NWB Nr. 44 vom Seite 3201

Im Wortlaut zu weit geraten

Reinhild Foitzik | Verantw. Redakteurin | nwb-redaktion@nwb.de

Alles eine Frage der Auslegung

Gesetze bedürfen der Auslegung – entweder anhand des Wortlauts, aus dem Gesamtzusammenhang oder der Entstehungsgeschichte heraus oder nach dem Sinn und Zweck, auch teleologische Interpretation genannt. In der Auslegung sind sich die Rechtsanwender aber durchaus nicht immer einig. So auch im Fall der Bewertung einer Restrukturierungsrückstellung, über den das FG Baden-Württemberg zu entscheiden hatte. Streitig war, ob ersparte zukünftige Aufwendungen „künftige Vorteile“ im Sinne der Bewertungsvorschrift sein können. Da das Finanzgericht dem Begriff „Vorteil“ keine entscheidende Aussagekraft entnehmen konnte, musste es auf den objektivierten Willen des Gesetzgebers zurückgreifen. Dieser hatte während des Gesetzgebungsverfahrens den zuvor verwendeten Begriff der künftigen Einnahmen in den der künftigen Vorteile geändert. Eine klare Begründung, warum er dies tat, lässt sich den Gesetzgebungsmaterialien nicht entnehmen. Für das Finanzgericht steht damit aber fest: Ersparte Aufwendungen unterfallen nicht dem Begriff der Vorteile. Was dies für die Bewertung von Rückstellungen in der Steuerbilanz bedeutet, untersuchen .

Eine Auslegung im Wege der teleologischen Reduktion unternimmt der Bundesfinanzhof. Er hatte sich mit der Beschränkung des Schuldzinsenabzugs bei Überentnahmen zu befassen, die – wie der Pressemitteilung des höchsten deutschen Finanzgerichts zu entnehmen ist – nach einhelliger Auffassung im Wortlaut zu weit geraten ist, weil bei ihrer mechanischen Anwendung bereits ein betrieblicher Verlust ohne jede Entnahme zur teilweisen Versagung des Schuldzinsenabzugs führen könnte. Beim Abzugsverbot für betrieblich veranlasste Schuldzinsen ist die Bemessungsgrundlage daher – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – auf den periodenübergreifenden Entnahmeüberschuss zu begrenzen. Dieses neue Berechnungsschema des Bundesfinanzhofs, das vorstellt, kann für den Steuerpflichtigen in bestimmten Jahren günstiger, in anderen Jahren aber auch nachteiliger sein als der Verrechnungsmodus des Bundesfinanzministeriums. Notwendig ist deshalb eine vorausschauende Planung der Entnahmen auch in Gewinnjahren.

anlässlich einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung der Frage nach, wie die Werte der Richtsatzsammlung „auszulegen“, d. h. zu verstehen sind. Die Richtsatzsammlungen werden von der Finanzverwaltung bei der Verprobung von Umsätzen und Gewinnen herangezogen und sind zudem häufig Ausgangs- und Anhaltspunkt für Schätzungen. Für betroffene Steuerzahler ist es jedoch völlig intransparent, wie die in die Richtsatzsammlung eingegangenen Werte ermittelt wurden. Die Antwort der Bundesregierung überzeugt nicht ganz, aber immerhin, das Thema ist in den Fokus gerückt.

Beste Grüße

Reinhild Foitzik

Fundstelle(n):
NWB 2018 Seite 3201
NWB KAAAG-97804