Doppelverwertungsverbot bei Berücksichtigung der Qualität des Falschgelds und Hang zu Rauschmitteln
Gesetze: § 46 Abs 3 StGB, § 64 S 1 StGB, § 146 Abs 1 StGB
Instanzenzug: LG Duisburg Az: 51 KLs 25/17
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Geldfälschung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen wendet er sich mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den Feststellungen stellte der Angeklagte im Zeitraum von Ende 2016 bis zum mehr als 1.440 Falsifikate von 50-€-Scheinen her, um sie über das "Darknet" an bösgläubige Abnehmer zu verkaufen und hierdurch seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Ihm kam es darauf an, den Abnehmern ein Inverkehrbringen des Falschgeldes als echt zu ermöglichen. Tatsächlich veräußerte er in jedenfalls fünf Fällen für insgesamt rund 500 € mindestens 122 gefälschte Scheine.
32. Die aufgrund der allgemeinen Sachbeschwerde gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
43. Der Strafausspruch hat hingegen keinen Bestand.
5Die Strafkammer hat im Rahmen der Strafrahmenwahl und der konkreten Strafbemessung jeweils zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, die "Qualität" der von ihm erstellten Falsifikate sei "jedenfalls so gut" gewesen, dass diese "zur Täuschung im alltäglichen Barverkehr geeignet" gewesen seien (UA S. 33). Das begegnet im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Falsches, mithin nachgemachtes oder verfälschtes Geld im Sinne des § 146 Abs. 1 StGB liegt dann vor, wenn es den Anschein gültigen Geldes erweckt, also seiner Beschaffenheit nach geeignet ist, einen arglosen Empfänger im gewöhnlichen Zahlungsverkehr zu täuschen, selbst wenn der Täter dafür im Einzelfall auf günstige äußere Umstände (schlechte Beleuchtung, hektische Situation usw.) angewiesen sein sollte (vgl. , BGHSt 23, 229, 231; vom - 3 StR 280/93, juris Rn. 10; vom - 1 StR 681/94, NJW 1995, 1844 f.; Beschluss vom - 3 StR 472/02, NStZ 2003, 368, 369; MüKoStGB/Erb, 3. Aufl., § 146 Rn. 17).
6Die Ausführungen zur Strafzumessung lassen daher besorgen, dass die Strafkammer insoweit die Tatbestandsverwirklichung zuungunsten des Angeklagten gewichtet hat.
74. Auch die Entscheidung, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen, erweist sich als rechtsfehlerhaft.
8a) Die sachverständig beratene Strafkammer hat festgestellt, dass der Angeklagte spätestens seit Ende 2016 amphetaminabhängig (ICD-10 F15.2) ist, wobei es jedenfalls seit Februar 2017 zu akuten Intoxikationszuständen (ICD-10 F15.0) kam. Nachdem sich der Angeklagte zweimal von Sozialleistungen 80 bis 100 Gramm Amphetamin beschafft hatte, konsumierte er dieses wiederholt über zwei bis drei Tage hinweg, bis sich leichte Halluzinationen einstellten. Er hielt sich mit dem Rauschgift über mindestens 48 Stunden wach, schlief dann am Schreibtisch ein und setzte den Konsum nach dem Aufwachen fort. Körperpflege, Tagesstruktur, Haushaltsführung sowie soziale Kontakte hielt er aufrecht. Nach seiner Inhaftierung in dieser Sache zeigten sich Entzugserscheinungen in Form von Kopfschmerzen, einem Pfeifen in den Ohren und Schlafstörungen.
9Ihre Entscheidung, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht anzuordnen, hat die Strafkammer damit begründet, dass er nicht den Hang habe, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und zwischen der abgeurteilten Tat und dem Amphetaminkonsum kein symptomatischer Zusammenhang bestehe. Der Angeklagte sei "aufgrund seiner Abhängigkeit nicht sozial gefährdet oder gefährlich" gewesen. "Es lägen keine Anhaltspunkte für eine körperliche oder psychische Verwahrlosung ... vor". Ebenso fehlten "Anzeichen für eine Persönlichkeitsstörung oder gar für eine (schwere) Persönlichkeitsdepravation" (UA S. 39). Selbst wenn ein Hang bestünde, habe die abgeurteilte Tat hierfür keinen Symptomcharakter. Sie stehe in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Amphetaminabhängigkeit. Es handele sich nicht um einen Fall indirekter Beschaffungskriminalität. Der Amphetaminkonsum habe es dem Angeklagten lediglich ermöglicht, seine Leistungsfähigkeit zur Organisation der Geschäfte im Internet länger aufrechtzuerhalten (vgl. UA S. 39 f.).
