BFH Beschluss v. - II B 73/02

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und dem Erfordernis einer Entsch. des BFH zur Rechtsfortbildung hinsichtlich der Frage, ob der Vorerbe von Verfassungs wegen wie ein Nießbraucher zu besteuern ist

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2; ErbStG § 6; GG Art. 3

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist für einen Erwerb als unbefreiter Vorerbe durch Bescheid vom zu einer Erbschaftsteuer von 111 251 DM herangezogen worden. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus einem Einfamilienhaus. Einspruch und Klage, mit denen der Kläger begehrt hatte, wie der Erwerber eines Nießbrauchsrechts an dem Grundstück besteuert zu werden, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, der Kläger könne sein Klagebegehren nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) stützen, weil auch zwischen der Rechtsstellung eines unbefreiten Vorerben und eines Nießbrauchers erhebliche Unterschiede bestünden. So könne der Vorerbe anders als der Nießbraucher nach Maßgabe der §§ 2113 bis 2115 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über ererbte Gegenstände verfügen.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, der Rechtssache komme wegen der Frage, ob § 6 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, grundsätzliche Bedeutung zu. Eine Entscheidung dieser Frage durch den Bundesfinanzhof (BFH) sei zur Rechtsfortbildung erforderlich.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtordnung (FGO).

Der Kläger hat weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO noch die Erforderlichkeit einer Revisionsentscheidung zur Fortbildung des Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO dargelegt. Für die Darlegung beider Zulassungsgründe —bei dem Zulassungsgrund der Notwendigkeit der Fortbildung des Rechts handelt es sich um einen speziellen Unterfall der Grundsatzrevision— wäre es erforderlich gewesen, substantiiert darzulegen, inwieweit die aufgeworfene verfassungsrechtliche Frage im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts klärungsbedürftig ist. Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift reicht dafür nicht aus (vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 77/87, BFH/NV 1989, 27, und vom III B 547/90, BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842). Wird wie im Streitfall ein Verstoß des angewendeten Steuergesetzes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gerügt, so bedarf es eingehender Darlegung dazu, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht eingehalten hat (BFH-Beschlüsse vom V B 14/91, Steuerrechtsprechung in Karteiform —StRK—, Umsatzsteuergesetz 1980, § 4 Nr. 16, Rechtsspruch 1; vom V B 86/93, BFH/NV 1994, 425, sowie vom XI B 11/97, BFH/NV 1998, 594).

Derartige Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger macht lediglich unter Hinweis auf die rechtsgeschichtliche Entwicklung, die zu der Vorschrift des § 6 Abs. 1 ErbStG geführt hat, sowie auf kritische Äußerungen zu dieser Regelung im steuerrechtlichen Schrifttum geltend, dass die durch das Gesetz zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes vom eingeführte Besteuerung des Vorerben als Vollerben mit der inneren Systematik des Erbschaftsteuerrechts unvereinbar sei und dass die Stellung eines unbefreiten Vorerben der eines Nießbrauchsberechtigten gleicht. Er setzt sich aber nicht damit auseinander, dass der Vorerbe, auch wenn er weitreichenden Beschränkungen unterworfen ist, bürgerlich-rechtlich Erbe ist, § 2100 BGB (vgl. auch , BFH/NV 1998, 587). Da das Erbschaftsteuerrecht bürgerlich-rechtlich geprägt ist (, BFHE 148, 324, BStBl II 1987, 175), kann die Anknüpfung in § 6 Abs. 1 ErbStG an die Rechtsstellung des Vorerben im bürgerlichen Recht jedenfalls nicht von vornherein als unsystematisch bezeichnet werden (vgl. Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl. 2002, § 6 Anm. 3). Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber der Verdoppelung der Erbenstellung bei der Anordnung von Vor- und Nacherbfolge durch weitere Regelungen wie § 6 Abs. 2 und 3 und § 20 Abs. 4 ErbStG Rechnung getragen hat (vgl. Weinmann in Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 6 ErbStG Anm. 7). Auf diese Gesichtspunkte ist der Kläger nicht eingegangen. Er behauptet die Verfassungswidrigkeit der gegenwärtigen Regelung zur Besteuerung des Vorerben, indem er ohne Auseinandersetzung mit dem Gesamtkonzept des Gesetzgebers die von ihm befürwortete frühere Regelung im ErbStG vom (RGBl I, 1543) als allein mit dem Gleichheitssatz vereinbar darstellt. Damit ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und insbesondere ein Überschreiten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nicht in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt (vgl. dazu , BFH/NV 2001, 798).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1185
BFH/NV 2003 S. 1185 Nr. 9
OAAAA-70138