Rechtsbehelfseinlegung vor Bekanntgabe des Verwaltungsakts
Geschäftsführerhaftung bei Bestellung mehrerer Geschäftsführer
Grundsatz der Gesamtverantwortung
Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
Leitsatz
1. Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde erstreckt sich nicht darauf, dass der Zustelladressat am angegebenen Ort auch tatsächlich
eine Wohnung innehat. Allerdings begründet die Erklärung des Zustellers, dass er den Zustellungsempfänger in seiner Wohnung
nicht angetroffen habe, ein beweiskräftiges Indiz dafür, dass der Empfänger unter der Zustellanschrift wohnt, welches aber
durch eine plausible, schlüssige Darstellung entkräftet werden kann.
2. Die Indizwirkung der Zustellungsurkunde ist entkräftet, wenn nur noch die geschiedene Ehefrau des Adressaten unter der
Zustellanschrift gemeldet ist, der Adressat selbst hingegen dort von Amts wegen abgemeldet wurde, nachdem dessen geschiedene
Ehefrau im Rahmen einer polizeilichen Aufenthaltsermittlung angegeben hatte, er wohne dort schon länger nicht mehr, und zu
seinem derzeitigen Aufenthalt nichts sagen wollte oder konnte.
3. Zwar ist grundsätzlich ein vor Bekanntgabe des Verwaltungsakts eingelegter Rechtsbehelf unzulässig und muss wiederholt
werden. Jedoch ist ein zuvor eingelegter Rechtsbehelf zulässig, wenn die Finanzbehörde durch ihr Verhalten den Anschein erweckt,
ein Steuerbescheid sei bereits bekanntgegeben.
4. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, haben diese jeder für sich die Pflicht, die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft
zu erfüllen. Sie trifft bei Nichterfüllung dieser Pflichten eine solidarische Verantwortung. Dabei verbleibt es, wenn eine
zwischen den Geschäftsführern schriftlich vereinbarte interne Aufgabenverteilung, aus der sich unter Umständen eine haftungsbeschränkende
Wirkung ergeben könnte, nicht vorliegt.
5. Im Fall der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots verbleibt
die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wie auch die Prozessführungsbefugnis beim Schuldner. Daran vermag auch ein Zustimmungsvorbehalt
nichts zu ändern.
Fundstelle(n): MAAAH-03141
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Sächsisches FG, Urteil v. 08.03.2018 - 4 K 1180/14
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