BAG Urteil v. - 5 AZR 3/17

Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit - Arbeitsbereitschaft - Überstunden-, Wechselschichtzulage

Gesetze: § 1 TVG

Instanzenzug: Az: 7 Ca 2512/15 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 8 Sa 335/16 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden, Überstundenvergütung und Wechselschichtzulagen.

2Der Kläger ist seit 1982 als Rettungsassistent im Rettungsdienst beim Beklagten beschäftigt. Er ist Vorsitzender des Betriebsrats. Sein Arbeitsvertrag vom nimmt die „Bedingungen des Tarifvertrages RKV“ in Bezug.

3Der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - manteltarifliche Vorschriften - DRK-Tarifvertrag Ost zwischen der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vom idF des 10. Änderungs-TV vom (DRK-TV-O), der mit Wirkung zum gekündigt wurde, bestimmt ua.:

4Der Beklagte war seit dem Mitglied der DRK-Landestarifgemeinschaft Sachsen.

5Der Kläger erhält eine Stundenvergütung von 10,85 Euro brutto. Der Beklagte führt für ihn ein Arbeitszeitkonto, das jeweils zum 31. Dezember eines Jahres auszugleichen ist. Die Arbeitszeit des Klägers beträgt nach Anordnung des Beklagten 48 Stunden wöchentlich und ist in vier 12-Stunden-Schichten zu erbringen. Im Jahr 2014 leistete der Kläger über die tarifliche Regelarbeitszeit von 40 Stunden/Woche hinaus weitere 577,8 Stunden und im Jahr 2015 weitere 522,2 Stunden. Für das Jahr 2015 vergütete der Beklagte am Jahresende hiervon 120,6 Stunden als Betriebsratstätigkeit mit dem Bruttostundenlohn ohne Überstundenzuschlag.

6Der Kläger hält die Verlängerung der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden für unwirksam. Er hat Überstundenvergütung nebst Zuschlag für die darüber hinaus geleistete Arbeit verlangt, soweit vom Beklagten noch nicht vergütet. Überstundenzuschläge fordert er auch für die Betriebsratstätigkeit. Des Weiteren hat er von dem Beklagten die Zahlung von Wechselschichtzulagen beansprucht.

7Der Kläger hat zuletzt beantragt,

8Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

9Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Soweit der Kläger in den Vorinstanzen zusätzlich die Vergütung von Umkleidezeiten verlangt und zugesprochen bekommen hat, ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts von der Revision nicht angegriffen worden.

Gründe

10Die Revision des Beklagten ist hinsichtlich der Überstundenzuschläge für Zeiten der Betriebsratstätigkeit unzulässig. Im Übrigen ist sie zulässig und begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit wirksam ist und - daran anschließend - Ansprüche auf Überstundenvergütung nebst Zuschlag und Wechselschichtzulage bestehen. Dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt lässt sich nicht entnehmen, welches Tarifwerk auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung findet.

11I. Die Revision ist in Bezug auf die Zahlung von Überstundenzuschlägen für die Zeit der Betriebsratstätigkeit als unzulässig zu verwerfen. Es mangelt an einer Revisionsbegründung.

121. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 1 ZPO muss der Revisionskläger die Revision begründen. Die Begründung muss nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO diejenigen Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts dabei in einer Weise aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Die Revisionsbegründung hat sich deshalb mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils auseinanderzusetzen. Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig ( - Rn. 12 mwN).

132. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung in Bezug auf die Überstundenzuschläge für Zeiten der Betriebsratstätigkeit nicht gerecht, weil sie zu diesem Streitgegenstand keinerlei Ausführungen enthält. Der Anspruch nach § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG iVm. § 39 Abs. 1 Buchst. a DRK-TV-O auf Zahlung eines Zuschlags für 120,6 Überstunden in Höhe von 326,83 Euro brutto stellt einen eigenen Streitgegenstand dar. Der Revisionsangriff des Beklagten bezüglich der weiteren Überstundenzuschläge aus Arbeitsleistung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus erstreckt sich hierauf nicht.

14II. Im Hinblick auf die weiteren Streitgegenstände ist die Revision zulässig und begründet.

151. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der DRK-TV-O finde „entsprechend des Arbeitsvertrages“ auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung. Damit ist es offenbar von einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Vorschriften des Tarifvertrags ausgegangen. Auf dieser Grundlage hat das Landesarbeitsgericht weiter angenommen, auf das Arbeitsverhältnis sei auch noch im Streitzeitraum der Jahre 2014 und 2015 der DRK-TV-O anwendbar, obwohl dieser zum gekündigt worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat seinen rechtlichen Erwägungen ohne jede Begründung eine Nachwirkung des DRK-TV-O zugrunde gelegt, hierauf allerdings lediglich in der Begründung der Revisionszulassung hingewiesen. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils finden sich Ausführungen hierzu allein im streitigen Beklagtenvortrag. Das Berufungsgericht hat damit nicht schlüssig begründet, dass der DRK-TV-O in das Arbeitsverhältnis einbezogen wurde. Die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag auf den „Tarifvertrag RKV“ rechtfertigt diese Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, was die Abkürzung „RKV“ meint. Möglicherweise ist hiermit auf einen zu Beginn des Arbeitsverhältnisses in der früheren DDR geltenden Rahmenkollektivvertrag verwiesen worden. Welcher dies war, ob der DRK-TV-O diesen abgelöst hat und warum die vertragliche Verweisungsklausel den DRK-TV-O erfasst, hat das Landesarbeitsgericht nicht erläutert. Weiterhin hat es ersichtlich nicht geprüft, ob der DRK-Reformtarifvertrag zwischen der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und der Gewerkschaft ver.di vom (DRK-Reform-TV) den DRK-TV-O, sofern dieser einbezogen worden sein sollte, abgelöst hat. Vielmehr hat es insoweit in der Begründung der Revisionszulassung nur auf die von ihm so bezeichnete „unübersichtliche und uneinheitliche“ „Tariflandschaft in den Verbänden des DRK“ hingewiesen.

162. Mit dieser Vorgehensweise hat das Landesarbeitsgericht bei der Auslegung der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag den maßgeblichen Lebenssachverhalt nicht vollständig in den Blick genommen. Zunächst hätte es feststellen müssen, auf welcher Grundlage der DRK-TV-O auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung findet. Sodann hätte das Landesarbeitsgericht aufgrund des Vortrags des Beklagten zur Mitgliedschaft in der DRK-Landestarifgemeinschaft Sachsen seit dem Jahr 1991 feststellen müssen, ob der DRK-TV-O tatsächlich noch auf das Arbeitsverhältnis im Wege der Nachwirkung anwendbar oder durch den DRK-Reform-TV abgelöst worden ist. In dem Unterlassen liegt eine Verletzung der tatrichterlichen Ermittlungspflicht aus § 293 Satz 2 ZPO. Die Tatsache, dass die Tarifvertragsparteien mit Wirkung vom einen neuen Tarifvertrag geschlossen haben, unterfällt nicht dem Verbot der Berücksichtigung neuer Tatsachen aus § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Derartige Normtatsachen sind vielmehr nach § 293 Satz 2 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen ( - Rn. 40). Zum Inhalt der Normen gehört dabei auch die Frage ihrer zeitlichen Geltung. Das ermittelnde Gericht ist nicht an Beweisangebote gebunden, sondern darf auch andere Erkenntnisquellen einschließlich des Freibeweises nutzen. Insoweit besteht insbesondere bei der Ermittlung des Inhalts von Tarifverträgen auch im Revisionsverfahren eine Pflicht zur Amtsermittlung ( - Rn. 40 f.).

17In der Revisionsverhandlung konnten die maßgeblichen Normtatsachen nicht aufgeklärt werden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb - soweit die Revision zulässig ist - aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag zu geben (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und das Landesarbeitsgericht zur Erfüllung seiner tatrichterlichen Ermittlungspflicht aus § 293 Satz 2 ZPO anzuhalten. Nach ständiger Rechtsprechung trifft die Pflicht zur Ermittlung des anzuwendenden Rechts in erster Linie den Tatrichter ( - Rn. 42 mwN).

