BFH Urteil v. - I R 42/01

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Stadtgemeinde, unterhielt im Streitjahr mehrere Betriebe. Dies waren die Fernheizwerke, das Fernheizwerk beim Zentralbad, die Theatertiefgarage und die Industriegleisanlagen. Diese Betriebe wurden wirtschaftlich direkt von der Klägerin verwaltet. Darüber hinaus unterhielt die Klägerin den Eigenbetrieb ”Verpackungsverordnung” (EV).

Aufgabe der Fernheizwerke war die Versorgung der Kunden in den entsprechenden Versorgungsgebieten mit Wärme zum Zwecke der Raumheizung und der Warmwasserbereitung. Sie umfassten drei verschiedene Fernheizbetriebe und eine Fernheizung. Dieser Betrieb wie auch das Fernheizwerk beim Zentralbad und die Theatertiefgarage wurden von beiden Beteiligten vor dem Streitjahr als Verkehrs- bzw. Versorgungsbetriebe i.S. des § 4 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) angesehen und insgesamt als ein Betrieb gewerblicher Art (BgA) behandelt. Die Tätigkeit des Betriebes Industriegleisanlagen bestand im Streitjahr in der entgeltlichen Bereitstellung von Verkehrswegen. Gleisunterhaltung und Gleisneubauten oblagen der Klägerin. Im Streitjahr wurde für diesen Betrieb ein Verlust ermittelt.

Der EV der Klägerin stellt einen Eigenbetrieb im Sinne des Eigenbetriebsgesetzes (EigBGes) des Landes dar. Er sollte satzungsgemäß ein Getrenntsammelsystem für Transportverpackungen im Bereich Papier/Pappe/Karton gemäß § 4 der Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen (VerpackungsverordnungVerpackV—) sowie ein Getrenntsammelsystem für Verkaufsverpackungen gemäß § 6 Abs. 3 VerpackV aufbauen und betreiben. Zweck sollte die Sammlung, der Transport und die Weiterleitung von verwertbaren Stoffen an Dritte zur stofflichen Verwertung gemäß VerpackV sein. Tatsächlich bestand die Tätigkeit des EV im Streitjahr 1994 allerdings darin, flächendeckend Altglas und Altmetalle, so genannte Leichtverpackungsstoffe über gelbe Säcke sowie einen Teil des Altpapiers über grüne Tonnen zu entsorgen und zu verwerten und die Bürger in der Abfallvermeidung, -trennung und -entsorgung zu beraten; dies erfolgte in Zusammenarbeit mit dem ”Duales System Deutschland” (DSD). Darüber hinaus sammelte der EV für Gewerbebetriebe und Schulen Transportverpackungen sowie Bauschutt und Kunststoffe und führte sie einer Verwertung zu. Er trat dabei mit regionalen und überregionalen Unternehmen in Konkurrenz. Der EV setzte eigenes Personal ein, beauftragte aber auch mehrere Subunternehmen. Im Gegensatz zu den übrigen Betrieben wurde der EV als Eigenbetrieb nicht direkt durch die Kämmerei der Klägerin, sondern von einer eigenen Betriebsleitung geleitet. Zu deren Aufgaben gehörten insbesondere die laufende Betriebsführung, die Personalbewirtschaftung und der Einsatz des Personals. Zur Überwachung war eine (neunköpfige) Betriebskommission eingesetzt.

Für das Streitjahr 1994 reichte die Klägerin zunächst für die Betriebe Fernheizwerke, Fernheizwerk am Zentralbad und Theatertiefgarage eine einheitliche Körperschaftsteuererklärung ein, mit der sie insgesamt ein negatives Einkommen erklärte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erließ einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid, in dem er die Körperschaftsteuer insoweit auf 0 DM festsetzte. Für den Betrieb ”Industriegleisanlagen” gab die Klägerin zunächst keine Körperschaftsteuererklärung ab.

Mit einer nachgereichten Körperschafsteuererklärung beantragte die Klägerin, die fünf Betriebe Fernheizwerk, Fernheizwerk am Zentralbad, Theatertiefgarage, Industrieanlagen und EV ertragsteuerlich zusammenzufassen und die Gewinn aus dem EV und der Theatertiefgarage mit den Verlusten aus den übrigen Betrieben zu verrechnen.

Dies lehnte das FA ab. Die Voraussetzungen für eine Zusammenfassung der fünf Betriebe seien nicht gegeben. Es handele sich weder um gleichartige Betriebe noch liege nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse eine enge wechselseitige technische und wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht vor. Der EV stelle auch keinen Versorgungsbetrieb im steuerlichen Sinne dar.

