BFH Urteil v. - IV R 6/02

Betriebliche Veranlassung bei werterhöhender und -erhaltender Modernisierungsaufwendungen bei einem Wirtschaftsüberlassungsvertrag

Gesetze: EStG § 4 Abs. 4, § 13

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren (1992 und 1993) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Landwirt und bewirtschaftet einen Hof, der ihm durch Wirtschaftsüberlassungsvertrag im Juni 1983 von seiner Mutter übertragen wurde. Den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft ermittelt der Kläger für das Normalwirtschaftsjahr der Landwirte durch Bestandsvergleich. Der Wirtschaftsüberlassungsvertrag war zunächst bis zum befristet und verlängerte sich mangels ausdrücklicher Kündigung jeweils um ein Jahr. Nach § 4 des Wirtschaftsüberlassungsvertrags hatte der Kläger die ”gewöhnlichen Ausbesserungen” an den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden zu tragen. Im Juli 1992 wurde diese Verpflichtung auf sämtliche Reparaturarbeiten ausgedehnt.

Im Wirtschaftsjahr 1992/93 machte der Kläger Aufwendungen für die Renovierung des vermieteten Wohngebäudes in Höhe von 46 000 DM und für Maurerarbeiten am Kälberstall in Höhe von 14 000 DM als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) versagte den Abzug dieser Aufwendungen mit der Begründung, die nachträgliche Vereinbarung vom Juli 1992 sei mangels wirtschaftlicher Gründe nicht anzuerkennen. Die Einsprüche der Kläger gegen die entsprechenden Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 blieben erfolglos.

Die dagegen gerichtete Klage wies das (veröffentlicht in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2001, 854, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2002, 83, HLBS-Report 2002, 153) ab. Es führte u.a. aus, die geltend gemachten Aufwendungen für die Renovierung des Mietgebäudes und des Kälberstalls seien freiwillig übernommene Leistungen, die nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a des EinkommensteuergesetzesEStG— (dauernde Lasten) abgezogen werden könnten. Nach § 4 des Wirtschaftsüberlassungsvertrags hätte der Kläger lediglich die gewöhnlichen Ausbesserungen an den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden übernehmen müssen. Die Aufwendungen von insgesamt etwa 60 000 DM überstiegen aber den Umfang und das Ausmaß ”gewöhnlicher Ausbesserungen”. Seinen eigenen Angaben und Unterlagen zufolge habe der Kläger das frühere Landarbeiterhaus umfassend renoviert. Diese Aufwendungen von ca. 46 000 DM seien als Gebäudeherstellungskosten bzw. Erhaltungsaufwand typischerweise vom Eigentümer zu tragen. Auch die nach Auskunft des Klägers wegen der Brüchigkeit des Mauerwerks notwendige Verkleidung des Kälberstalls mit Aluminium sei keine gewöhnliche Ausbesserung.

Mit der —vom erkennenden Senat im Hinblick auf das inzwischen durch Urteil vom IV R 20/00 (BFHE 198, 446) abgeschlossene Verfahren zugelassenen— Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Berücksichtigung eines Gewinns für das Wirtschaftsjahr 1992/93 von ... DM die Einkommensteuer 1992 auf ... DM und die Einkommensteuer 1993 auf ... DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Zwar hat das FG den Abzug der streitigen Aufwendungen als Sonderausgaben zutreffend abgelehnt; es hat jedoch einen Abzug dieser Aufwendungen als Betriebsausgaben nicht erwogen und daher auch nicht geprüft, ob der Kläger diese oder einen Teil dieser Aufwendungen als Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein oder mehrere eigene Wirtschaftsgüter aktivieren müsste.

