BGH Urteil v. - XI ZR 207/17

Klageantrag auf "Freigabe" einer Sicherheit: Anforderungen an die Bestimmtheit des Antrags auf "Freigabe" einer als Kreditsicherheit bestellten Grundschuld

Leitsatz

Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags auf "Freigabe" einer Sicherheit (Anschluss an Senatsbeschluss vom , XI ZR 170/16, BKR 2017, 152 Rn. 7).

Gesetze: § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 262 BGB, §§ 262ff BGB, § 1154 BGB, § 1168 Abs 1 BGB, § 1192 Abs 1 BGB

Instanzenzug: Az: 8 U 57/16 Urteilvorgehend Az: 10 O 84/15

Tatbestand

1Die Parteien streiten in dritter Instanz noch um die Rechtsfolgen nach Widerruf der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.

2Die Parteien schlossen im April 2006 einen Darlehensvertrag über 87.000 € zu einem bis zum festen Nominalzinssatz von 4,42% p.a. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten diente eine Grundschuld. Bei Abschluss des Darlehensvertrags belehrte die Beklagte den Kläger fehlerhaft über das ihm zukommende Widerrufsrecht. Mit Zugang bei der Beklagten am widerrief der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung. Auch nach Erklärung des Widerrufs und während des laufenden Rechtsstreits erbrachte der Kläger Leistungen an die Beklagte.

3Seiner Klage auf Zahlung von 76.043,04 € nebst Zinsen, Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten, "Freigabe" der Grundschuld Zug um Zug "gegen Zahlung des noch valutierenden Darlehensbetrages und des für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens vereinbarten Sollzinses" und auf Feststellung hat das Landgericht insoweit entsprochen, als es die Beklagte zur "Freigabe" der Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung von 42.604,80 € nebst Zinsen in Höhe von 4,42% p.a. seit dem verurteilt hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Hilfswiderklage der Beklagten, mit der sie begehrt hat den Kläger zu verurteilen, an sie 42.604,80 € nebst Zinsen in Höhe von 4,42% p.a. seit dem zu zahlen, hat es in vollem Umfang entsprochen. Auf die Berufung des Klägers, mit der er zuletzt noch das Anliegen verfolgt hat, die Hilfswiderklage abzuweisen, soweit sie den Betrag von 199,61 € übersteige, die Beklagte zur Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten zu verurteilen, Feststellungen zum Entstehen eines Rückgewährschuldverhältnisses zu treffen und die Beklagte zu verurteilen, die Grundschuld "freizugeben", hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert. Es hat dahin erkannt, der Kläger werde auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 3.865,12 € nebst Zinsen in Höhe von 4,42% p.a. seit dem zu zahlen Zug um Zug gegen "Freigabe der Grundschuld", und die Beklagte werde verurteilt, "die Grundschuld […] freizugeben" Zug um Zug gegen Zahlung von 3.865,12 € nebst Zinsen in Höhe von 4,42% p.a. seit dem an die Beklagte. Im Übrigen hat es die Klage und die Widerklage abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er geltend macht, das Berufungsgericht habe sowohl bei seiner Verurteilung auf die Widerklage als auch bei der Formulierung des Zug-um-Zug-Vorbehalts eine weitere Aufrechnung des Klägers mit einer Gegenforderung in Höhe von 1.538,70 € außer Acht gelassen.

Gründe

4Die Revision des Klägers ist begründet.

I.

5Das Berufungsgericht (, juris Rn. 59 f.) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - ausgeführt:

6Es sei dem Kläger verwehrt, seinen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen auch insoweit zur Aufrechnung zu stellen, als darauf von der Beklagten Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag abzuführen seien. Es fehle an der Gegenseitigkeit gleichartiger Forderungen. Im Arbeitsrecht sei gefestigte Rechtsprechung, dass der Arbeitnehmer Gläubiger der Bruttolohnforderung sei, sich aber die Forderung des Arbeitnehmers hinsichtlich der auf die Gesamtsozialversicherungsbeiträge und die Steuer entfallenden Teile auf Zahlung an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger richte. Insoweit komme lediglich eine Aufrechnung gegen die jeweilige Nettolohnforderung in Betracht. Auf die vorliegende Konstellation übertragen bedeute dies, dass die Aufrechnung in Höhe der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlages ausgeschlossen sei mit der Folge, dass diese Beträge nicht zwischen den Parteien zu saldieren, sondern an das Finanzamt zu zahlen seien.

II.

7Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

81. Allerdings ist das Berufungsgericht im Ergebnis richtig davon ausgegangen, die Klage auf Rückgewähr der Grundschuld sei im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.

9Zwar genügt der Antrag auf "Freigabe" einer Grundschuld für sich dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht. Denn er lässt nicht mit der für das Vollstreckungsverfahren erforderlichen Bestimmtheit erkennen, welche der im Rahmen eines Wahlschuldverhältnisses nach §§ 262 ff. BGB gegebenen Arten der Rückgewähr - Aufhebung der Grundschuld, §§ 875, 1183, 1192 Abs. 1 BGB, Abgabe einer Verzichtserklärung, die eine Eigentümergrundschuld entstehen lässt, § 1168 Abs. 1, § 1192 Abs. 1 BGB, oder Abtretung an sich oder einen Dritten, §§ 1154, 1192 Abs. 1 BGB (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 97/93, NJW-RR 1994, 847, 848; , BGHZ 202, 150 Rn. 11) - der Kläger als Sicherungsgeber beansprucht.

