Bayerisches Landesamt für Steuern - S 3840.1.1 - 3/5 St 34

Erlöschen der Erbschaft- und Schenkungsteuer bei Übertragung von Vermögen auf eine nichtrechtsfähige Stiftung nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG

Es wurde gefragt, ob die Übertragung von Vermögensgegenständen, die der Übertragende zuvor durch Erbschaft oder Schenkung erworben hat, zum Erlöschen der hierfür zu entrichtenden Erbschaft- oder Schenkungsteuer nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG führt, wenn sie innerhalb der Zweijahresfrist an eine nichtrechtsfähige Stiftung übertragen werden, die gemeinnützigen Zwecken i. S. der §§ 52 – 54 AO – mit Ausnahme der Zwecke nach § 52 Abs. 2 Nr. 4 AO – dient.

Körperschaftsteuerrechtlich ist die rechtsfähige Stiftung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG) der nichtrechtsfähigen Stiftung (Nr. 5) gleichgestellt. Die nichtrechtsfähige Stiftung ist damit auch eine Körperschaft im Sinne des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts (§ 51 Satz 2 AO). Somit sind auch Zuwendungen an nichtrechtsfähige Stiftungen unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit, da diese Vorschrift in ihrer Wortwahl unmittelbar an das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht anknüpft. § 29 Abs. 1 Nr. 4 begünstigt zwar nicht die Übertragung an jede Körperschaft im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, sondern (neben Gebietskörperschaften) nur an Stiftungen. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber dies nur hinsichtlich rechtsfähiger Stiftungen gelten lassen wollte, zumal er zur allgemeinen Voraussetzung die Erfüllung der Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts gemacht hat, die auch durch eine nichtrechtsfähige Stiftung erbracht werden kann.

Diese Meinung entspricht auch der vorherrschenden Auffassung in der Literatur (Troll, Erbschaftsteuergesetz, RdNr. 45 zu § 29; Moench, Erbschaftsteuergesetz, RdNr. 18 zu § 29, Thiel-Eversberg, Gesetz zur steuerlichen Förderung von Kunst, Kultur und Stiftung sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften in: Der Betrieb 1991 S. 118 [125], dagegen Meincke, Erbschaftsteuergesetz zu § 29). Sie lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ableiten, da insbesondere zur Verfolgung wissenschaftlicher Zwecke nichtrechtsfähige Stiftungen in der Vergangenheit eine größere Rolle spielten (vgl. Streck, Die Steuerpflicht nichtrechtsfähiger Stiftungen und anderer Zweckvermögen, Steuer und Wirtschaft 1975 S. 135 [136]).

Vorteil der nichtrechtsfähigen Stiftung ist vor allem die einfachere Handhabung bei Errichtung und laufender Geschäftsführung. Sie benötigt im Gegensatz zur rechtsfähigen Stiftung keine staatliche Anerkennung (§ 80 BGB), unterliegt nicht der Stiftungsaufsicht und hat keine eigenen Stiftungsorgane (§ 86 in Verbindung mit § 26 BGB). Die Vertretung und Geschäftsführung der nichtrechtsfähigen Stiftung erfolgt vielmehr durch den Stiftungsträger. Sie empfiehlt sich daher vor allem für kleinere Stiftungen, deren Vermögensverwaltung nur geringfügigen Aufwand erfordert und daher kostengünstiger durch den Stiftungsträger als durch eigene Stiftungsorgane erledigt werden kann.

Zivilrechtlich ist für die Errichtung einer nichtrechtsfähigen Stiftung keine besondere Form vorgesehen, aus § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG in Verbindung mit § 60 AO ergibt sich jedoch, dass die wesentlichen Bestimmungen schriftlich niedergelegt sein müssen. Dies wird in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG meist im Schenkungsvertrag erfolgen, mit der sich der Stifter zur Übertragung eines Vermögensgegenstands auf den Stiftungsträger verpflichtet. Der Schenkungsvertrag bedarf nicht der notariellen Form, wenn der Stifter das Vermögen zugleich auf den Stiftungsträger überträgt (§ 518 Abs. 2 BGB) und nicht für die Übertragung bestimmter Vermögensgegenstände diese Form vorgeschrieben ist (z. B. bei Grundstücken). Der Zweck, zu dem das Stiftungsvermögen verwendet werden soll, ist vom Stifter verbindlich zu bezeichnen.

Es darf sich dabei nicht um Zwecke handeln, die der Stiftungsträger als eigene zu erfüllen hat (RFH, , RStBl. 1938, S. 284). Eigene Zwecke des Stiftungsträgers liegen vor, wenn das Vermögen ohne weitere Zweckbestimmung auf den Stiftungsträger zur Verfolgung dessen allgemeiner Zwecksetzung oder zur Verwendung für vom Stiftungsträger selbst zu bestimmender Zwecke übertragen wird oder das Vermögen für Zwecke verwendet werden soll, deren Erfüllung sich der Stiftungsträger aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht entziehen kann. Keine eigenen Zwecke des Stiftungsträgers liegen vor, wenn er auch aus eigenen Mitteln den mit der Stiftung verfolgten Zweck erfüllen könnte.