183. Die Tarifwerke DRK-TV-Ost und DRK-TV-West differenzierten für ihren Geltungsbereich danach, ob die Arbeitsverhältnisse der Angestellten/Arbeiter des Deutschen Roten Kreuzes im Beitrittsgebiet iSd. Art. 3 des Einigungsvertrags begründet wurden oder nicht. Diese Differenzierung hat der zum in Kraft getretene DRK-Reform-TV aufgehoben. Für dessen Geltungsbereich ist die Mitgliedschaft in der Bundestarifgemeinschaft, einer Landestarifgemeinschaft, die der Bundestarifgemeinschaft angehört bzw. der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft ver.di entscheidend. Diese Entwicklung könnte dafür sprechen, dass der DRK-TV-O zum Jahr 2007 vom DRK-Reform-TV abgelöst wurde. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch lediglich festgestellt, dass der Beklagte seit dem Mitglied der Landestarifgemeinschaft Sachsen war. Wenn der Beklagte im Streitzeitraum noch oder erneut Mitglied der Landestarifgemeinschaft und diese ihrerseits der Bundestarifgemeinschaft angehörig war bzw. ist, könnte der DRK-Reform-TV den DRK-TV-O abgelöst haben. Die Frage, ob der DRK-TV-O durch den DRK-Reform-TV abgelöst worden ist, ist entscheidungserheblich, weil dieser andere Regelungen zu den in Streit stehenden Rechtsfragen enthält.

19a) Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Bezugnahme in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge in der jeweiligen Fassung regelmäßig als sog. Gleichstellungsabrede ausgelegt worden (vgl.  - zu II 1 der Gründe, BAGE 99, 120). Danach galt die (widerlegliche) Vermutung, dass es einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum gehe, durch die Bezugnahme die organisierten und die nicht organisierten Arbeitnehmer hinsichtlich der Geltung des einbezogenen Tarifvertrags gleichzustellen. Das Bundesarbeitsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags und damit zu dessen Geltung für alle Beschäftigten zu kommen. Daraus wurde die Konsequenz gezogen, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder den Begleitumständen bei Vertragsschluss bei Tarifbindung des Arbeitgebers an die einbezogenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen seien. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik gehe nur so weit, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reiche, also dann ende, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden sei (st. Rspr., vgl. nur  - Rn. 21).

20b) Diese Rechtsprechung hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts jedoch für vertragliche Bezugnahmeregelungen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die Auslegungsregel nur aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform vereinbart worden sind (vgl.  - Rn. 22). Daher ist aufzuklären, ob und ggf. in welcher Zeit der Beklagte nach der Kündigung des DRK-TV-O Mitglied der Landestarifgemeinschaft Sachsen war und diese ihrerseits der Bundestarifgemeinschaft angehörte. Liegt der Arbeitsvertrag aus der Zeit vor der Schuldrechtsreform dem Arbeitsverhältnis zugrunde und war der Beklagte kein Mitglied der Landestarifgemeinschaft mehr bzw. diese nicht mehr der Bundestarifgemeinschaft angehörig, könnte der DRK-TV-O statisch fortwirken.

21c) Im Hinblick auf die differenzierte Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede und der Unterscheidung zwischen Alt- und Neuverträgen bedarf es ggf. auch der Aufklärung, ob, inwieweit und wann der zu Beginn des Arbeitsverhältnisses abgeschlossene Arbeitsvertrag im weiteren Verlauf schriftlich oder mündlich ausdrücklich oder konkludent geändert wurde. Bei einer nach dem vereinbarten Änderung eines von einem Arbeitgeber vor dem geschlossenen „Altvertrags“ kommt es für die Beurteilung, ob die Auslegungsmaßstäbe für „Neu-“ oder für „Altverträge“ maßgebend sind, darauf an, ob die vertragliche Bezugnahmeregelung in der nachfolgenden Vertragsänderung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist. Allein eine Vertragsänderung führt nicht notwendig dazu, dass zugleich stets alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags erneut vereinbart oder bestätigt würden. Ob eine solche Abrede gewollt ist, ist anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl.  - Rn. 33).

