Ablehnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
Gesetze: § 64 S 1 StGB, § 64 S 2 StGB, § 35 BtMG
Instanzenzug: LG Krefeld Az: 22 KLs 20/17
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Führens eines sonstigen Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz" zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der Schuldspruch hält der auf die Sachrüge veranlassten materiell-rechtlichen Überprüfung stand; jedoch hat der Senat den Tenor des Urteils neu gefasst. Hinsichtlich der Betäubungsmittelstraftat genügt eine Formulierung, die das bewaffnete Einführen von Betäubungsmitteln zum Ausdruck bringt; des Zusatzes "in nicht geringer Menge" bedarf es nicht, weil der Qualifikationstatbestand des bewaffneten Handeltreibens nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG stets voraussetzt, dass die Tat eine solche Menge betrifft (vgl. zur Tenorierung BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 632/14, juris Rn. 3; vom - 4 StR 589/10, juris; Zschockelt, NStZ 1997, 266). Soweit der Angeklagte nach dem Waffengesetz strafbar ist, bedarf es der konkreten rechtlichen Bezeichnung der Tat zur Kennzeichnung des begangenen Unrechts (§ 260 Abs. 4 Satz 1 StPO); der bloße Hinweis auf einen Verstoß gegen dieses Gesetz genügt regelmäßig nicht (, NJW 2011, 1979, 1981 mwN).
32. Auch der Strafausspruch begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
43. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, hält sachlichrechtlicher Überprüfung hingegen nicht stand.
5Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift dazu ausgeführt:
"Die Ablehnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt weist hingegen durchgreifende Rechtsfehler auf. Die sachverständig beratene Strafkammer hat einen Hang des seit seiner Jugend Betäubungsmittel konsumierenden Angeklagten i.S.d. § 64 S. 1 StGB ebenso bejaht, wie die Ursächlichkeit des Hangs für die verfahrensgegenständliche Anlasstat. Hingegen hat das Landgericht eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht i.S.d. § 64 S. 2 StGB verneint, gleichwohl der Zurückstellung der Strafe zum Zwecke der Durchführung einer Therapie gemäß § 35 BtMG zugestimmt (UA S. 32). Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Zwar führt die Strafkammer eine Reihe von Gesichtspunkten an, die sie als prognoseungünstig bewertet (langjährige Drogensucht, früher Konsum von harten Drogen, mangelnde Sozialisationsleistungen - insbesondere Fehlen von Schulabschluss, Ausbildung und Beruf - vielfache Vorstrafen sowie dissoziale Entwicklung, UA S. 32). Der hieraus gezogene Schluss, dass die Gefahr bestehe, der Angeklagte könne keine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang bewahrt werden, verfehlt jedoch den gesetzlichen Maßstab; denn nicht jedes Risiko, dass in einer Entziehungsanstalt ein nachhaltiger Behandlungserfolg nicht erzielt wird, bedeutet zugleich, dass keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht besteht (, NStZ-RR 2017, 283, 284). Die Strafkammer wäre gehalten gewesen, das Risiko eines Scheiterns der Behandlung - als mehr oder weniger hoch bzw. gering - zu gewichten, um die Behandlungsaussichten nachvollziehbar zu bewerten (BGH aaO). Dies drängte sich vorliegend auch deshalb auf, weil das Landgericht an anderer Stelle festgestellt hat, dass es dem Angeklagten zeitweise gelang, abstinent zu sein (UA S. 3, 4), er vor seiner Festnahme im vorliegenden Verfahren eine Therapie geplant hatte und sich in der Wartezeit auf einen Therapieplatz befand sowie - nachdem diese Möglichkeit infolge der Inhaftierung verloren ging - bereits am ersten Tag der Untersuchungshaft einen neuen Aufnahmeantrag stellte und weiterhin regelmäßigen Kontakt zur Drogenberatung hielt (UA S. 3, 4). Mit diesen Gesichtspunkten hat sich die Strafkammer bei Ablehnung der Maßregelanordnung nicht auseinandergesetzt. Soweit das Landgericht ausführt, es bestehe 'innerhalb der normierten Frist' keine hinreichende Erfolgsaussicht (UA S. 32), hätte es zudem konkreter Darlegung bedurft, von welcher Therapiedauer die Kammer ausgeht; dies gilt um so mehr, als die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in der seit dem geltenden Fassung des § 64 StGB nicht mehr von vornherein auf zwei Jahre beschränkt ist, wenn - wie hier - daneben eine Freiheitsstrafe verhängt wird. Vielmehr verlängert sich in diesen Fällen die Höchstfrist nach Maßgabe des § 67d Abs. 1 S. 3 StGB um die Dauer des nach § 67 Abs. 4 StGB anrechenbaren Teils der Freiheitsstrafe und beträgt hier mit Blick auf die verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten mithin vier Jahre und vier Monate (zwei Jahre gemäß § 67d Abs. 1 S. 1 StGB zuzüglich zwei Drittel der verhängten Strafe gemäß § 67d Abs. 1 Satz 3, § 67 Abs. 4 StGB, also zuzüglich zwei Jahre und vier Monate; vgl. ).
Die Erklärung des Angeklagten, dass er eine Behandlung im Maßregelvollzug ablehne, kann die Verneinung eines Therapieerfolges entgegen der Auffassung des Landgerichts (UA S. 32) hier ebenfalls nicht begründen. Zwar kann fehlende Therapiebereitschaft, die der Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB weiterhin grundsätzlich nicht entgegensteht, ein gegen die erforderliche konkrete Erfolgsaussicht sprechendes Indiz sein. Vorliegend steht einer solchen Bedeutung indes entgegen, dass sich der Angeklagte bereit erklärt hat, bei Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG an einer Suchtbehandlung teilzunehmen. Angesichts dessen hätte die Verneinung einer Erfolgsaussicht der Maßregel i.S.v. § 64 StGB zumindest näherer Darlegung bedurft (, NStZ-RR 2013, 241, 242), zumal die Strafkammer bereits mit dem angefochtenen Urteil der Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG zugestimmt hat (UA S. 32). Hiermit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie den Angeklagten nicht nur für therapiebedürftig, sondern auch für nicht therapieunfähig hält; denn die Zurückstellung lässt sich - wenngleich sie nicht auf Fälle günstiger Therapiechancen beschränkt ist - nicht rechtfertigen, wenn die Behandlung von vornherein als völlig oder nahezu aussichtslos erscheint. Diesen ermessensleitenden Umstand hat nicht nur die die Zurückstellung anordnende Vollstreckungsbehörde, sondern auch das zustimmende Gericht zu beachten (, NStZ-RR 2017, 283, 284). Lehnt ein Angeklagter eine Unterbringungsanordnung nach § 64 StGB zwar ab, strebt er aber gleichwohl eine stationäre Therapie unter Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG an, so hat das Tatgericht zu prüfen, ob die konkrete Aussicht besteht, dass die Bereitschaft für eine Erfolg versprechende Behandlung i.S.d. § 64 StGB während der Therapie geweckt werden kann. Denn die Unterbringung nach § 64 StGB geht der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG vor; ein 'Wahlrecht' des Angeklagten besteht insoweit nicht (, NStZ-RR 2016, 209, 210).
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht; der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (BGH aaO)."
6Dem schließt sich der Senat an.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:280518B3STR115.18.0
Fundstelle(n):
CAAAG-94091