BFH Urteil v. - I R 55/02 BStBl 2004 II S. 534

Organschaft durch rückwirkende Umwandlung

Leitsatz

Eine durch übertragende Umwandlung aus einer Personengesellschaft entstandene Kapitalgesellschaft kann jedenfalls dann rückwirkend vom Beginn des Wirtschaftsjahres an gewerbesteuerliche Organgesellschaft sein, wenn der steuerliche Übertragungsstichtag gemäß § 20 Abs. 8 Satz 1 UmwStG 1995 auf den Beginn des Wirtschaftsjahres zurückverlegt wird und die Eingliederungsvoraussetzungen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1999 i.V.m. § 14 Nr. 1 und 2 KStG 1999 tatsächlich bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres erfüllt waren (gegen BStBl I 1998, 268, Tz. Org. 05, Org. 13, Org. 18).

Gesetze: GewStG 1999 § 2 Abs. 2 Satz 2KStG 1999 § 14 Nr. 1 und 2UmwStG 1995 § 20 Abs. 7 Satz 1, Abs. 8 Satz 1UmwStG 1995 § 25

Instanzenzug: (EFG 2002, 1318) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war ursprünglich eine GmbH & Co. KG. Sie wurde durch Gesellschafterbeschluss vom mit Wirkung zum gemäß §§ 190 ff., §§ 214 ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG 1995) formwechselnd in eine GmbH umgewandelt. Ihr Wirtschaftsjahr entsprach vor wie nach der Umwandlung dem Kalenderjahr. Der Formwechsel wurde aufgrund der Anmeldung vom am in das Handelsregister eingetragen. Beherrschende Gesellschafterin der Klägerin ist seitdem mit einer Beteiligung von ca. 94 v.H. eine AG, die zuvor sowohl ca. 94 v.H. des Kommanditkapitals der GmbH & Co. KG als auch 94 v.H. der Anteile der Komplementär-GmbH hielt.

Geschäftsführer der Klägerin wurde der bisherige Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, der zugleich Vorstandsmitglied der AG war, sowie ein weiteres Vorstandsmitglied der AG. Alle Gesellschaften —die AG, die GmbH & Co. KG ebenso wie die nunmehrige GmbH— sind in derselben Branche tätig.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin im gesamten Streitjahr 1999 die Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1999) i.V.m. § 14 Nr. 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999) erfüllte. Streitig ist aber, ob die Klägerin infolge des von ihr gestellten Antrages auf Rückbeziehung des steuerlichen Übertragungsstichtages gemäß § 25 i.V.m. § 20 Abs. 7 Satz 1 und Abs. 8 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 1995) bereits mit Wirkung vom an als Organgesellschaft der AG anzusehen ist. Abweichend von der Klägerin wird dies vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) —unter Berufung auf die Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 1998, 268, dort Tz. Org. 05, Org. 13, Org. 18) und vom (Der Betrieb —DB— 1999, 1300)— verneint.

Die Klage gegen den hiernach ergangenen Gewerbesteuermessbescheid hatte Erfolg. Das ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1318 abgedruckt.

Das FA stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet.

Die Vorinstanz ist zu Recht vom Vorliegen einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft zwischen der Klägerin und der AG im Streitjahr ausgegangen.

1. Ist eine Kapitalgesellschaft in ein anderes inländisches Unternehmen in der Weise eingegliedert, dass die Voraussetzungen des § 14 Nr. 1 bis 3 KStG 1999 erfüllt sind, so gilt sie nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1999 als Betriebsstätte des anderen Unternehmens. Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 14 Nr. 1 bis 3 KStG 1999 sind nach den Feststellungen des FG, die den erkennenden Senat binden (§ 118 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—), im Streitfall erfüllt. Die Klägerin war danach i.S. des § 14 Nr. 1 KStG 1999 finanziell und i.S. des § 14 Nr. 2 KStG 1999 wirtschaftlich und organisatorisch in die AG als Organträgerin eingegliedert. Entgegen der Annahme des FA war sie dies auch —wie nach § 14 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 2 Satz 1 KStG 1999 erforderlich— ununterbrochen ”vom Beginn des Wirtschaftsjahres” an.

