Fehlen von Urteilsgründen bei Bezugnahme auf eine widersprüchlich begründete Einspr.-Entsch. des FA
Gesetze: FGO § 119 Nr. 6, § 105
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist aufzuheben und der Rechtsstreit an die Vorinstanz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Mit ihrer Beschwerde hat die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) schlüssig und zutreffend gerügt, dass das finanzgerichtliche Urteil, soweit es mit Rücksicht auf die Zuständigkeit des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) zum Erlass der angefochtenen Prüfungsanordnung auf die Einspruchsentscheidung verwiesen hat, i.S. von § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen ist.
a) Zwar ist das FG grundsätzlich nach § 105 Abs. 5 FGO befugt, von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen, soweit es der Begründung der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt. Das hierdurch dem Gericht eingeräumte Ermessen ist indes nicht grenzenlos. Es wird insbesondere durch den Zweck des Begründungszwangs, die für die richterliche Überzeugung leitenden Gründe anzugeben (§ 96 Abs. 1 Satz 3 FGO), eingeschränkt. Demgemäß ist die Befugnis zur Bezugnahme auf Verwaltungsentscheidungen anhand der Umstände des Einzelfalls und damit danach zu bestimmen, ob die vom Gericht bestätigten (schriftlichen) Ausführungen der Verwaltung eine aussagekräftige —d.h. umfassende und insbesondere nachvollziehbare— Begründung enthalten (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundesfinanzhof —BFH—, Beschlüsse vom IV R 41/95, BFH/NV 1996, 623; vom I R 80/00, BFH/NV 2001, 1583). Hieran fehlt es aber nicht nur, wenn sich die Einspruchsentscheidung in formelhaften Wendungen erschöpft (, BFHE 169, 1, BStBl II 1992, 1043). Gleiches gilt vielmehr auch dann, wenn die Verwaltungsentscheidung ein wesentliches Begründungsdefizit aufweist, also beispielsweise auf einer widersprüchlichen, unvollständigen oder unzulänglichen Begründung beruht (, BFH/NV 2000, 71).
b) Von Letzterem ist vorliegend auszugehen. Wie die Klägerin zu Recht ausgeführt hat, wird die Zuständigkeit des FA in der Einspruchsentscheidung im Kern lediglich auf die Erwägung gestützt, dass das FA für die Veranlagungszeiträume, für die die Klägerin mit ihrem früheren Ehemann zusammen veranlagt worden sei ”oder zusammen veranlagt werde könnte” (hier: Veranlagungszeiträume 1993 bis 1996), unabhängig von einem späteren Wohnsitzwechsel im Zusammenhang mit der Trennung der Eheleute zuständig bleibe. Eine weitere Begründung enthält die Einspruchsentscheidung mit Ausnahme des Hinweises, dass sich die Zuständigkeit zum Erlass der Außenprüfungsanordnung ”grundsätzlich nach den §§ 18 ff., 195 Satz 1 AO richte”, nicht.
Mangels Angabe einer konkreten Rechtsnorm, aus der sich die beanspruchte Kompetenz des FA ergeben könnte, ist in der wiedergegebenen Rechtsansicht des FA nicht mehr als eine bloße Rechtsbehauptung zu sehen. Ob sie im Ergebnis das ”Richtige trifft”, ist im anhängigen Verfahren nicht zu entscheiden (vgl. hierzu Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 19 Rz. 2); maßgeblich ist allein, dass die Ausführungen der Verwaltungsentscheidung im vorgezeichneten Sinne unvollständig und damit auch nicht geeignet sind, die die richterliche Überzeugung tragenden Erwägungen in nachvollziehbarer Weise —d.h. mit Blick auf die für den zu beurteilenden Sachverhalt entscheidungserhebliche Norm sowie deren Tatbestandvoraussetzungen— anzugeben.
c) Der Senat kann somit offen lassen, ob das FG —wie mit der Beschwerdeschrift weiterhin geltend gemacht— auch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) dadurch verletzt hat, dass es im Zusammenhang mit der strittigen Zuständigkeitsfrage wesentliches (neues) Vorbringen im Klageverfahren, zu dem in der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf noch nicht Stellung genommen worden ist, übergangen hat (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFHE 169, 1, BStBl II 1992, 1043; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Rz. 23 a.E.).
2. Der Senat übt das ihm nach § 116 Abs. 6 FGO eingeräumte Ermessen dahin aus, dass das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen wird. Dem steht nicht entgegen, dass der BFH auch bei Vorliegen eines Verfahrensmangels nach § 119 FGO in der Sache selbst entscheiden darf, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Aufhebung oder Zurückverweisung nur zu einer Wiederholung des angefochtenen Urteils führen könnte (vgl. , BFHE 188, 523, BStBl II 1999, 563; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 3, m.w.N.). Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Insbesondere ist die Bestimmung des § 127 der Abgabenordnung (AO 1977), nach der die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil beispielsweise die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit verletzt worden sind, bei Ermessensentscheidungen —und damit auch für Prüfungsanordnungen (vgl. §§ 193 f. AO 1977)— grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. , BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483; Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 127 Rz. 2).
3. Im Übrigen sieht der Senat von einer Begründung dieses Beschlusses ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1335
BFH/NV 2003 S. 1335 Nr. 10
UAAAA-71241