Die gegen diese ablehnende Verfügung gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, bei den Betrieben Fernheizwerke, Fernheizwerk am Zentralbad, Theatertiefgarage, Industriegleisanlagen und EV handele es sich zwar jeweils um BgA. Der EV könne jedoch im Jahr 1994 nicht mit steuerlicher Wirkung mit den anderen Betrieben zu einem einheitlichen BgA zusammengefasst werden.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und die Festsetzung der Körperschaftsteuer —wie erklärt— einheitlich für alle fünf Betriebe mit 0 DM.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zu Recht entschieden, dass eine Zusammenfassung des EV mit den übrigen Betrieben der Klägerin mit der Folge der Verrechnung der jeweiligen positiven und negativen Betriebsergebnisse ausscheidet.

1. Bei den in Rede stehenden fünf Betrieben der Klägerin handelt es sich zwar jeweils um BgA i.S. des § 4 Abs. 1 KStG. Sie dienten einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft und waren der Art der Tätigkeit nach aus der Gesamtbetätigung der Klägerin herausgehoben. Es handelt sich nicht um Hoheitsbetriebe i.S. des § 4 Abs. 5 KStG. Dies ergibt sich für die Betriebe Fernheizwerke, Fernheizwerk beim Zentralbad und Theatertiefgarage bereits aus § 4 Abs. 3 KStG 1977. Danach sind Einrichtungen zur Versorgung der Bevölkerung mit Gas, Wasser, Elektrizität oder Wärme und die dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienenden Einrichtungen BgA und damit keine Hoheitsbetriebe. Für den öffentlichen Parkplatz einer Gemeinde hat die Rechtsprechung eine hoheitliche Betätigung verneint (, BFHE 120, 53, BStBl II 1976, 793). Entsprechendes gilt für eine von der Gemeinde betriebene Tiefgarage (, BFHE 159, 52, BStBl II 1990, 242). Der Bereich der Industriegleisanlagen diente der entgeltlichen Bereitstellung von Verkehrswegen, mit der die Klägerin in potentiellen Wettbewerb mit privatwirtschaftlichen Unternehmen trat (, BFH/NV 2000, 894). Ob diese Tätigkeit dem öffentlichen Verkehr diente und daher ebenfalls unter § 4 Abs. 3 KStG fiel, kann somit dahinstehen.

Das Betreiben des EV der Klägerin hat die Vorentscheidung zu Recht nicht als Ausübung hoheitlicher Gewalt gewertet. Nach den Feststellungen des FG diente diese Tätigkeit der Klägerin nicht überwiegend der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, die einem Träger der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten ist (, BFH/NV 1991, 628). Vielmehr handelte es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit in Form der Wertstoffverwertung. Sie war nicht wie die Entsorgung von Hausmüll Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge insbesondere im Bereich des Gesundheits- und Umweltschutzes und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (, BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139). Teilweise ist der EV auch zu anderen privatwirtschaftlich organisierten Anbietern in Konkurrenz getreten. An diese wertenden Feststellungen ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

2. Mehrere BgA können unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Einheit und damit zu einer einheitlichen Gewinnermittlung verbunden werden. Zwar ist regelmäßig für jeden BgA eine gesonderte Einkommensermittlung vorzunehmen (BFH-Urteile in BFHE 159, 52, BStBl II 1990, 242; vom I R 74/89, BFHE 166, 342, BStBl II 1992, 432). Denn grundsätzlich ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts wie die Klägerin mit ihren einzelnen BgA i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG körperschaftsteuerpflichtig (, BFH/NV 1997, 625).

Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten jedoch für gleichartige BgA, die durch organisatorische Maßnahmen mit steuerrechtlicher Wirkung zu einem einzigen Betrieb zusammengefasst worden sind (BFH in BFH/NV 1997, 625; vom I 65/60 U, BFHE 75, 502, BStBl III 1962, 450; vom I 267/63, BFHE 89, 416, BStBl III 1967, 679; Abschn. 5 Abs. 9 Satz 1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1995KStR 1995—). Darüber hinaus können auch verschiedene BgA zusammengefasst werden, wenn zwischen den Betrieben objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht (, BFHE 88, 3, BStBl III 1967, 240; , BFHE 89, 25, BStBl III 1967, 510; Abschn. 5 Abs. 9 Satz 2 KStR 1995).

Schließlich ist von der Rechtsprechung auch ohne wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung die Zusammenfassung mehrerer Versorgungsbetriebe oder Versorgungs- und Verkehrsbetriebe einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zu einem Betrieb anerkannt worden, da die in ihnen geübten Betätigungen dem gleichen Gedanken, nämlich der Versorgung der Bevölkerung, untergeordnet sind (BFH-Urteile in BFHE 159, 52, BStBl II 1990, 242; vom I 212/63, BFHE 85, 213, BStBl III 1966, 287; in BFHE 89, 416, BStBl III 1967, 679; vom I 164/59 S, BFHE 75, 498, BStBl III 1962, 448; Abschn. 5 Abs. 9 Satz 4 KStR 1995). Auf dieser Grundlage sind die Beteiligten des Streitfalles einvernehmlich von einer zulässigen Zusammenfassung der Fernheizwerke, des Fernheizwerks beim Zentralbad und der Theatertiefgarage der Klägerin ausgegangen. Dieser Handhabung ist das FG zu Recht gefolgt.

