BFH Beschluss v. - IV B 162/02

Gründe

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) hat beim Finanzgericht (FG) mit Schriftsatz vom die Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung von Einkommensteuer für die Jahre 1996 und 1997 sowie von Einkommensteuervorauszahlungen für die Jahre 1998 ff. beantragt. Gleichzeitig machte sie geltend, das FG sei für die zu treffende Entscheidung nicht zuständig. Mit Beschluss vom hat das FG gemäß § 17a Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) entschieden, dass der Finanzrechtsweg zulässig sei.

Am ging beim Bundesfinanzhof (BFH) ein Schriftsatz vom ein, der als ”außerordentliche Beschwerde” gegen den genannten Beschluss des FG bezeichnet ist.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Bis zum In-Kraft-Treten des Zivilprozessreformgesetzes (ZPO-RG) vom (BGBl I 2001, 1887) hat der BFH die Statthaftigkeit einer ”außerordentlichen Beschwerde” —obwohl im Gesetz nicht vorgesehen— ausnahmsweise für Fälle sog. greifbarer Gesetzwidrigkeit in Erwägung gezogen. Darunter wurden Fälle verstanden, in denen die erstinstanzliche Entscheidung jeglicher Grundlage entbehrte und damit eine nicht hinnehmbare Gesetzwidrigkeit zur Folge hatte (vgl. Senatsbeschlüsse vom IV B 98/00, BFH/NV 2001, 332, und vom IV B 135/90, BFH/NV 1992, 509). Der kraft Gesetzes unanfechtbare Beschluss musste danach unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen sein oder auf einer Gesetzesauslegung beruhen, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (vgl. z.B. die von der Antragstellerin erwirkten BFH-Beschlüsse vom IV B 146/99, BFH/NV 2000, 413, und vom VII B 292/99, BFH/NV 2000, 481, die ebenfalls die Zulässigkeit des Finanzgerichtswegs betreffen).

Seit In-Kraft-Treten des ZPO-RG vom ist ein solcher Rechtsbehelf mit der Einfügung eines § 321a in die Zivilprozessordnung (ZPO) auch im Finanzgerichtsprozess generell nicht mehr statthaft. Nach § 321a Abs. 1 ZPO ist auf Rüge der durch ein unanfechtbares Urteil beschwerten Partei der Prozess vor dem Gericht des ersten Rechtszuges fortzuführen, wenn dieses Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Vorschrift dient der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts, indem sie die Möglichkeit zu einer erstinstanzlichen Behebung von Verstößen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör bei unanfechtbaren Entscheidungen schafft und damit eine schnelle und prozessökonomische Beseitigung von Verfahrensunrecht ermöglicht (BTDrucks 14/4722, 63; Vollkommer in Zöller, Zivilprozessordnung, 23. Aufl. 2002, § 321a Rn. 1). Über die konkrete Schaffung eines Rechtsbehelfs im erstinstanzlichen Verfahren vor den Zivilgerichten hinaus ist § 321a ZPO der allgemeine Rechtssatz zu entnehmen, dass die Beseitigung schweren Verfahrensunrechts oder sonstiger greifbarer Gesetzwidrigkeit nach Ergehen einer mit förmlichen Rechtsmitteln nicht anfechtbaren Entscheidung durch das entscheidende Gericht selbst (iudex a quo) zu erfolgen hat (, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2002, 1577; Lipp, NJW 2002, 1700; Müller, NJW 2002, 2743, 2746 f.). Das gilt nicht nur im Zivilprozess, sondern auch in anderen Fällen, in denen eine Prozessordnung die ZPO für entsprechend anwendbar erklärt (gl.A. für den allgemeinen Verwaltungsgerichtsprozess , NJW 2002, 2657). Dies ist für den Finanzgerichtsprozess durch § 155 FGO geschehen (Senatsbeschluss vom IV B 190/02, DStR 2003, 287; Lange, Der Betrieb 2002, 2396).

Anders als im Fall des o.g. Senatsbeschlusses in DStR 2003, 287 kommt eine Abgabe an das FG nicht in Betracht, weil der Rechtsbehelf ausdrücklich beim BFH eingelegt wurde.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 634
BFH/NV 2003 S. 634 Nr. 5
HAAAA-70405