OFD Karlsruhe - S 7300

Berechnung des maßgebenden Flächenverhältnisses

Für die Frage, ob bei einem Grundstück, das sowohl für unternehmerische als auch nichtunternehmerische Zwecke verwendet wird, die unternehmerische Mindestnutzung erreicht ist (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG) oder in den Fällen des Vorsteuerausschlusses nach § 15 Abs. 1b oder Abs. 2 UStG ist nach § 15 Abs. 4 UStG grundsätzlich vom Verhältnis der unterschiedlich genutzten Flächen auszugehen. Für Grundstücke, die unter die Übergangsregelung des § 27 Abs. 16 UStG fallen, ist bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe von den gleichen Grundsätzen auszugehen.

1. Grundsätze der Flächenberechnung

Die Flächen sind nach folgenden Grundsätzen zu ermitteln:

Es sind grundsätzlich die Grundflächen aller Räume anzusetzen, unabhängig davon, ob es sich um Wohn- oder Gewerbeflächen handelt (Wohn- und Verkaufsräume, als Lagerflächen genutzte Keller oder Speicherräume). Flächen, die zur Versorgung des Gebäudes verwendet oder nur gemeinsam genutzt werden (z. B. Technikräume, Treppenhaus, Fahrradabstellräume, Waschküchen) bleiben unberücksichtigt. Ebenso sind von vornherein nicht zum Ausbau vorgesehene Räume nicht in die Flächenberechnung mit einzubeziehen.

Die Regelungen der 2. Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche vom (BGBl. 2003 I, 2346) sind nicht anzuwenden (, BFH/NV 1987, 536). Die Grundflächen sind auch dann in vollem Umfang anzusetzen, wenn nach den Regelungen der 2. Verordnung zur Berechnung der Wohnflächen die Flächen nur teilweise zu berücksichtigen sind (z. B. wegen Dachschrägen). Die Flächen von Terrassen oder Balkonen zählen nicht zur maßgeblichen Grundfläche.

2. Flächenberechnung bei nur teilweiser Fertigstellung des Gebäudes

Werden Gebäude nur teilweise fertiggestellt, sind die Flächen der Gebäudeteile, die noch nicht fertiggestellt wurden, bei der Berechnung des Flächenverhältnisses anteilig zu berücksichtigen, wenn der Ausbau der noch nicht fertiggestellten Flächen von Anfang an beabsichtigt und Teil der Planung ist. Dabei ist für die noch ausstehenden Kosten bis zur Fertigstellung ein sachgerechter Abschlag vorzunehmen. Der Abschlag kann entsprechend dem Verhältnis der Gesamtkosten zu den noch ausstehenden Kosten berechnet werden. Regelmäßig kann davon ausgegangen werden, dass auf den Innenausbau eines Gebäudes ca. 50 % der Gesamtherstellungskosten entfällt.

Aufwendungen für einen späteren Ausbau der Flächen sind nachträgliche Herstellungskosten und unmittelbar den damit beabsichtigten Ausgangsumsätzen zuzurechnen (Abschn. 15.17 Abs. 7 Satz 11 UStAE).

Beispiel 1

U errichtet in den Jahren 2013 und 2014 ein Gebäude. Nach der Baugenehmigung soll im Erdgeschoss des Gebäudes eine Praxis (Grundfläche 200 m2) errichtet werden, die U für eigene unternehmerische Zwecke nutzen will. Die Nutzung berechtigt zum Vorsteuerabzug.

Nach der Bauplanung wird sich im 1. Obergeschoss die Privatwohnung des U (Grundfläche 180 m2) und im DG eine weitere Wohnung (Grundfläche 100 m2), die voraussichtlich steuerfrei vermietet werden soll, befinden.

Das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss werden von U am fertig gestellt und erstmalig ab dem verwendet. Bei der Wohnung im Dachgeschoss wird der Innenausbau zunächst nicht vorgenommen. Es werden lediglich die Versorgungsanschlüsse verlegt und die vorgesehenen Fenster eingebaut. Die Herstellungskosten des Gesamtgebäudes betragen bis zum  1.075.000 € zzgl. 200.000 € Umsatzsteuer.