2. Die Klägerin ist als GmbH infolge formwechselnder Umwandlung gemäß §§ 190 ff., §§ 214 ff. UmwG 1995 aus der GmbH & Co. KG hervorgegangen. Der Formwechsel wurde am beschlossen. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte aufgrund der Anmeldung vom selben Tage der Beschlussfassung am . Dennoch wurden die organschaftlichen Eingliederungsvoraussetzungen in die AG von der Klägerin nicht erst ab dem bzw. ab dem , sondern ”vom Beginn des Wirtschaftsjahres” an erfüllt.

a) Grund hierfür ist § 25 i.V.m. § 20 Abs. 7 Satz 1 und Abs. 8 Satz 1 UmwStG 1995. Danach ist in den Fällen des Formwechsels einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft das Einkommen und das Vermögen der formwechselnden ”übertragenden” (s. § 25 Satz 2 UmwStG 1995) Personengesellschaft und der ”übernehmenden” (s. § 20 Abs. 7 Satz 1 UmwStG 1995) Kapitalgesellschaft auf Antrag so zu ermitteln, als ob das Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Umwandlungsstichtags auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Eine Ausnahme davon besteht hinsichtlich des Einkommens und des Gewerbeertrages lediglich für Entnahmen und Einlagen, die nach dem steuerlichen Umwandlungsstichtag erfolgen (§ 20 Abs. 7 Satz 2 UmwStG 1995; vgl. auch Senatsurteil zum UmwStG 1977 vom I R 192/82, BFHE 150, 412, BStBl II 1987, 797). Als steuerlicher Umwandlungsstichtag darf nach § 25 i.V.m. § 20 Abs. 8 Satz 1 UmwStG 1995 jener Stichtag angesehen werden, für den die Schlussbilanz jedes der übertragenden Unternehmen i.S. des § 17 Abs. 2 UmwG 1995 aufgestellt ist; dieser Stichtag darf höchstens acht Monate vor der Anmeldung der formwechselnden Umwandlung zur Eintragung in das Handelsregister liegen.

Nach den Feststellungen des FG wurde im Streitfall ein Antrag nach § 20 Abs. 7 Satz 1 UmwStG 1995 gestellt. Da die Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister am angemeldet wurde, durfte der maßgebliche Umwandlungsstichtag deshalb in Einklang mit den umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften auf den zurückverlegt werden.

b) Diese Rückbeziehung wirkt sich jedenfalls unter den im Streitfall vorliegenden Gegebenheiten sowohl auf die Behandlung der Klägerin als Kapitalgesellschaft als auch auf die organschaftlichen Eingliederungsvoraussetzungen aus.

Zwar sind letztere Voraussetzungen, jedenfalls was die wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung gemäß § 14 Nr. 2 Satz 1 KStG 1999 betrifft, tatsächlicher und nicht rechtlicher Natur. Die erforderlichen Eingliederungen müssen nach dem Regelungswortlaut und -zweck tatsächlich gegeben sein. Die Rückbeziehung des Umwandlungsstichtages gemäß § 25 i.V.m. § 20 Abs. 7 Satz 1 und Abs. 8 Satz 1 UmwStG 1995 beruht demgegenüber nur auf einer Fiktion, die dazu führt, dass das Einkommen und Vermögen der übernehmenden Kapitalgesellschaft so zu ermitteln ist, als ob das Vermögen der übertragenden Gesellschaft bereits am steuerlichen Umwandlungsstichtag übergegangen wäre. Diese Fiktion macht nur dann Sinn, wenn man sie —was allgemeiner Auffassung entspricht (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 268, Tz. Org. 02.06; Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 2 UmwStG Rz. 9 und 18; Widmann in Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG Rz. 614)— dahin versteht, dass —bezogen auf das übergehende Vermögen— die Steuerpflicht des übertragenden Unternehmens (hier: GmbH & Co. KG) mit dem Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtages (hier: ) endet. Gleichzeitig beginnt die Steuerpflicht des neu gegründeten übernehmenden Rechtsträgers (hier: GmbH). Damit wird die Klägerin ab dem als körperschaftsteuer- und gewerbesteuerpflichtig behandelt. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1999, § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG 1999 setzt dies ihre zumindest fiktive Behandlung als Kapitalgesellschaft voraus. Ist aber die Klägerin gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 UmwStG 1995 fiktiv als Kapitalgesellschaft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1999 zu behandeln, so schlägt dies auf die Anwendung des § 17 Abs. 1 KStG 1999 durch. Es ist kein Grund zu erkennen, dass der Ausdruck ”Kapitalgesellschaft” in § 17 Abs. 1 KStG 1999 anders als in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1999 zu verstehen ist. Die fiktive Rückbeziehung wirkt für alle einkommens- und vermögensbezogenen Steuern. Dazu gehört die Gewerbesteuer, was durch § 20 Abs. 7 Satz 2 UmwStG 1995 mittelbar belegt wird. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1999 verweist wegen der körperschaftsteuerlichen Eingliederungsvoraussetzungen auf § 17 Abs. 1 i.V.m. § 14 KStG 1999. Allerdings müssen die Eingliederungsvoraussetzungen dieser Vorschrift tatsächlich vorliegen. Die Fiktion erstreckt sich nicht auf ihre Existenz.