10b) Diese Darlegungen stoßen auf durchgreifende rechtliche Bedenken.
11aa) Soweit die Strafkammer einen Hang des Angeklagten verneint hat, wird schon nicht hinreichend deutlich, ob sie zutreffende rechtliche Maßstäbe angelegt hat. Darüber hinaus hat sie eine betäubungsmittelbedingte soziale Gefährlichkeit mit nicht tragfähiger Begründung abgelehnt; die diesbezüglichen Erwägungen lassen sich nicht ohne weiteres mit den Ausführungen zur Strafzumessung vereinbaren.
12Für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. , NStZ 2005, 210; vom - 3 StR 386/13, juris Rn. 10; Beschlüsse vom - 1 StR 415/15, juris Rn. 7; vom - 1 StR 587/16, juris Rn. 9). Wenngleich erhebliche Beeinträchtigungen der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs haben und in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hangs aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199; vom - 3 StR 103/15, juris Rn. 6; vom - 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113, 114). Auch stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz der Annahme eines Hangs nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 88/10, NStZ-RR 2010, 216; vom - 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271). Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 586/08, NStZ-RR 2009, 137; vom - 3 StR 645/17, juris Rn. 8).
13Nach diesen rechtlichen Maßstäben liegt ein Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln aufgrund seiner - ausdrücklich festgestellten - mit körperlichen Beschwerden während des Entzugs infolge der Inhaftierung einhergehenden Betäubungsmittelabhängigkeit nahe. Auf eine Verwahrlosung oder Persönlichkeitsdepravation kommt es hierfür nicht an. Soweit die Strafkammer die soziale Gefährlichkeit des Angeklagten verneint hat, hat sie nicht in den Blick genommen, dass sie im Rahmen der Strafzumessung als zu seinen Gunsten für die Strafe bestimmenden Grund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) angenommen hat, der Angeklagte sei im Tatzeitraum durch den regelmäßigen Amphetaminkonsum "zumindest enthemmt" gewesen (UA S. 32). Jedenfalls dieses betäubungsmittelbedingte Absinken der Hemmschwelle für die Deliktsbegehung deutet ohne weiteres auf eine solche Gefährlichkeit hin, zumal außerdem in Betracht kommt, dass die durch das Amphetamin bewirkte Steigerung der Leistungsfähigkeit Einfluss auf das Ausmaß der Tat hatte.
14bb) Bei der Beurteilung des symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang und der abgeurteilten Tat hat die Strafkammer zwar die zutreffenden Prüfungsmaßstäbe angelegt, diese jedoch - namentlich mit Blick auf die Erwägungen zur Strafzumessung - nicht rechtsfehlerfrei angewendet.
15Im Hinblick darauf, dass die Anlasstat bereits dann Symptomwert für den Hang hat, wenn dieser neben anderen Ursachen zu ihr beigetragen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 470/96, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1; vom - 3 StR 277/11, juris Rn. 8; MüKoStGB/van Gemmeren, 3. Aufl., § 64 Rn. 40), liegt es nahe, dass das betäubungsmittelbedingte Absinken der Hemmschwelle für die Deliktsbegehung den symptomatischen Zusammenhang zu begründen vermag. Ohne nähere Erläuterung scheinen die Ausführungen zur Strafzumessung und zur Maßregel nach § 64 StGB widersprüchlich.
16Hinzu kommt, dass es für den Symptomwert der Tat bereits ausreichend sein kann, wenn der Hang lediglich (negativen) Einfluss auf deren Qualität und Intensität hatte (vgl. , aaO; Urteile vom - 1 StR 351/16, juris Rn. 28; vom - 1 StR 652/16, juris Rn. 20; MüKoStGB/van Gemmeren, aaO). Da in Betracht kommt, dass die durch das Amphetamin bewirkte Steigerung der Leistungsfähigkeit Einfluss auf das Ausmaß der abgeurteilten Tat hatte, hätte dies ebenfalls der Erörterung bedurft.
17c) Auch über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert eine Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; vgl. , BGHSt 37, 5; Beschluss vom - 3 StR 193/13, juris Rn. 6). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. , BGHSt 38, 362; KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 358 Rn. 23 mwN).
185. Der Senat hat auch die Feststellungen zum Strafausspruch und zur unterbliebenen Maßregelanordnung aufgehoben, um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht neue widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:170518B3STR166.18.0
Fundstelle(n):
HAAAG-91775