BGH Urteil v. - II ZR 452/17

GmbH: Annexkompetenz der Gesellschafterversammlung für Änderungen des Dienstvertrags eines Geschäftsführers

Leitsatz

Zum Abschluss, zur Änderung und Beendigung des Dienstvertrags eines Geschäftsführers einer GmbH ist bei Fehlen abweichender Satzungsbestimmungen die Gesellschafterversammlung zuständig. Eine Änderung des Dienstvertrags eines abberufenen Geschäftsführers fällt erst dann unter die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des (neuen) Geschäftsführers, wenn sich das ursprüngliche Geschäftsführerdienstverhältnis nach der Abberufung in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis umgewandelt hat.

Gesetze: § 46 Nr 5 GmbHG

Instanzenzug: OLG Dresden Az: 8 U 631/16vorgehend Az: 7 O 3044/15

Tatbestand

1Der Kläger sowie die Rechtsanwälte Dr. N.   und Dr. K.      gründeten 2011 die N.                   Rechtsanwälte GbR mit Anteilen zu je 1/3 (nachfolgend N.   -GbR). Anfang 2014 gründete die N.   -GbR die beklagte GmbH, deren Alleingesellschafterin sie ist. Geschäftsführer der Beklagten war bis zu seiner Abberufung am der Kläger. Die Beklagte übernahm planmäßig das Geschäft der N.   -GbR, das Betreiben einer gemeinsamen Rechtsanwaltssozietät, und schloss mit deren Gesellschaftern Anstellungsverträge ab. Im Dienstvertrag des Klägers vom heißt es in § 1 Abs. 1: "Die Zuständigkeit des Dienstnehmers umfasst den anwaltlichen und den kaufmännischen Bereich der Geschäftsführung." Nach § 3 des Dienstvertrags hatte die Beklagte dem Kläger eine monatliche Vergütung in Höhe von 5.000 € brutto nebst Zuschüssen zur Krankenversicherung und zum anwaltlichen Versorgungswerk zu zahlen.

2Die Beklagte zahlte dem Kläger ab Mai 2015 keine Vergütung mehr. Der Kläger mahnte am sein Entgelt aus dem Dienstvertrag für die Monate Mai und Juni 2015 an. Daraufhin kündigte die Beklagte am selben Tag den Dienstvertrag des Klägers zum , verbunden mit einer sofortigen Freistellung und einem Hausverbot. Der Kläger erklärte nach erneuter erfolgloser Mahnung seiner ausstehenden Vergütung mit Schreiben vom seinerseits die fristlose Kündigung seines Dienstvertrags.

3Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung der aus dem Dienstvertrag geschuldeten Vergütung für die Zeit vom 1. Mai bis zum als Gehalt und für die Zeit vom bis zum als Schadensersatz sowie die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis mit der fristlosen Kündigung vom beendet worden ist.

4Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage dem Kläger die begehrten Zahlungen bis zum zu- und die beantragte Feststellung ausgesprochen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung des Klägers, der seinen Feststellungsantrag nicht aufrechterhalten hat, das landgerichtliche Urteil abgeändert und der Zahlungsklage in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten.

Gründe

5Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7Die von der Beklagten behauptete Abrede, wonach die beiden anderen Gesellschafter der N.   -GbR am und/oder am mit dem Kläger die Einstellung seiner Vergütungszahlung vereinbart hätten, sei nicht schlüssig vorgetragen. Die Beklagte habe als GmbH bei der Abänderung des Dienstvertrags des Klägers wirksam nur durch ihren Geschäftsführer vertreten werden können, nicht aber durch die einzelnen Gesellschafter ihrer Alleingesellschafterin, der N.   -GbR. Der Geschäftsführer der Beklagten, Dr. L.  , habe jedoch nach seiner Erklärung in der Berufungsverhandlung an den Besprechungen der drei GbR-Gesellschafter nicht teilgenommen, sondern sei lediglich anschließend von dem Ergebnis informiert worden. Dem Kläger stehe auch für die Zeit nach Zugang der von ihm erklärten fristlosen Kündigung vom unabhängig von deren Wirksamkeit ein Zahlungsanspruch zu. Im Falle der Unwirksamkeit seiner Kündigung habe das Dienstverhältnis bis zum fortbestanden. Im Falle ihrer Wirksamkeit sei die fristlose Kündigung durch ein vorheriges vertragswidriges Verhalten der Beklagten veranlasst worden, so dass diese zum Schadensersatz in Höhe der entgangenen Vergütung verpflichtet sei.

8II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

9Zu Unrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Vortrag der Beklagten zu der Änderung des Dienstvertrags des Klägers über seine Vergütung nicht schlüssig sei, weil die Beklagte dabei nur durch ihren Geschäftsführer vertreten werden könne. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass für den Abschluss der behaupteten Vereinbarung mit dem Kläger die Gesellschafterversammlung der Beklagten zuständig gewesen wäre.

10Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das zum Abschluss, zur Änderung und Beendigung des Dienstvertrags eines Geschäftsführers allein befugte Organ einer GmbH bei Fehlen abweichender Satzungsbestimmungen die Gesellschafterversammlung (sog. Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG; , ZIP 1991, 580, 582; Urteil vom - II ZR 140/93, ZIP 1995, 643 f.; Urteil vom - II ZR 236/96, ZIP 1998, 332, 333; Beschluss vom - II ZR 161/06, ZIP 2008, 117 Rn. 3). Der Grund für diese Annexkompetenz der Gesellschafterversammlung für Änderungen des Anstellungsvertrags des Geschäftsführers liegt darin, dass derartige Änderungen geeignet sind, in erheblicher Weise die Entscheidungen der Gesellschafter über seine Organstellung zu beeinflussen (, ZIP 1991, 580, 582) und durch diese Kompetenzzuweisung auch der Gefahr kollegialer Rücksichtnahme durch den (aktuellen) Geschäftsführer begegnet werden soll (, ZIP 1998, 332, 333). Die von der Beklagten behauptete Vereinbarung ist auf eine Änderung der im Geschäftsführerdienstvertrag des Klägers vom enthaltenen Vergütungsregelung gerichtet.

11Entgegen der Revisionserwiderung hat es auf die Kompetenz der Gesellschafterversammlung keinen Einfluss, dass der Kläger bereits zum als Geschäftsführer der Beklagten abberufen worden ist. Für die Kompetenz der Gesellschafterversammlung sowohl für die Begründung oder Beendigung des Organverhältnisses als auch des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers kommt es nicht auf einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen Bestellung und Anstellung bzw. Abberufung und Kündigung oder Änderung an (, ZIP 1995, 643, 644). Eine Änderung des Dienstvertrags des abberufenen Geschäftsführers fällt erst dann unter die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des (neuen) Geschäftsführers, wenn sich das ursprüngliche Geschäftsführerdienstverhältnis nach der Abberufung in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis umgewandelt hat (, WM 1984, 532, 533 f.; Urteil vom - II ZR 140/93, ZIP 1995, 643, 644 f.). Dann nämlich besteht nicht die Gefahr, dass der die Kündigung aussprechende Geschäftsführer die Entscheidungskompetenz der Gesellschafterversammlung einengen oder unterlaufen könnte.

12Allein die bis zu der behaupteten Vereinbarung am und/oder verstrichene Zeit seit der Abberufung des Klägers führt nicht zu einer Umwandlung in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis. Eine Umwandlung des Geschäftsführerdienstvertrags nach der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer zum in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch ist vorgetragen worden, wodurch der Dienstvertrag umgewandelt worden sein soll. Entgegen der Revisionserwiderung ist der Vertrag vom auch nicht von vorneherein als gewöhnlicher Anstellungsvertrag abgeschlossen worden, sondern umfasste nach § 1 Abs. 1 ausdrücklich die Geschäftsführertätigkeit.

13III. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), damit in der wiedereröffneten Berufungsinstanz die noch erforderlichen Feststellungen zu der von der Beklagten behaupteten Vereinbarung der drei Gesellschafter-Gesellschafter am und/oder getroffen werden können.

14Es kommt zum einen in Betracht, dass die behauptete Vereinbarung der drei Gesellschafter der N.   -GbR über die Änderung des Dienstvertrags des Klägers gleichzeitig als Beschluss der N.   -GbR als Alleingesellschafterin der Beklagten und damit des für die Abänderung des Dienstvertrags des Klägers zuständigen Organs der Beklagten zu bewerten ist.

15Falls die Vereinbarung nicht als Beschluss der N.   -GbR als Alleingesellschafterin der Beklagten zu bewerten ist, kommt in Betracht, dass sich die Beklagte gemäß § 328 Abs. 1 BGB auf sie berufen kann. Wie der Senat bereits entschieden hat, kann die Gesellschaft gemäß § 328 Abs. 1 BGB als Dritte aus einer Vereinbarung ihrer Gesellschafter eigene Rechte herleiten und auf ihrer Grundlage Ansprüche eines an der Vereinbarung beteiligten Gesellschafters abwehren (vgl. , ZIP 2010, 1541 Rn. 8). Das gilt auch, wenn die Vereinbarung nicht die Gesellschafter der Gesellschaft, sondern die Gesellschafter ihrer Alleingesellschafterin getroffen haben.

In dem Rechtstreit

wird der Verkündungsvermerk im Urteil vom aufgrund einer offenbaren Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass das Verkündungsdatum

anstatt „richtig

lauten muss.

Bundesgerichtshof

Geschäftsstelle des II. Zivilsenats

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:030718UIIZR452.17.0

Fundstelle(n):
BB 2018 S. 2049 Nr. 36
DB 2018 S. 2036 Nr. 34
DB 2018 S. 7 Nr. 34
DNotZ 2018 S. 869 Nr. 11
DStR 2018 S. 1929 Nr. 37
DStR 2018 S. 2344 Nr. 44
GmbH-StB 2018 S. 389 Nr. 12
GmbHR 2018 S. 1009 Nr. 19
NJW 2018 S. 8 Nr. 36
WM 2018 S. 1603 Nr. 34
ZIP 2018 S. 1629 Nr. 34
TAAAG-92020