22III. Sollte der DRK-TV-O auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung finden, wäre die Revision in Bezug auf den Feststellungsantrag unbegründet. Denn die Feststellungsklage ist zulässig und wäre auch begründet.

231. Der Feststellungsantrag ist als Zwischenfeststellungsklage zulässig, § 256 Abs. 2 ZPO.

24a) Danach kann der Kläger zugleich mit der Hauptklage - hier der Zahlungsklage auf Überstundenvergütung - auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses klagen. Damit wird ein Element aus der Gesamtentscheidung verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen, weil hierdurch Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten hergestellt wird. Eine Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestehen des Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag beantwortet werden muss, aber darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann. Diese Vorgreiflichkeit ersetzt die ansonsten notwendige Voraussetzung eines Feststellungsinteresses ( - Rn. 25, BAGE 138, 287). Das ist hier der Fall. Die Feststellung der vom Kläger zu leistenden wöchentlichen Arbeitszeit ist eine Vorfrage, die jedenfalls bei der Entscheidung über den Leistungsantrag zur Überstundenvergütung beantwortet werden muss. Zugleich reicht sie über das dort erfasste Rechtsschutzziel des Klägers hinaus. Denn der in der Leistungsklage geltend gemachte Anspruch ist auf den Zeitraum der Jahre 2014 und 2015 begrenzt.

25b) Der Zulässigkeit der Feststellungsklage stünde nicht entgegen, dass es sich um eine zukunftsbezogene Feststellung handelt. Eine solche würde entgegen der Auffassung der Revision nicht jegliche weitere Vertragsgestaltung bzw. die Ausübung des Direktionsrechts des Beklagten einschränken. Die Rechtskraft eines Feststellungsurteils würde eine künftige Verlängerung der Arbeitszeit in den zulässigen Grenzen der anzuwendenden tariflichen Regelung nicht vereiteln. Denn der Streitgegenstand der Feststellungsklage wird vom Sachverhalt bestimmt, der zur Begründung des Antrags vorgetragen wird. Auf künftige Änderungen des zugrunde liegenden Sachverhalts erstreckt sich die Rechtskraft eines Feststellungsurteils nicht.

262. Fände der DRK-TV-O auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung, wäre die Feststellungsklage auch begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte dann zu Recht angenommen, dass die vom Beklagten angeordnete Verlängerung der Arbeitszeit nicht von § 14 Abs. 2 Buchst. a DRK-TV-O gedeckt wäre, weil die tägliche Arbeitszeit auf zwölf Stunden verlängert wurde. Dies folgt aus der Auslegung des Tarifvertrags (zu den nach st. Rspr. anzuwendenden allgemeinen Auslegungsgrundsätzen vgl.  - Rn. 25 mwN).

27a) Nach § 14 Abs. 2 Buchst. a DRK-TV-O kann die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 DRK-TV-O geltende regelmäßige Arbeitszeit von durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich - ausschließlich der Pausen - verlängert werden bis zu zehn Stunden täglich (durchschnittlich 50 Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens zwei Stunden täglich fällt. In Verbindung mit der Anmerkung, die für den Geltungsbereich der Anlage 2 für die Mitarbeiter im Rettungsdienst und Krankentransport die Berücksichtigung der Protokollnotiz verlangt, ist die Möglichkeit zur Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 14 Abs. 2 Buchst. a DRK-TV-O im Streitzeitraum auf durchschnittlich 49 Stunden pro Woche eingeschränkt. Für den Streitfall nicht entscheidungserheblich ist dabei, dass § 14 Abs. 2 Buchst. a DRK-TV-O - auch in der Veränderung durch die Protokollnotiz - gegen höherrangiges Recht verstößt und der Arbeitgeber von dieser Option keinen Gebrauch machen dürfte. Denn § 3 Satz 2 und § 7 Abs. 8 ArbZG begrenzen die zulässige Höchstarbeitszeit auf durchschnittlich 48 Wochenstunden. Der Verstoß des Tarifvertrags gegen höherrangiges Recht führt indes nur dazu, dass die Tarifregelung unanwendbar ist, soweit die von dem Beklagten festgelegte Höchstarbeitszeit 48 Wochenstunden überschreitet (vgl.  - zu I 1 d der Gründe). Diese Grenze wird von der Anordnung des Beklagten eingehalten.

