verbindlichkeiten einer nach der Auflösung (vgl. § 60 GmbHG, § 262 AktG) in der Liquidation befindlichen Kapitalgesellschaft bei der Bewertung des Abwicklungsendvermögens weiterhin mit dem Nennwert zu erfassen sind oder ausnahmsweise außer Ansatz bleiben, weil sie definitiv keine wirtschaftliche Belastung (mehr) darstellen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden (vgl. dazu , BFH/NV 2014, 1014).

Allein in der Beantragung oder Zustimmung des Gläubigers zur Liquidation einer Tochterkapitalgesellschaft ist kein konkludenter Forderungsverzicht zu sehen. Es ist unverändert von einer wirtschaftlichen Belastung durch die Verbindlichkeit beim Schuldner auszugehen. Diese entfällt erst, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse angenommen werden kann, dass der Gläubiger seine Forderung nicht mehr geltend machen wird.

Forderungsverzicht und Erlöschen der Schuld i. S. d. InsO

Das tatsächliche Erlöschen der Schuld im Rahmen des Insolvenzverfahrens ist gewinnwirksam.

Daher kann eine erfolgswirksame Minderung der Verbindlichkeiten erfolgen

  • wenn ein Gläubiger wirksam auf seine Forderung verzichtet. (Hinweis: bei einem gesellschaftsrechtlich veranlassten Verzicht wird regelmäßig in Höhe des noch werthaltigen Teils der Forderung eine verdeckte Einlage anzunehmen sein, vgl. auch , BStBl 2003 I S. 648 )

  • soweit nach rechtskräftiger Bestätigung des keine abweichenden Regelungen enthaltenden Insolvenzplanes durch das Gericht die Forderungen nachrangiger Gläubiger erlöschen bzw. eine Befreiung gegenüber nicht nachrangigen Gläubigern im gestaltenden Teil des Insolvenzplanes vorgesehen ist.

Restschuldbefreiung nach §§ 286, 300 InsO

Ein gewinnwirksamer Wegfall betrieblicher Verbindlichkeiten kann sich auch dann ergeben, wenn die Regelungen über die Restschuldbefreiung für natürliche Personen (§ 286 ff. InsO) greifen.

Mit Erteilung der Restschuldbefreiung erlöschen die Verbindlichkeiten. Die abschließende Entscheidung hierüber obliegt dem Insolvenzgericht (vgl. § 300 Abs. 1 InsO).

Ein Buchgewinn, der aufgrund der Erteilung einer Restschuldbefreiung entsteht, ist grundsätzlich im Jahr der Rechtskraft des gerichtlichen Beschlusses zu erfassen. Wurde der Betrieb jedoch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben, liegt ein in das Jahr der Betriebsaufgabe zurückwirkendes Ereignis vor (vgl. , BStBl 2017 II S. 786).

Textziffer ab hier ergänzt am

Gewinne aus einer ab dem rechtskräftig erteilten Restschuldbefreiung sind nach § 3a Abs. 5 EStG begünstigt.

Für Gewinne aus einer bis einschließlich zum rechtskräftig erteilten Restschuldbefreiung ist grundsätzlich das zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen ergangene , BStBl 2003 I S. 240 entsprechend anzuwenden. (Hinweis auf , BStBl 2010 I S. 18 , , BStBl 2017 I S. 741 und , BStBl 2018 I S. 588 .)

Nach § 52 Abs. 4a S. 3 EStG kann der Steuerpflichtige aber auch die Anwendung des § 3a Abs. 5 EStG beantragen, wenn ihm die Schulden bis einschließlich zum erlassen wurden (für weitere Informationen wird auf die Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 33/2015 verwiesen).

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Fundstelle(n):
AAAAH-06392