Online-Nachricht - Dienstag, 20.11.2018

Spanien | Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts (EuG)

Das Gericht der Europäischen Union hat die Rechtsakte der Europäischen Kommission bestätigt, mit denen die spanische Steuerregelung über die Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts als mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe eingestuft wird (EuG, Urteile in den Rechtssachen T-207/10, T-227/10, T-239/11, T-405/11, T-406/11, T-219/10 RENV und T399/11 RENV v. ).

Sachverhalt und Verfahrensgang: Nach spanischem Steuerrecht ist die Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwerts ("goodwill") zu steuerlichen Zwecken nur bei Unternehmensverschmelzungen möglich. Nach einer im Jahr 2001 in das spanische KStG eingeführten steuerlichen Maßnahme kann jedoch dann, wenn ein körperschaftsteuerpflichtiges Unternehmen an einem steuerlich nicht in Spanien ansässigen Unternehmen eine Beteiligung von mindestens 5 % erwirbt und die Beteiligung mindestens ein Jahr lang ununterbrochen gehalten wird, der sich daraus ergebende finanzielle Geschäfts- oder Firmenwert in Form einer Abschreibung von der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer, die das Unternehmen schuldet, abgezogen werden. Der finanzielle Geschäfts- oder Firmenwert entspricht dem Geschäfts- oder Firmenwert, der im Fall einer Verschmelzung dieser beiden Unternehmen in den Büchern des erwerbenden Unternehmens verbucht worden wäre.

Mit schriftlichen Anfragen von Abgeordneten des Europäischen Parlaments in den Jahren 2005 und 2006 wurde die Kommission gefragt, ob die in Rede stehende steuerliche Maßnahme als staatliche Beihilfe einzustufen sei. Die Kommission antwortete im Wesentlichen, dass diese Maßnahme nach den ihr zur Verfügung stehenden Informationen keine staatliche Beihilfe darstelle. Gleichwohl eröffnete sie auf die Beschwerde eines privaten Marktteilnehmers hin im Oktober 2007 das förmliche Prüfverfahren. Das Verfahren bezüglich der innerhalb der Europäischen Union erworbenen Beteiligungen wurde mit Entscheidung vom abgeschlossen, dasjenige bezüglich der außerhalb der Union erworbenen Beteiligungen mit Beschluss vom . Diese Rechtsakte erklären die in Rede stehende Maßnahme für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und ordnen die Rückforderung der gewährten Beihilfen durch Spanien an.

In Spanien ansässige Unternehmen, u. a. die Autogrill España, SA (jetzt World Duty Free Group, SA), die Banco Santander und die Santusa Holding, beantragten beim EuG, die genannten Rechtsakte der Kommission für nichtig zu erklären. Mit Urteilen vom erklärte das Gericht beide Rechtsakte der Kommission für nichtig, da Letztere seiner Auffassung nach die Selektivität der in Rede stehenden Maßnahme nicht dargetan habe.

Der Gerichtshof hob diese beiden Urteile im Jahr 2016 auf. Das Gericht musste daher erneut über die Frage entscheiden, ob die in Rede stehende steuerliche Maßnahme selektiv ist, da die Selektivität eines der notwendigen kumulativen Kriterien für die Einstufung einer nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe ist.

Hierzu führten die Richter des EuG weiter aus:

  • Das Gericht gelangt in Anwendung der drei Schritte umfassenden Methode zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehende Maßnahme selektiv ist, obgleich der Vorteil, den sie vorsieht, allen in Spanien körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen zugänglich ist.

  • Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine Maßnahme auch dann selektiv sein, wenn die sich daraus ergebende unterschiedliche Behandlung auf der Unterscheidung zwischen Unternehmen, die sich für die Vornahme bestimmter Transaktionen entscheiden, und anderen Unternehmen, die sich gegen die Vornahme solcher Transaktionen entscheiden, beruht und nicht auf einer Unterscheidung zwischen Unternehmen in Anbetracht der diesen eigenen Merkmale.

  • Zu dem Schluss, dass die fragliche steuerliche Maßnahme selektiv ist, gelangt das Gericht wie die Kommission aufgrund der Feststellung, dass diese Maßnahme zu Unterschieden bei der Behandlung von Unternehmen führt, die durch die Natur und die Systematik des den Geschäfts- oder Firmenwert betreffenden spanischen Steuerrechts nicht gerechtfertigt sind.

  • Mit seinen Urteilen (Rechtssachen T-227/10, T-239/11, T-405/11, T-406/11, T-219/10 RENV und T399/11 RENV) bestätigt das Gericht daher die beiden Rechtsakte der Kommission.

  • In Bezug auf die Rechtssache T-207/10 hat das Gericht aus Vertrauensschutzerwägungen auch die Bestimmung der Entscheidung von 2009 bestätigt, die die weitere Anwendung der spanischen steuerlichen Maßnahme während des gesamten Abschreibungszeitraums auf Beteiligungen gestattet, die vor dem (dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens im Amtsblatt) erworben wurden oder zu deren Erwerb vor dem genannten Zeitpunkt die unwiderrufliche Verpflichtung eingegangen wurde.

Hinweis:

Die vollständige Pressemitteilung zu den Entscheidungen ist auf der Homepage des EuG veröffentlicht. Die Urteile in den Rechtssachen T-207/10, Deutsche Telekom / Kommission, T-227/10, Banco Santander / Kommission, T-239/11, Sigma Alimentos Exterior / Kommission, T-405/11, Axa Mediterranean / Kommission, T-406/11, Prosegur Compañía de Seguridad / Kommission, T-219/10 RENV, World Duty Free Group / Kommission, und T-399/11 RENV, Banco Santander und Santusa / Kommission finden Sie dort ebenfalls.

Quelle: EuG, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
NWB EAAAG-99841