Online-Nachricht - Montag, 09.07.2018

Einkommensteuer | Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte (FG)

Jedenfalls bei einem auf mehr als drei Monate angelegten, in Vollzeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses absolvierten Fortbildungslehrgang am Ort der Bildungseinrichtung wird diese Einrichtung zur ersten Tätigkeitsstätte gemäß § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG, so dass Kosten für Unterkunft sowie Mehraufwendungen für Verpflegung nicht als (vorweggenommene) Werbungskosten berücksichtigt werden können (; Revision zugelassen).

Sachverhalt: Der Kläger absolvierte in Vollzeit einen Schweißtechnikerlehrgang bei der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt, der ca. drei Monate dauerte. Im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit machte er dafür u.a. Verpflegungsmehraufwand sowie Unterkunftskosten geltend. Die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung lagen nicht vor. Das FA erkannte den Verpflegungsmehraufwand und die Kosten für die Unterkunft nicht an. Zur Begründung wurde ausgeführt, gem. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG gelte auch eine Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte, wenn diese außerhalb eines Dienstverhältnisses und zum Zweck einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht werde. In diesem Fall komme die Berücksichtigung von Reisekosten nicht in Betracht.

Das FG Nürnberg führte hierzu u.a. aus:

  • Die Kosten für die Unterkunft sowie die Mehraufwendungen für Verpflegung können nicht berücksichtigt werden, weil der Kläger während des Schweißerlehrgangs dort seine erste Tätigkeitsstätte gehabt hat.

    • Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG gilt als erste Tätigkeitsstätte auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird. Durch die Neuregelung des Reisekostenrechts ab dem Veranlagungszeitraum 2014 ist die Rechtsprechung des BFH, wonach es sich bei einer vollzeitig besuchten Bildungsstätte nicht um eine regelmäßige Tätigkeitsstätte handele, überholt.

    • Für die Zeit des schweißtechnischen Lehrgangs ist der Kläger kein Arbeitnehmer gewesen, da er sich nicht in einem Arbeitsverhältnis befunden hat. Dementsprechend bestimmt sich seine erste Tätigkeitsstätte nicht nach den nur für Arbeitnehmer geltenden Regeln des § 9 Abs. 4 Sätze 1 – 7 EStG, sondern nach Satz 8 dieser Vorschrift.

    • Während dieses Zeitraums war die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt die erste Tätigkeitsstätte des Klägers, denn hierbei handelt es sich um eine Bildungseinrichtung im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG. Diese Einrichtung hat der Kläger während dieser Zeit auch tatsächlich im Rahmen einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht.

  • Dem steht die befristete Lehrgangsdauer von gut drei Monaten nicht entgegen.

    • Der Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG spricht nicht von einer Zuordnung für einen bestimmten Zeitraum, sondern vom tatsächlichen „Aufsuchen“. Aus diesen Gründen hat das FG Münster eine Mindestdauer verneint, weil ein eigenständiger Begriff der ersten Tätigkeitsstätte vorliege und die Regelungen für Arbeitnehmer nicht zur Anwendung kämen (, F).

    • Zutreffend ist jedenfalls, dass der Gesetzgeber nicht auf eine Berufsausbildung i. S. d. § 9 Abs. 6 EStG Bezug genommen hat, was nahegelegen hätte, wenn er eine Mindestdauer hätte festlegen wollen.

    • Eine praktikable Lösung ist, auf die Dreimonatsgrenze für die steuerliche Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen in § 9 Abs. 4a Satz 6 EStG abzustellen. Diese ist zwar nicht unmittelbar anwendbar, da bei Bestehen einer ersten Tätigkeitsstätte schon der Tatbestand in § 9 Abs. 4a Satz 1 EStG nicht erfüllt ist.

    • Der der Regelung in § 9 Abs. 4a Satz 6 EStG zugrundeliegende Gedanke, dass eine auf mehr als drei Monate angelegte Tätigkeit es dem Steuerpflichtigen ermöglicht, seine Lebensumstände kostenmindernd zu organisieren, ist durchaus für die Auslegung des Begriffs der „vollzeitigen Bildungsmaßnahme“ zur Ermittlung der ersten Tätigkeitsstätte, wobei es ebenfalls um die mögliche Kostenminderung aufgrund der Absehbarkeit eines längeren Tätigwerdens an einem bestimmten Ort geht, heranzuziehen.

    • Jedenfalls bei einer auf mehr als drei Monate angelegten vollzeitigen Bildungsmaßnahme wird diese Einrichtung zur ersten Tätigkeitsstätte mit der Folge, dass die Einschränkungen gem. § 9 Abs. 4 Satz 8 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG ab Beginn der Maßnahme gelten.

Quelle: ; NWB Datenbank (Ls)

Fundstelle(n):
NWB EAAAG-88319