28b) Unabhängig vom Streit der Parteien über den Umfang der regelmäßigen Arbeitsbereitschaft hat der Beklagte durch die Anordnung einer 48-Stunden-Woche bei Einteilung in 12-Stunden-Schichten das ihm durch § 14 Abs. 2 Buchst. a DRK-TV-O gewährte Gestaltungsrecht überschritten. Eine Anwendung von § 14 Abs. 2 Buchst. b oder Buchst. c DRK-TV-O kommt unstreitig mangels Erfüllung der Voraussetzungen des Umfangs der Arbeitsbereitschaft bzw. der Anwesenheit am Arbeitsplatz für den Einsatz im Bedarfsfall nicht in Betracht.

29aa) Nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Buchst. a DRK-TV-O kann die Arbeitszeit bei Vorliegen der Voraussetzungen der Arbeitsbereitschaft auf bis zu zehn Stunden täglich verlängert werden. Aufgrund der Satzstellung bezieht sich der Konditionalsatz zum erforderlichen Umfang der Arbeitsbereitschaft zunächst auf die Angabe der maximalen täglichen Arbeitszeit. Diese Hervorhebung der täglichen Höchstarbeitszeit lässt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Klammertext dagegen in den Hintergrund treten. Der in Klammern angegebene Umfang der maximalen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit stellt neben der täglichen Begrenzung eine weitere Einschränkung des Gestaltungsrechts des Arbeitgebers dar. Die Worte „bis zu“ beziehen sich sprachlich auf beide Grenzen der Verlängerung, denn sie stehen am Satzanfang der Regelung in § 14 Abs. 2 Buchst. a DRK-TV-O.

30bb) Auch der tarifliche Regelungszusammenhang spricht gegen die Annahme der Revision, für eine Verlängerung der Arbeitszeit sei lediglich die Einhaltung des Wochenarbeitszeitdurchschnitts maßgeblich. Neben dem bereits entgegenstehenden Tarifwortlaut führte ein solches Verständnis dazu, dass die im Tarifvertrag aufgeführte Grenze von zehn Stunden täglich überflüssig wäre. Die Revision lässt in diesem Zusammenhang außer Acht, dass nach dem tariflichen Regelungszusammenhang nicht von einer Erbringung der Arbeitsleistung ausschließlich an fünf Tagen pro Woche auszugehen ist. §§ 15, 16 Abs. 1 und § 17 DRK-TV-O machen vielmehr deutlich, dass nach dem Tarifvertrag Arbeitsleistungen auch an Samstagen und Sonntagen - wenn auch nicht als Regelfall - zu erbringen sind. Berücksichtigt man dies, ergeben sich für beide in § 14 Abs. 2 Buchst. a DRK-TV-O enthaltenen zeitlichen Obergrenzen Anwendungsfälle.

31cc) Sinn und Zweck der Regelung sprechen ebenfalls für dieses Auslegungsergebnis. Ziel der Tarifvertragsparteien war nach dem Regelungszusammenhang, eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit nur zuzulassen, wenn der im Tarifvertrag genannte Umfang der Arbeitsbereitschaft pro Tag nicht unterschritten wird. Indem § 14 Abs. 2 DRK-TV-O für die Verlängerung der Arbeitszeit in seinen drei Fallgestaltungen auf den jeweils gesteigerten Umfang der täglichen Arbeitsbereitschaft abstellt, wird deutlich, dass die zunehmende Dauer der geringeren Beanspruchung der Arbeitnehmer durch Zeiten täglicher Arbeitsbereitschaft Bedingung für die ansteigende Verlängerung der täglichen Arbeitszeit ist. Nur bei einer unmittelbaren Verknüpfung zwischen täglicher Arbeitszeit und täglicher Arbeitsbereitschaft wird das Ziel erreicht, die tägliche Arbeitsbelastung nicht proportional mit der Verlängerung der Arbeitszeit ansteigen zu lassen.