Der Innenausbau des Dachgeschosses wird im November 2016 begonnen und zum fertig gestellt. Die Dachgeschosswohnung wird steuerfrei zu Wohnzwecken vermietet. Für den Innenausbau entstehen Ausgaben von 125.000 € zzgl. 23.750 € Umsatzsteuer.

Die Herstellungskosten des Gebäudes sind grundsätzlich einheitlich nach einem sachgerechten Aufteilungsschlüssel auf die einzelnen Nutzungen zu verteilen. Für die bis zum angefallenen Herstellungskosten ist folgender Flächenschlüssel anzusetzen:


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Grundfläche Erdgeschoss
100 %
200 m2
Grundfläche 1. Obergeschoss
100 %
180 m2
Grundfläche Dachgeschoss
50 %
50 m2
= Gesamtfläche
 
430 m2
 
 
 
davon werden für vorsteuerunschädliche Zwecke verwendet:
200 m2 = 46,51 %.

Aus den Herstellungskosten ist ein Vorsteuerabzug von 46,51 % von 200.000 € = 93.020 € möglich. Die nachträglichen Herstellungskosten für den Innenausbau des Dachgeschosses berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug (Abschn. 15.17 Abs. 7 Satz 11 UStAE).

3. Bauwerke, die nicht mit dem Gebäude zusammenhängen

Nicht mit dem Gebäude zusammenhängende Bauwerke auf demselben Grundstück sind selbständig zu beurteilen (z. B. frei stehende Garagen, Carports und sonstige Fahrzeugabstellplätze, Gartenhäuser; vgl. S 7300 Karte 5). Die Grundflächen dieser Bauwerke sind beim Gebäude nicht zu berücksichtigen.

4. Teilweise Nutzung für zum Vorsteuerabzug berechtigende Tätigkeiten

Werden einzelne Räume vom Eigentümer sowohl für unternehmerische als auch außerunternehmerische Zwecke oder für nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet, ist die Grundfläche des Raums auf die jeweilige Nutzung aufzuteilen und zu berücksichtigen.

Die Fläche von Fahrzeugabstellplätzen, die sich innerhalb des Gebäudes befinden, ist anteilig i. H. der Nutzung des eingestellten Fahrzeugs für unternehmerische oder zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze anzusetzen. Wird die Bemessungsgrundlage für die Nutzung des Fahrzeugs für private Fahrten nach der sog. 1 %-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ermittelt, ist, soweit keine anderen Nachweise vorliegen, die unternehmerische Nutzung mit 51 % zu schätzen. Ist ertragsteuerlich die Anwendung der sog. 1 %-Regelung ausgeschlossen, weil das Fahrzeug zu nicht mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, ist grundsätzlich der für ertragsteuerliche Zwecke ermittelte private Nutzungsanteil zugrunde zu legen (Abschn. 15.23 Abs. 5 Nr. 2 UStAE). Die Fläche von Fahrzeugstellplätzen (Garagen, Carports) außerhalb des Gebäudes ist nicht zu berücksichtigen. Es handelt sich um eigenständige Zuordnungsobjekte.

Werden einzelne Räume teilweise vom Eigentümer verwendet und teilweise an Dritte vermietet, kann die Grundfläche des Raumes anteilig berücksichtigt werden, da eine Vermietung kein ausschließliches Nutzungsrecht des Mieters voraussetzt. Ein anteiliger Ansatz ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Besitzrechte der verschiedenen Nutzer miteinander unvereinbar sind (, BStBl 1988 II, 1012).