10Die hinreichende Bestimmtheit kann hier aber durch Auslegung des Prozessvortrags des Klägers hergestellt werden (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZR 170/16, BKR 2017, 152 Rn. 7; allgemein , BGHZ 201, 129 Rn. 24 mwN). Der Kläger hat in der Klageschrift und erneut im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom zu erkennen gegeben, er wünsche die "Löschung" und damit die Aufhebung der Grundschuld. Daraus ergibt sich, dass er (nur) diese Art der Rückgewähr verlangt.

112. Das Berufungsgericht hat auch entgegen den Rügen der Revision nicht gegen Verfahrensrecht verstoßen.

12a) Der von der Revision der Sache nach unter Verweis darauf, das Landgericht habe einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen ungekürzt berücksichtigt, gerügte Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot (§ 528 Satz 2 ZPO) fällt dem Berufungsgericht nicht zur Last. Das Verschlechterungsverbot soll verhindern, dass das Rechtsmittelgericht dem Rechtsmittelführer etwas aberkennt, was ihm in dem angefochtenen Urteil wirksam und mit materieller Rechtskraftwirkung zuerkannt worden ist (, WM 2004, 102, 103 und vom - VIII ZR 225/05, WM 2007, 1227 Rn. 19). Eine mit materieller Rechtskraft ausgestattete, dem Kläger günstige Entscheidung über einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen in Höhe von 5.512,06 € hat das Landgericht bei seiner Entscheidung über die Widerklage nicht getroffen. Es hat vielmehr, weil es diesen Anspruch mit sonstigen Forderungen der Beklagten verrechnet hat, der Widerklage in vollem Umfang stattgegeben. Auf eine die Klage betreffende, dem Kläger etwa günstige Berücksichtigung der Gegenforderung bei der Formulierung des Zug-um-Zug-Vorbehalts ist § 322 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar (Senatsbeschluss vom - XI ZR 302/95, WM 1996, 1602; , juris Rn. 6).

13b) Das Berufungsgericht hat auch entgegen der Rüge der Revision, die von einem Verstoß gegen die Antragsbindung (§ 308 Abs. 1 ZPO) spricht, nicht gegen den Beibringungsgrundsatz verstoßen, indem es die Gegenforderung des Klägers auf ihre Gleichartigkeit mit der Forderung der Beklagten hin untersucht hat. Die Gleichartigkeit der Forderungen als Voraussetzung der Aufrechnung ist von Amts wegen zu prüfen. Im Übrigen hat die Beklagte ausweislich der Feststellungen des Berufungsgerichts, die der Kläger nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen hat, die Besteuerung der Nutzungen ausdrücklich eingewandt.

143. Das Berufungsgericht hat indessen in der Sache nicht beachtet, dass, was der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat (Senatsurteil vom - XI ZR 108/16, WM 2017, 1008 Rn. 22 ff.; vgl. außerdem Senatsurteil vom - XI ZR 573/15, WM 2017, 1004 Rn. 39 ff.), einer Aufrechnung auch nicht zumindest teilweise entgegensteht, dass der Zufluss von Nutzungen den Anfall von Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag nach sich ziehen kann. Das Berufungsgericht hätte demzufolge einen weiteren der Höhe nach von der Beklagten nicht angegriffenen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen über 1.538,70 € zugunsten des Klägers berücksichtigen müssen.

III.

15Das Berufungsurteil, das sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO), unterliegt mithin im Umfang des Revisionsangriffs der Aufhebung (§ 562 ZPO). Dieser reicht nur soweit, als das Berufungsgericht eine Aufrechnung des Klägers mit einem Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen in Höhe von (weiteren) 1.538,70 € hat scheitern lassen. Im Übrigen ist der Senat an die Entscheidung des Berufungsgerichts gebunden, ohne insoweit Rechtsfehler korrigieren zu können. Entsprechend unterliegt im Revisionsverfahren keiner Prüfung, ob die Beklagte aufgrund des Widerrufs des Klägers Zug um Zug gegen Zahlung (und nicht erst nach Zahlung) zu einer Rückgewähr der Grundschuld verpflichtet ist und ob das Berufungsgericht bei der Ermittlung der Forderungen der Parteien ansonsten rechtsfehlerfrei geurteilt hat.

16Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), erkennt der Senat wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich mit der gebotenen Klarstellung zur Art der Rückgewähr der Sicherheit.

17Bei der Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens, für die das Verschlechterungsverbot nicht gilt (, WM 1983, 753, 755, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 87, 198), hat der Senat neben der im Revisionsverfahren hinzunehmenden (, juris Rn. 6) Entscheidung des Berufungsgerichts nach § 91a ZPO zulasten des Klägers § 97 Abs. 1, § 92 ZPO zur Anwendung gebracht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:240418UXIZR207.17.0

Fundstelle(n):
NJW 2018 S. 10 Nr. 41
WM 2018 S. 1501 Nr. 32
ZIP 2019 S. 787 Nr. 16
NAAAG-90509