1. Allerdings kann der auf Grund eines Wirtschaftsüberlassungsvertrags nutzungsberechtigte Landwirt nach der Rechtsprechung des Senats alle vertragsgemäß übernommenen Leistungen als Sonderausgaben in Gestalt dauernder Lasten abziehen, sofern es sich nicht um Unterhaltsleistungen handelt (Senatsurteil vom IV R 106/92, BFHE 170, 553, BStBl II 1993, 546, m.w.N., und zuletzt Senatsurteil in BFHE 198, 446). Diese Leistungen sind dann als wiederkehrende Bezüge beim Nutzungsverpflichteten zu versteuern (§ 22 Nr. 1 EStG). Da der Wirtschaftsüberlassungsvertrag insoweit den Grundsätzen der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen unterliegt, setzt der Abzug von Modernisierungsaufwendungen für die vom Hofeigentümer beibehaltene Wohnung voraus, dass sich der Nutzungsberechtigte hierzu im Übergabevertrag eindeutig und klar gegenüber dem Nutzungsüberlassenden verpflichtet hat (Senatsurteil in BFHE 198, 446, unter Bezugnahme auf das , BFHE 190, 302, BStBl II 2000, 21). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall hinsichtlich der das Maß gewöhnlicher Ausbesserungen übersteigenden Aufwendungen nicht vor, weil die Übernahme dieser Kosten nach den Feststellungen des FG nachträglich vereinbart wurde. Dieser Umstand steht nicht zuletzt einer Beurteilung dieser Aufwendungen als Pachtzins entgegen, wollte man die Nutzungsüberlassung allein unter dem Gesichtspunkt einer (u.U. teilentgeltlichen) Betriebsverpachtung würdigen.

2. Im Fall eines Wirtschaftsüberlassungsvertrags kann der Abzug von Modernisierungsaufwendungen als Sonderausgaben nach dem Urteil des Senats in BFHE 198, 446 (zu 2.a der Entscheidungsgründe) aber auch auf Grund des im Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG enthaltenen Abzugsverbots ausgeschlossen sein, wenn die Aufwendungen ausnahmsweise als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu berücksichtigen wären. Dies folgt aus dem Zweck vieler Wirtschaftsüberlassungsverträge. Denn dient die Nutzungsüberlassung der Vorbereitung einer Hofübergabe (s. Kanzler, Finanz-Rundschau 1992, 239), dann können die Aufwendungen, wie der Senat in BFHE 198, 446 ausgeführt hat, auch als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG abziehbar sein, weil sie der Nutzungsberechtigte im eigenen Interesse an werterhaltenden und werterhöhenden Modernisierungsmaßnahmen aufwendet. Insoweit liegt auch der Gedanke vorweggenommener Betriebsausgaben nahe. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Ausführungen in seiner Entscheidung in BFHE 198, 446.

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und war daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Bei erneuter Verhandlung und Entscheidung wird das FG zu prüfen haben, ob die streitigen Aufwendungen betrieblich veranlasst waren, weil sie der Kläger im eigenen Interesse an der Führung und späteren Übernahme des Betriebs geleistet hat. Handelt es sich bei diesen Aufwendungen nicht um sofort abziehbare Betriebsausgaben, so sind sie als Herstellungskosten unter dem Gesichtspunkt von Baumaßnahmen auf fremdem Boden zu aktivieren. Solche aufgrund eines eingeräumten Nutzungsrechts vorgenommenen Baumaßnahmen sind wie materielle Wirtschaftsgüter mit ihren Herstellungskosten zu aktivieren, obwohl der Sache nach ein immaterielles Wirtschaftsgut zugrunde liegt (, BFHE 160, 244, BStBl II 1990, 623, und vom IV R 12/96, BFHE 183, 134, BStBl II 1997, 718). An dieser Behandlung ”wie ein materielles Wirtschaftsgut” orientieren sich auch die Absetzungen für Abnutzung (, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281).

4. Da die Vorentscheidung bereits aus anderen Gründen aufzuheben war, musste über die Verfahrensrüge unzureichender Sachaufklärung nicht mehr entschieden werden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1546
BFH/NV 2003 S. 1546 Nr. 12
DStRE 2003 S. 1371 Nr. 23
QAAAA-70493