Beispiel 2

F errichtet im Jahr 2012 (Bauantrag nach dem ) ein Gebäude. Sie vermietet im Erdgeschoss des Gebäudes einen Raum (10 m2) und in einem Kellerraum eine Teilfläche von 7 m2 als Archivplatz an ihren unternehmerisch tätigen Ehemann M. Über die Vermietung an M liegt ein schriftlicher Mietvertrag vor, der tatsächlich vereinbarungsgemäß vollzogen wird. Die übrigen Flächen des Gebäudes (Erd- und Obergeschoss insgesamt 90 m2, Kellergeschoss 43 m2) werden für private Wohnzwecke verwendet.

Auch die Teilfläche von 7 m2 kann bei der Vermietung an M berücksichtigt werden. Die unternehmerische Verwendung beträgt somit 11,33 % (Gesamtnutzfläche 150 m2, davon unternehmerisch 17 m2). F kann das Gebäude insgesamt dem Unternehmen zuordnen, da die unternehmerische Mindestnutzung erreicht ist (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG). Ein Abzug der auf die Herstellungskosten entfallenden Vorsteuer ist jedoch nur i. H. von 11,33 % möglich (§ 15 Abs. 1b UStG).

Werden einzelne Räume durch einen Mieter teilweise für unternehmerische und für nichtunternehmerische Zwecke oder teilweise für steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze verwendet, ist ein anteiliger Ansatz der Grundfläche nicht möglich. Denn der Eigentümer des Grundstücks kann auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze nicht für einen Teil eines Raumes verzichten. Ein Verzicht ist für Teilflächen des Mietgegenstandes nur zulässig, wenn diese Teilflächen nach baulichen Merkmalen abgegrenzt werden können. Innerhalb eines Raums sind Flächen nicht hinreichend abgrenzbar, (vgl. Abschn. 9.1 Abs. 6 Satz 3, Abschn. 9.2 Abs. 1 Satz 2 UStAE, , BStBl 2014 II, 732 und S 7198 Karte 2).

Werden Fahrzeugabstellplätze im Rahmen einer Nebenleistung zur steuerfreien Vermietung von Wohnungen überlassen (Abschn. 4.12.2 Abs. 3 UStAE) kann ebenfalls eine anteilige Berücksichtigung nicht erfolgen. Die Nebenleistung ist, wie auch die Hauptleistung, insgesamt steuerfrei.

5. Abweichende Flächenberechnung

Wird in Einzelfällen eine hiervon abweichende Flächenberechnung beantragt, kann dem nur gefolgt werden, wenn die o. g. Berechnung zu keinem sachgerechten Ergebnis führt und die unterschiedlich genutzten Flächen, nach einem einheitlichen Verfahren berechnet werden.

6. Berechnungsbeispiele

Beispiel 3

In einem im Jahr 2010 errichteten Gebäude befindet sich im Erdgeschoss eine steuerpflichtig vermietete Gaststätte. Im Obergeschoss befinden sich steuerfrei vermietete Wohnungen. Das Dachgeschoss wird vom Eigentümer des Gebäudes zu eigenen Wohnzwecken genutzt. In dem zur Dachgeschosswohnung gehörenden Tiefgaragenstellplatz wird das zu 60 % für unternehmerische Zwecke des Eigentümers genutzte Fahrzeug eingestellt. Die unternehmerische Nutzung des Fahrzeugs berechtigt in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug. Der Eigentümer möchte die zu privaten Zwecken genutzten Gebäudeteile dem Unternehmen zuordnen.


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Die Grundflächen des Gebäudes werden wie folgt genutzt:
m2
davon Dachschräge in m2
Keller
 
 
Kellerräume der Gaststätte
100
 
Kellerräume der vermieteten Wohnungen
70
 
Kellerräume der eigen genutzten Wohnung
30
 
Nebenräume (Heizungsraum, Trockenraum, Fahrradabstellplatz, Waschküche, Flure und Treppenhaus)
80
 
Garagenabstellplätze für die Gaststätte
40
 
Garagenabstellplätze für die vermietete Wohnungen
60
 
Garagenabstellplatz für die eigen genutzte Wohnung
20
 
 
 
 
Erdgeschoss
 
 
Gaststätte
350
 
Zugang und Treppenhaus
50
 
 
 
 
Obergeschoss
 
 
Wohnungen
350
 
Balkone
70
 
Treppenhaus
50
 
 
 
 
Dachgeschoss
 
 
Wohnung
270
70
Treppenhaus
30
 
Dachterrasse
100
 

Die Flächen der gemeinschaftlich genutzten Nebenräume im Keller, der Zugang zum Gebäude, das Treppenhaus, die Balkone und die Dachterrasse werden weder bei der Ermittlung der Gesamtfläche noch der Einzelflächen berücksichtigt.

