BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 61/18

Ausnahme vom Widerruf der Anwaltszulassung wegen Vermögensverfalls

Gesetze: § 14 Abs 2 Nr 7 BRAO, Art 12 Abs 1 S 1 GG, Art 12 Abs 1 S 2 GG

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof München Az: BayAGH I - 5 - 13/17

Gründe

I.

1Der Kläger ist seit 1995 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

31. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es.

4a) Der Kläger hat sich, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend festgestellt hat und vom Kläger nicht in Abrede gestellt wird, zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vom in Vermögensverfall befunden.

5b) aa) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann sie nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 3/18, juris Rn. 11; vom - AnwZ (Brfg) 73/12, juris Rn. 4 und vom - AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 3; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 14 BRAO, Rn. 39). Eine solche Sondersituation kann vorliegen, wenn der Rechtsanwalt seinen Beruf bisher ohne jede Beanstandung ausgeübt und den Insolvenzantrag selbst gestellt hat, im Insolvenzverfahren keine Anmeldungen von Gläubigern vorliegen, die aus Mandaten des Rechtsanwalts stammen und vor allem dieser seine selbständige anwaltliche Tätigkeit vollständig und nachhaltig aufgibt, sie nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom , aaO Rn. 5; vom , aaO und vom - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 14 Rn. 35). Dabei ist die Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit für eine Rechtsanwaltssozietät unter Verabredung der vorgenannten Maßnahmen die Mindestvoraussetzung für die Annahme eines Ausnahmefalls im vorstehenden Sinne (Senatsbeschlüsse vom , aaO; vom - AnwZ (Brfg) 46/17, juris Rn. 11 und vom - AnwZ (Brfg) 47/14, juris Rn. 5; jeweils mwN).

6bb) Diese Grundsätze hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt und angewendet. Seine Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Senats ab. Der Anwaltsgerichtshof hat eine Ausnahme von der mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich einhergehenden Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verneint, weil der Kläger als Einzelanwalt tätig ist. Die hiergegen gerichteten Angriffe des Klägers sind nicht begründet.

7Zwar entscheidet, worauf der Kläger hinweist, nach der Rechtsprechung des Senats eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände darüber, ob die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden hinreichend sicher ausgeschlossen ist (Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 38/15, juris Rn. 9; vom - AnwZ (B) 21/10, juris Rn. 10 und vom - AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924 Rn. 8; Henssler, aaO). Dabei ist - wie ausgeführt - auch zu berücksichtigen, ob der Rechtsanwalt seinen Beruf bisher ohne jede Beanstandung ausgeübt, einen etwaigen Insolvenzantrag selbst gestellt hat und im Insolvenzverfahren keine Anmeldungen von Gläubigern vorliegen, die aus Mandaten des Rechtsanwalts stammen (so auch Senat, Beschluss vom , aaO).

8Daraus kann indes nicht der Schluss gezogen werden, dass die Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit für eine Rechtsanwaltssozietät unter Verabredung von Maßnahmen, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern, nicht erforderlich ist, wenn der Rechtsanwalt seinen Beruf bisher ohne jede Beanstandung ausgeübt, einen etwaigen Insolvenzantrag selbst gestellt hat und im Insolvenzverfahren keine Anmeldungen von Gläubigern vorliegen, die aus Mandaten des Rechtsanwalts stammen. Sie ist vielmehr eine Mindestvoraussetzung für die Annahme eines Ausnahmefalls, in dem trotz Vermögensverfalls des Rechtsanwalts nicht von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausgegangen werden kann. In den vorgenannten, vom Kläger herangezogenen Senatsentscheidungen lag jeweils ein Anstellungsvertrag des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts mit einer Anwaltssozietät vor (Senat, Beschlüsse vom , aaO Rn. 5, 8; vom , aaO Rn. 8; vom , aaO Rn. 9 und vom , aaO). Soweit er den Anforderungen der Senatsrechtsprechung nicht genügte, wurde eine Ausnahme von der bei einem Vermögensverfall grundsätzlich gegebenen Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verneint (Senat, Beschluss vom , aaO Rn. 11 f.). Genügt der Anstellungsvertrag den Anforderungen, kann die erforderliche Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände dennoch zu der Annahme führen, dass infolge des Vermögensverfalls des Rechtsanwalts die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind (vgl. Senat, Urteil vom - AnwZ (Brfg) 38/15, juris Rn. 12 ff.: nicht beanstandungsfreie Berufsausübung; Henssler, aaO).

92. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist ebenfalls nicht gegeben. Er setzt voraus, dass die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 5/18, juris Rn. 18 mwN).

10Eine solche Abweichung hat der Kläger nicht dargelegt. Der Anwaltsgerichtshof hat ausgeführt, weil der Kläger nicht angestellter Anwalt, sondern selbständig tätig sei, komme es auf die weiteren (vom Kläger vorgetragenen) Umstände, wie zum Beispiel die Tatsache, dass der Rechtsanwalt seinen Beruf bisher beanstandungsfrei ausgeübt habe, den Insolvenzantrag selbst gestellt habe und im Insolvenzverfahren keine Anmeldungen von Gläubigern vorlägen, die aus Mandaten des Rechtsanwalts stammten, nicht an. Dies weicht nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des Senats ab. Soweit der Senat in seinem Beschluss vom (AnwZ (B) 23/06, juris Rn. 5 f.) eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verneint hat, obwohl der dortige Antragsteller als Einzelanwalt tätig war, handelte es sich um einen besonderen, in der Gesamtschau seiner Umstände sehr seltenen Einzelfall (Vermögensverfall wegen eines einzigen Immobilienengagements; vertragliche Verpflichtung der Gläubigerin, bei Erfüllung von Ratenzahlungs- und Informationspflichten aus Verbindlichkeit nicht vorzugehen; Bemessung der Raten so, dass der Antragsteller sie aus Einnahmen bestreiten kann). Solche oder vergleichbare Umstände sind vorliegend nicht gegeben.

113. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat der Kläger nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (, BGHZ 154, 288, 291).

12Die vom Kläger aufgeworfene Frage zu Art. 12 Abs. 1 GG ist geklärt. Nach der Rechtsprechung des Senats verstoßen die in ständiger Rechtsprechung aufgestellten strengen Anforderungen an die Ausräumung einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG (Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 62/13, AnwBl. Online 2014, 128 Rn. 9 und vom , aaO Rn. 6). Die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO dient dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, also eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts. Mildere, ebenso wirksame Maßnahmen, die dem Anliegen des Gesetzes in gleicher Weise Rechnung trügen, kommen nicht in Betracht (Senat, Beschluss vom , aaO Rn. 10).

III.

13Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:091118BANWZ.BRFG.61.18.0

Fundstelle(n):
DStR 2019 S. 759 Nr. 14
DStRE 2020 S. 57 Nr. 1
VAAAH-04269