3. Im Streitfall scheidet jedoch eine Zusammenfassung des EV der Kläger zu einer Einheit mit deren übrigen BgA mit der Folge einer einheitlichen Gewinnermittlung aus.

a) Der EV stellt keinen Versorgungsbetrieb dar. Ein solcher Betrieb dient der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme oder dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb (§ 4 Abs. 3 KStG). Auch wenn der EV der Klägerin Grundbedürfnisse der Bevölkerung abdeckte, diente er der Entsorgung und Verwertung von Abfall und Wertstoffen und damit weder der ”Versorgung” der Bevölkerung im engeren Sinne des § 4 Abs. 3 KStG noch einer vergleichbaren Zielsetzung (BFH-Urteil in BFHE 159, 52, BStBl II 1990, 242).

b) Beim EV einerseits und den übrigen Betrieben der Klägerin andererseits handelte es sich auch nicht um gleichartige Betriebe. Zwischen dem EV und den anderen BgA der Klägerin bestand schließlich auch keine objektive enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung.

Gleichartig sind gewerbliche Betätigungen, wenn sie im gleichen Gewerbezweig ausgeübt werden, oder wenn sie sich zwar unterscheiden, aber einander ergänzen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 625). Ergänzende gewerbliche Tätigkeiten sind auch bei unterschiedlichen Produktions- oder Vertriebsstufen denkbar (, BFHE 158, 80, BStBl 1989, 901, zu § 2 Abs. 1 des GewerbesteuergesetzesGewStG—), dabei ist jedoch eine funktionelle Verbindung erforderlich. Die Tätigkeiten der EV und der übrigen BgA der Klägerin gehörten weder dem gleichen Gewerbezweig an noch ergänzten sie sich. Auch zwischen den Fernheizwerken und der Abfallentsorgung und -verwertung durch den EV ist eine funktionelle Verbindung nicht feststellbar.

Das Vorliegen einer engen, wechselseitigen, technisch-wirtschaftlichen Verflechtung hängt im jeweiligen Einzelfall von dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse ab. Auch wenn kein notwendiger Funktionszusammenhang in der Weise erforderlich ist, dass die Betriebe in ihrer Betätigung gegenseitig aufeinander angewiesen sind, setzt die genannte Verflechtung jedoch eine sachliche Beziehung der jeweiligen Betätigungen im Sinne eines inneren wirtschaftlichen Zusammenhangs voraus (BFH-Urteil in BFHE 75, 502, BStBl III 1962, 450), der nach den Anschauungen des Verkehrs die Zusammenfassung zu einer wirtschaftlichen Einheit rechtfertigt (BFH-Urteil in BFHE 89, 25, BStBl III 1967, 510). Als Beispiel hierfür ist der Ausgleich des Überdrucks in einem Heizkraftwerk durch Erwärmung des Wassers in einem Badebetrieb zu nennen; nicht hingegen reicht aus, wenn Versorgungsbetriebe u.a. an den Badebetrieb die wichtigsten Betriebsmittel liefern (BFH-Beschluss in BFHE 88, 3, BStBl III 1967, 240). Im Streitfall sind die Betätigungen des EV und der übrigen BgA der Klägerin voneinander unabhängig und weisen keinen inneren wirtschaftlichen Zusammenhang im dargestellten Sinne auf.

c) Ob der EV und die übrigen BgA der Klägerin, wie diese entgegen den Feststellungen des FG geltend macht, durch organisatorische Maßnahmen der Klägerin verbunden waren, kann dahinstehen. Denn eine bloße organisatorische Verbindung, die weitgehend von der Gestaltung durch die Gemeinde abhängig ist, ersetzt nicht die übrigen genannten objektiven Voraussetzungen für eine steuerliche Zusammenfassung verschiedener Betriebe (BFH-Beschluss in BFHE 88, 3, BStBl III 1967, 240; BFH-Urteile in BFHE 75, 502, BStBl III 1962, 450; in BFHE 89, 416, BStBl III 1967, 679). Auch die Zusammenfassung mehrerer Betriebe im Rahmen einer gemeinsamen Steuererklärung ist nicht ausreichend.

4. Ob der von der Klägerin weiter unterhaltene Betrieb Industriegleisanlagen mit steuerlicher Wirkung mit den Betrieben Fernheizwerke, Fernheizwerk am Zentralbad und Theatertiefgarage zusammengefasst werden kann, ist für die Entscheidung des Streitfalles unerheblich. Steuerliche Auswirkungen könnten sich daraus (wegen der Verluste dieses Betriebs im Streitjahr) nicht ergeben.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 511
BFH/NV 2003 S. 511 Nr. 4
QAAAA-70039