Ermittlung der maßgebenden Flächen:


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gesamt
m2
unternehmerisch
m2
VorSt abzug
m2
VorSt ausschluss
m2
Keller
Kellerräume Gaststätte
100
100
100
0
 
Kellerräume
vermieteten Wohnungen
70
70
0
70
 
Kellerräume
eigen genutzte Wohnung
30
0
30
0
 
Nebenräume
(Heizungsraum, Treppenhaus usw.)
0
0
0
0
 
Garagenabstellplätze
Gaststätte
40
40
40
0
 
Garagenabstellplätze
vermietete Wohnungen
60
60
0
60
 
Garagenabstellplatz
eigen genutzte Wohnung
20
12
20
0
Erdgeschoss
Gaststätte
350
350
350
0
 
Zugang und Treppenhaus
0
0
0
0
Obergeschoss
Wohnungen
350
350
0
350
 
Balkone
0
0
0
0
 
Treppenhaus
0
0
0
0
Dachgeschoss
Wohnung
270
0
270
 
 
Treppenhaus
0
0
0
0
 
Dachterrasse
0
0
0
0
gesamt
 
1290
982
810
480

Eine Zuordnung des Gebäudes zum Unternehmen ist zulässig, da die unternehmerische Nutzung 76,12 % (982 m2 der Gesamtnutzfläche von 1.290 m2) beträgt. Die zum Vorsteuerabzug berechtigende Nutzung beträgt 62,79 % (810 m2 der Gesamtnutzfläche von 1.290 m2).

Beispiel 4

Wie Beispiel 3, jedoch wurde das Gebäude aufgrund eines nach dem eingereichten Bauantrags errichtet.

Die Vorsteuern auf Herstellungskosten, die auf die Nutzung für unternehmensfremde Zwecke entfallen, sind nach § 15 Abs. 1b UStG nicht abzugsfähig.

Ermittlung der maßgebenden Flächen:


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gesamt
m2
unternehmerisch
m2
VorSt abzug
m2
VorSt ausschluss
m2
Keller
Kellerräume Gaststätte
100
100
100
0
 
Kellerräume
vermieteten Wohnungen
70
70
 
70
 
Kellerräume
eigen genutzte Wohnung
30
0
0
30
 
Nebenräume
(Heizungsraum, Trockenraum, Fahrradabstellplatz, Waschküche, Flure)
0
0
0
0
 
Garagenabstellplätze
Gaststätte
40
40
40
0
 
Garagenabstellplätze
vermietete Wohnungen
60
60
0
60
 
Garagenabstellplatz
eigen genutzte Wohnung
20
12
12
8
Erdgeschoss
Gaststätte
350
350
350
0
 
Zugang und Treppenhaus
0
0
0
0
Obergeschoss
Wohnungen
350
350
0
350
 
Balkone
0
0
0
0
 
Treppenhaus
0
0
0
0
Dachgeschoss
Wohnung
270
0
0
270
 
Treppenhaus
0
0
0
0
 
Dachterrasse
0
0
0
0
 
gesamt
1290
982
502
788

Eine Zuordnung des Gebäudes zum Unternehmen ist zulässig, da die unternehmerische Nutzung 76,12 % (982 m2 der Gesamtnutzfläche von 1.290 m2) beträgt. Die zum Vorsteuerabzug berechtigende Nutzung beträgt 38,91 % (502 m2 der Gesamtnutzfläche von 1.290 m2).

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Fundstelle(n):
SAAAG-94171