Danach ist auch im Streitfall von einer gewerbesteuerlichen Organschaft auszugehen: Sieht man davon ab, dass die GmbH & Co. KG als Personengesellschaft keine Organgesellschaft sein konnte (vgl. § 14 1. Halbsatz, § 17 KStG 1999), war auch sie zu Beginn des Wirtschaftsjahres 1999 bereits nach Maßgabe des § 14 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 2 Satz 1 KStG 1999 finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in die AG eingegliedert. Die Eingliederungsvoraussetzungen waren also erfüllt; sie wurden nicht ”rückbezogen”. Bis zur formwechselnden Umwandlung fehlte zur Anerkennung der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft deshalb lediglich die subjektive Eignung der GmbH & Co. KG, Organ zu sein. Dieser tatbestandliche rechtliche Mangel wurde jedoch durch die fiktive Rückbeziehung der Umwandlung nach § 25 i.V.m. § 20 Abs. 7 Satz 1 und Abs. 8 Satz 1 UmwStG 1995 auf den behoben.

Der Umstand, dass die Klägerin als Kapitalgesellschaft zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch nicht existent war und als solche in die AG nicht i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1999 i.V.m. § 14 Nr. 1 und 2 KStG 1999 eingegliedert sein konnte, erweist sich demgegenüber als unbeachtlich. Eine solche —formale— Argumentation zöge Wertungswidersprüche nach sich. Führt die fiktive Behandlung der umgewandelten Personengesellschaft als Kapitalgesellschaft aus steuerrechtlicher Sicht nämlich zur Fiktion einer insoweit vorhandenen Selbständigkeit und werden alle ertragsteuerlich relevanten Vorgänge nach dem Umwandlungsstichtag der umgewandelten Gesellschaft unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Existenz zugeordnet, dann muss sich dies auch auf die Beurteilung der subjektiven Anforderungen niederschlagen, die an die Organgesellschaft zu stellen sind. Andernfalls liefe die Rückwirkungsfiktion partiell leer. Das gewerbesteuerliche Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und der AG war folglich vom Beginn des Streitjahres als des maßgeblichen Erhebungszeitraumes (vgl. § 14 Satz 2 GewStG 1999) an anzuerkennen (im Ergebnis jedenfalls für den hier vorliegenden Sachverhalt ebenso z.B. Walter/Götz, GmbH-Rundschau —GmbHR— 2001, 619; Krause, Betriebs-Berater —BB— 1999, 1246, 1250; Haun/Reiser, BB 2002, 2257; Herlinghaus, EFG 2002, 1320; Niehaves/Thiemer, Deutsches Steuerrecht 2002, 1703; Witt in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, a.a.O., § 14 KStG Rz. 43; Walter in Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 14 Rz. 351; Renner, Die Rückwirkung im Umwandlungssteuergesetz, 2002, S. 205 f.; —el—, DB 1972, 997; vgl. auch GmbHR 2002, 940, zur finanziellen Eingliederung; anders BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 268, Tz. Org. 13, Org. 05, und in DB 1999, 1300; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, § 14 Rz. 117; s. auch Sinewe, GmbHR 2002, 481; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz/Umwandlungssteuergesetz, 3. Aufl., § 20 UmwStG Rz. 229).

Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 534
BB 2003 S. 2612 Nr. 49
BFH/NV 2004 S. 139
BFH/NV 2004 S. 139 Nr. 1
BStBl I 2004 S. 549 Nr. 11
BStBl II 2004 S. 534 Nr. 11
DB 2003 S. 2579 Nr. 48
DB 2004 S. 1343 Nr. 25
DStR 2003 S. 2062 Nr. 48
DStRE 2003 S. 1480 Nr. 24
FR 2004 S. 36 Nr. 1
FR 2004 S. 794 Nr. 13
INF 2004 S. 49 Nr. 2
KÖSDI 2003 S. 13979 Nr. 12
NWB-EN Nr. 1435/2003 (Organschaft durch rückwirkende Umwandlung (§ 2 Abs. 2 GewStG; § 14 KStG) )
CAAAA-71743