323. Fände der DRK-Reform-TV auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung, wäre vom Landesarbeitsgericht festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 12 Abs. 6 Buchst. b DRK-Reform-TV hinsichtlich des Umfangs der Arbeitsbereitschaft vorliegen. Dann könnte die Anordnung der Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit wirksam und damit die Feststellungsklage unbegründet sein. Nach § 12 Abs. 6 Buchst. b DRK-Reform-TV kann die regelmäßige Arbeitszeit von im Rettungsdienst beschäftigten Mitarbeitern von 38,5 Stunden wöchentlich auf bis zu zwölf Stunden täglich und durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich verlängert werden, wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens drei Stunden täglich fällt. Daneben sind die Regelungen zum Bereitschaftsdienst in der Anlage 2 zum DRK-Reform-TV - „Sonderregelungen für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport“ - zu beachten.

33IV. In Abhängigkeit von der geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeit wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die Klage auf Zahlung von Überstundenvergütung und Überstundenzuschlag begründet ist. Auch dies kann vom Senat nicht entschieden werden. Es fehlt an den erforderlichen Feststellungen - neben den zum anzuwendenden Tarifwerk - zum Umfang ggf. geleisteter und nicht im maßgeblichen Ausgleichszeitraum durch Freizeit ausgeglichener Überstunden. Daher ist das Berufungsurteil auch insoweit aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es wird bei der neuen Verhandlung und Entscheidung zu beachten haben, dass der Kläger die Darlegungslast für die seiner Vergütungsforderung zugrunde liegenden Überstunden trägt. Dieser hat im Einzelnen darzulegen, wann er unter Berücksichtigung des maßgeblichen Ausgleichszeitraums über die - unter Umständen verlängerte - regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Je nach Einlassung des Arbeitgebers besteht eine abgestufte Darlegungslast (vgl. zu § 14 Abs. 2, § 18 DRK-TV  - zu II 2 b aa der Gründe).

34V. Hinsichtlich der Wechselschichtzulage wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben, ob deren Voraussetzungen nach den anwendbaren Tarifregelungen vorliegen, weshalb die Sache auch insoweit zurückverwiesen werden muss.

351. Das Landesarbeitsgericht hat bislang verkannt, dass für einen Anspruch auf Wechselschichtzulage nach keiner der denkbaren Anspruchsgrundlagen (§ 38a Abs. 1 DRK-TV-O oder § 14 Abs. 7 DRK-Reform-TV) die bloße Feststellung, der Kläger habe in Wechselschicht gearbeitet, genügt. Der Kläger hat vielmehr konkret dazulegen, dass er in je fünf Wochen durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht geleistet hat. Das ist bei einem Einsatz in Wechselschicht und in 12-Stunden-Schichten nicht zwingend der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, dass die Schichtfolge des Klägers wöchentlich gewechselt hätte. Insoweit wird es weitere Feststellungen zu treffen und auf entsprechenden Vortrag des Klägers hinzuwirken haben.

362. Fände der DRK-TV-O Anwendung, hätte das Landesarbeitsgericht zu beachten, dass die Wechselschichtzulage nach § 38a Abs. 1 Buchst. c DRK-TV-O für den Zeitraum vom an „bis zu 92,03 Euro“ monatlich beträgt. Damit räumt der Tarifvertrag dem Arbeitgeber bei der Bemessung der Zulagenhöhe ein billiges Ermessen ein. Dieses Ermessen ist gemäß § 315 Abs. 1 BGB auszuüben. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind ( - Rn. 26, BAGE 156, 38).

37VI. Das Landesarbeitsgericht hat schließlich keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger durch rechtzeitige Geltendmachung seiner Ansprüche die tarifliche Ausschlussfrist eingehalten hat. Je nach Anwendbarkeit des jeweiligen Tarifvertrags bestimmt diese sich nach § 65 Abs. 2 DRK-TV-O oder § 41 Abs. 1 DRK-Reform-TV. Das Landesarbeitsgericht wird nach Zurückverweisung der Sache durch geeignete Hinweise auf sachdienlichen Vortrag der Parteien hierzu hinzuwirken haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:210318.U.5AZR3.17.0

Fundstelle(n):
LAAAG-88561