BSG Beschluss v. - B 9 V 28/18 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde - strukturierte Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs durch Prozessbevollmächtigten - Geordnetheit des Vortrags - geordnete Abhandlung über den festgestellten Sachverhalt - konkreter Bezug auf vorliegende Fallkonstellation und geltend gemachte Zulassungsgründe - Anpassung an die Besonderheiten des Falles

Gesetze: § 160a Abs 2 S 3 SGG

Instanzenzug: Az: S 8 VH 3481/08 Urteilvorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg Az: L 6 VH 368/17 Beschluss

Gründe

1I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache sinngemäß nach Maßgabe des Häftlingshilfegesetzes die Gewährung einer Beschädigtenversorgung (Beschädigten-Grundrente) nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 100 wegen der als Folge einer Schädigung anerkannten "andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung". Diesen Anspruch hat das verneint. Dem Kläger stehe ab September 2004 bzw Januar 2005 keine Beschädigtenversorgung nach einem GdS von mehr als 40 bzw 50 zu.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Es lägen mehrere Verfahrensmängel sowie mehrere Divergenzen vor.

3II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung in den von seinem Prozessbevollmächtigten unterschriebenen Schriftsätzen vom und genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil Zulassungsgründe iS des § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG nicht in der gebotenen Weise dargetan worden sind. Die vom Kläger persönlich eingereichte und unterschriebene 50-seitige Begründung vom ist bereits deshalb unbeachtlich, weil die Nichtzulassungsbeschwerde von einem vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten nicht nur eingereicht, sondern auch begründet werden muss (vgl § 73 Abs 4 SGG).

4Nach § 160a Abs 2 S 3 SGG muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil bzw hier der Beschluss des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde muss eine verständliche Darlegung des entscheidungserheblichen Sachverhalts auf der Grundlage der Feststellungen des LSG enthalten sowie eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs durch den Prozessbevollmächtigten und ein Mindestmaß der Geordnetheit des Vortrags erkennen lassen (stRspr; zB = SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48 = Juris RdNr 4; - Juris RdNr 8). Bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch verlangen das "Darlegen" und das "Bezeichnen" ein bestimmtes Mindestniveau an Klarheit, Verständlichkeit und Übersichtlichkeit der Ausführungen. Gerade dies ist einer der Gründe dafür, dass die Nichtzulassungsbeschwerde dem Vertretungszwang unterliegt (vgl § 73 Abs 4 SGG). Welche Anforderungen dabei im Einzelnen zu stellen sind, ist nach den jeweiligen Umständen zu beurteilen. Eine umfangreiche Beschwerdebegründung entspricht jedenfalls dann nicht den formellen Erfordernissen, wenn die Ausführungen zu den Zulassungsgründen unübersichtlich, unklar und in kaum auflösbarer Weise mit für das BSG als Beschwerdegericht unerheblichen Fragen vermengt sind (vgl Senatsbeschluss vom - B 9 V 28/16 B - Juris RdNr 27; Senatsbeschluss vom - B 9 SB 38/14 B - Juris RdNr 6; = SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48 = Juris RdNr 4). Es ist nicht Aufgabe des BSG, aus einem derartigen Gemenge das herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender Auslegung - zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde im Hinblick auf die geltend gemachten Zulassungsgründe geeignet sein könnte (stRspr; zB Senatsbeschluss vom - B 9 SB 38/14 B - Juris RdNr 6; - Juris RdNr 8; = SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48 = Juris RdNr 4).

5Ein solcher Fall liegt hier vor. Die umfängliche Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers lässt insgesamt die erforderliche strukturierte Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs durch den Prozessbevollmächtigten und das geforderte Mindestmaß der Geordnetheit des Vortrags bezogen auf die hier vorliegende Fallkonstellation und die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht erkennen. Allein die ausführliche Ausbreitung der eigenen Rechtsansicht reicht nicht. Insbesondere ist die in diesem Verfahren vorgelegte Beschwerdebegründung in den Schriftsätzen vom (42 Seiten) und (92 Seiten) sowohl von der Antragstellung als auch von der Begründung (nahezu) wortgleich mit der in dem Verfahren B 9 V 29/18 B eingereichten Beschwerdebegründung in den dortigen Schriftsätzen vom und . Die gebotene Anpassung an die Besonderheiten des hier vorliegenden Falls und insbesondere an dessen Streitgegenstand erfolgt nicht. Der Senat lässt dahingestellt und nimmt deshalb von einer weiteren Prüfung Abstand, ob hier insoweit überhaupt eine anwaltlich vollinhaltlich verantwortete Beschwerdebegründung vorliegt (vgl hierzu - Juris RdNr 4; - Juris RdNr 6). Denn ohnehin hat der Kläger als zwingende Grundvoraussetzung für die ordnungsgemäße Darlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde bereits den Sachverhalt, der dem angefochtenen Beschluss des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt. Seinen Schilderungen können allenfalls Fragmente der entscheidungserheblichen Tatsachen entnommen werden. Eine verständliche Schilderung des Sachverhalts auf der Grundlage der Feststellungen des LSG gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes; denn es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus der angegriffenen LSG-Entscheidung selbst herauszusuchen (stRspr; zB Senatsbeschluss vom - B 9 SB 3/17 B - Juris RdNr 6; - Juris RdNr 9; - Juris RdNr 8).

6Ohne Sachverhaltswiedergabe kann das BSG nicht beurteilen, ob sich entscheidungserheblich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), ob eine Divergenz zu einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG besteht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ob ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtene vorinstanzliche Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Dies gilt umso mehr, wenn es sich - wie hier - um einen umfangreichen Lebenssachverhalt handelt. In einer solchen Situation ist vom Beschwerdeführer zu erwarten, dass die Tatsachenfeststellungen, die für das LSG und aus Sicht der Beschwerde entscheidungserheblich sind, in einer geordneten Abhandlung und nicht, wie hier erfolgt, im Rahmen der Begründung äußerst fragmentarisch dargelegt werden sowie ohne den Hinweis, ob diese Darstellung der entspricht, die das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (vgl Senatsbeschluss vom - B 9 V 8/18 B - Juris RdNr 5; - Juris RdNr 4; - Juris RdNr 6).

7Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

8Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

9Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2018:081118BB9V2818B0

Fundstelle(n):
DAAAH-04223