OFD Nordrhein-Westfalen

Verfügung betr. Behandlung sog. anschaffungsnaher Aufwendungen; Bisher noch offene Zweifelsfragen

Bezug:

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Durch das Nebeneinander von Verwaltungsanweisung ( BStBl I S. 386) und gesetzlicher Neuregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG sind Fragen zu deren Anwendungsbereich aufgetreten. Nach Abstimmung auf Bund-Länder-Ebene wird gebeten, hierzu folgende Auffassung zu vertreten:

1. Sollen Aufwendungen, die zur Beseitigung der Funktionsuntüchtigkeit führen und für sich Anschaffungskosten sind, in die Prüfung der 15 %- Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG einbezogen werden?

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG schließt nur Aufwendungen für Erweiterungen i. S. d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für jährlich üblicherweise anfallende Erhaltungsarbeiten von den zu berücksichtigenden Herstellungskosten aus. Aufwendungen zur Beseitigung der Funktionsuntüchtigkeit oder zur Hebung des Standards sind hiervon nicht berührt und daher in die Prüfung der 15 %-Grenze einzubeziehen (vgl. , BStBl II S. 996).

2. Sind Schönheitsreparaturen in die Berechnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG einzubeziehen?

Zu den Aufwendungen i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG gehören unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen und nicht nach Satz 2 der Vorschrift ausdrücklich ausgenommen sind (vgl. , BStBl II S. 999). Hierzu gehören auch Kosten für sog. Schönheitsreparaturen wie das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper, der Innen- und Außentüren sowie der Fenster. An dem bisher geforderten engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der Schönheitsreparaturen zu einer als einheitlich zu würdigenden Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes (vgl. , BStBl 2010 II S. 125) hält der BFH nicht länger fest.

3. Sind die jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsarbeiten auch dann sofort abziehbar, wenn sie im Rahmen einheitlich zu würdigender Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG anfallen?

Aufwendungen im Zusammenhang mit der Anschaffung eines Gebäudes sind – unabhängig davon, ob sie auf jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsarbeiten i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG beruhen – nicht als Erhaltungsaufwand sofort abziehbar, wenn sie im Rahmen einheitlich zu würdigender Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG anfallen (, BStBl 2010 II S. 125).

4. Bleiben – auch im Fall des Unterschreitens der 15 %-Grenze – die in die Prüfung einbezogenen Aufwendungen Anschaffungs- oder Herstellungskosten?

Aufwendungen, die innerhalb des Dreijahreszeitraums getätigt werden und nach den Kriterien des o. a. BMF-Schreibens Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind, in ihrer Summe aber die 15 %-Grenze nicht überschreiten, sind (und bleiben) Anschaffungs- oder Herstellungskosten i. S. d. § 255 HGB.

5. Wie ist eine Sanierung in Raten zur Hebung des Standards zu behandeln, die erst nach Ablauf des Dreijahreszeitraums zu Herstellungskosten i. S. der BFH-Rspr./des BMF-Schreibens führt?

Auch wenn Aufwendungen für Baumaßnahmen erst nach Ablauf des Dreijahreszeitraums des § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG die 15 %-Grenze überschreiten, sind sie nach Rn. 31 des steuerlich als Herstellungskosten i. S. v. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zu behandeln.

6. Ist die 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG auf das Gebäude insgesamt oder aber auf die einzelnen Gebäudeteile i. S. d. R 4.2 Abs. 4 EStR zu beziehen?

Bei der Prüfung, ob die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen zu anschaffungsnahen Herstellungskosten i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG führen, ist bei einem aus mehreren Einheiten bestehenden Gebäude dann auf das Gebäude insgesamt abzustellen, wenn das Gesamtgebäude nicht in unterschiedlicherweise genutzt wird und somit nicht in verschiedene Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist (Umkehrschluss aus , BStBl 2008 II S. 218). Maßgeblich ist insoweit, ob zwischen den Gebäudeteilen ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang besteht (vgl. auch , BFH/NV 2011 S. 1302). Wird das Gebäude unterschiedlich genutzt (z. B. Wohnhaus mit drei vermieteten Wohnungen und einer selbstgenutzten Wohnung) ist auf den jeweilig selbstständigen Gebäudeteil abzustellen (wirtschaftsgutbezogene Betrachtungsweise, , BStBl II S. 999). Das Gebäude ist dann in unterschiedliche Wirtschaftsgüter entsprechend der Nutzungs- und Funktionszusammenhänge aufzuteilen (vgl. R 4.2 Abs. 4 EStR). Werden die Wohnungen durch Einzelvertrag erworben (Sondereigentum nach dem WEG), ist die 15 %-Grenze auf jede einzelne Wohnung anzuwenden. An der mit Verfügung vom der OFD Rheinland und Münster vertretenen Auffassung, dass generell auf das gesamte Gebäude abzustellen ist, wird nicht weiter festgehalten.

7. Ist für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG hinsichtlich der Durchführung der Maßnahmen innerhalb der Dreijahresfrist der Beginn, der einzelne Bauabschnitt oder der Abschluss der Baumaßnahme entscheidungserheblich?

Es sind sämtliche Baumaßnahmen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG in den Dreijahreszeitraum einzubeziehen, die innerhalb dieses Zeitraums ausgeführt wurden. Die Baumaßnahmen müssen zum Ende des Dreijahreszeitraums weder abgeschlossen, abgerechnet noch bezahlt werden. Mit dieser – am Wortlaut der Vorschrift ausgerichteten Rechtsauffassung – wird verhindert, dass die gesetzliche Norm des § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG mittels ungerechtfertigter Gestaltungen (z. B. Hinauszögern des Abschlusses von Baumaßnahmen, verspätete Abnahme der Werkleistung, verspätete Bezahlung) umgangen werden kann. Wird eine vor Ablauf der Dreijahresfrist begonnene Baumaßnahme erst nach Ablauf der Dreijahresfrist beendet und überschreiten die bis zum Ablauf des Dreijahreszeitraums bereits durchgeführten Leistungen die 15 %-Grenze, so ist insoweit anschaffungsnaher Herstellungsaufwand gegeben. Die nach Beendigung der Dreijahresfrist noch getätigten Leistungen dieser Baumaßnahme werden nicht in die Ermittlung der 15 %-Grenze einbezogen und unterliegen auch nicht der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG. Es ist aber zu prüfen, ob diese Maßnahme zu Herstellungskosten i. S. d. (BStBl I S. 386) führt.

Hinweis zu den Punkten 2 und 6 der Verfügung:

Zurzeit wird auf Bund-/Länderebene erörtert, ob im Hinblick auf die für den Stpfl. u. U. nachteilige BFH-Rspr. (Berücksichtigung von Schönheitsreparaturen, wirtschaftsgutbezogene Prüfung) aus Vertrauensschutzgründen eine Übergangsregelung vorzusehen ist. Einsprüche sind deshalb von der Bearbeitung zurückzustellen. Die Verfügungen der werden hiermit aufgehoben.

OFD Nordrhein-Westfalen v.

Fundstelle(n):
AAAAH-06032