Keine nichtrechtsfähige Stiftung liegt vor, wenn eine Person eigenes Vermögen aus der allgemeinen Vermögensverwaltung aussondert und einem bestimmten Zweck widmet. Es kann sich bei solchem Vermögen zwar um „anderes Zweckvermögen des privaten Rechts” im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und damit eine nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG steuerbefreite Zuwendung handeln. § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG kommt jedoch nicht zur Anwendung, wenn Übertragende und Empfänger des Vermögens dieselbe (zivilrechtliche) Person ist.

Der Stiftungsträger muss sich umgekehrt verpflichten, das übertragene Vermögen getrennt von seinem übrigen Vermögen als Treuhandvermögen zu verwalten und dem vom Stifter bestimmten Zweck zuzuführen.

Im Übrigen müssen die zwischen dem Stifter und dem Stiftungsträger getroffenen Vereinbarungen den Anforderungen der §§ 60 ff. AO genügen.

Stiftungsträger kann grundsätzlich jede Person sein, doch kommen wegen des auf Dauer angelegten Charakters der Stiftung regelmäßig nur juristische Personen als Stiftungsträger in Betracht (Troll, Besteuerung von Verein, Stiftung und Körperschaft des öffentlichen Rechts, 2. Auflage München 1978, S. 15).

In erster Linie dürften Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie Körperschaften in Frage kommen, die wegen Verfolgung von dem Stiftungszweck ähnlichen Zwecken steuerlich als gemeinnützig anerkannt sind. Die steuerliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit des Stiftungsträgers ist jedoch nicht Voraussetzung für das Erlöschen der Erbschaft- oder Schenkungsteuer, nur die nichtrechtsfähige Stiftung als steuerlich eigenständige Körperschaft muss diese Voraussetzung erfüllen.

Umgekehrt ist aus der Anerkennung der steuerlichen Gemeinnützigkeit beim Stiftungsträger nicht zu schließen, dass die nichtrechtsfähige Stiftung ohne Prüfung deren Verhältnisse gemeinnützig ist.

§ 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG begünstigt nicht allein die Errichtung einer Stiftung, sondern auch die Übertragung von Vermögen auf eine bestehende Stiftung. Wird Vermögen auf eine bestehende rechtsfähige Stiftung zur Erfüllung derer Zwecke übertragen, wird es, so weit die Zustiftung vorgesehen ist, eigenes Vermögen dieser Stiftung. Die Errichtung einer nichtrechtsfähigen Stiftung bei einer bestehenden rechtsfähigen Stiftung, weil beispielsweise eine vom Zweck der rechtsfähigen Stiftung abweichende Vermögensverwendung der „Zustiftung” vorgesehen ist, dürfte regelmäßig an stiftungsrechtlichen Vorgaben scheitern. Die „Zustiftung” zu einer nichtrechtsfähigen Stiftung unterscheidet sich hinsichtlich der Anforderungen an die schenkungsrechtlichen Vereinbarungen nicht von der erstmaligen Begründung einer solchen Stiftung. Allerdings kann es dem Stiftungsträger erlaubt werden, das Vermögen der ursprünglichen Stiftung und das nachträglich zugeflossene Vermögen gemeinsam zu verwalten, wenn es demselben Zweck dient.

Die Übertragung von Vermögen im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist nicht nur Tatbestand für das Erlöschen der Erbschaft- oder Schenkungsteuer aus der ursprünglichen Zuwendung an den Übertragenden, sondern eine weitere steuerbare Schenkung unter Lebenden zwischen diesem und der empfangenden Körperschaft.

So weit die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfüllt sind, liegt jedoch regelmäßig auch der Steuerbefreiungstatbestand nach § 13 Nr. 15 oder Nr. 16 Buchst. b ErbStG vor. Umgekehrt ist diese Steuerbefreiung aber nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht zur Anwendung kommt.

An der Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bei nichtrechtsfähigen Stiftungen und an den voranstehenden Ausführungen wird auch vor dem Hintergrund des , BStBl 2018 II S. 199 weiter festgehalten. Darin hatte der BFH entschieden, dass die Ersatzerbschaftsteuer bei nichtrechtsfähigen Familienstiftungen nicht einschlägig ist.

Die bisherige Karteikarte und (Kontrollnummer 51) ist auszureihen.

Bayerisches Landesamt für Steuern v. - S 3840.1.1 - 3/5 St 34

Fundstelle(n):
DB 2019 S. 217 Nr. 5
ErbStB 2019 S. 74 Nr. 3
NWB-EV 2019 S. 46 Nr. 2
UVR 2019 S. 200 Nr. 7
KAAAH-05129