BFH Beschluss v. - VI R 64/15

Zulässigkeit der Klage bei zu niedrigem Wertansatz

Leitsatz

NV: Begehrt der Kläger im Streitjahr eine höhere Steuerfestsetzung, weil ein Bilanzposten zu niedrig angesetzt sei, so ist die Klage nur zulässig, wenn sich der ggf. unrichtige Wertansatz beim Kläger selbst in den Folgejahren nachteilig auswirken kann.

Gesetze: FGO § 40 Abs. 2; EStG § 4 Abs. 2;

Instanzenzug: (EFG 2015, 1292),

Tatbestand

I.

1 Die Beteiligten streiten um die Bewertung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken im Hinblick auf das sog. Wertaufholungsgebot nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und § 52 Abs. 16 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (EStG) und die sich daraus ergebenden Folgen für die Höhe des land- und forstwirtschaftlichen Gewinns des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) im Streitjahr (1999).

2 Die Kläger sind Eheleute und wurden für das Streitjahr zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin war Eigentümerin eines ca. ... ha großen Hofes, welcher vom Kläger bewirtschaftet wurde. Die Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 1 EStG wiesen den Kläger als Betriebsinhaber aus. Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wurden diesem auch zugerechnet. Wirtschaftsjahr war der Zeitraum vom 1. Juli bis 30. Juni (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG). Mit Wirkung vom wurde der landwirtschaftliche Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu Buchwerten auf den gemeinsamen Sohn der Kläger übertragen.

3 In den Jahren ab 1979 waren landwirtschaftliche Grundstücke gekauft worden.

4 Im Jahr 1991 machte der Kläger für diese Flächen Teilwertabschreibungen zum und zum geltend, die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) anerkannt wurden.

5 Im Wirtschaftsjahr 1995/1996 wurde eine weitere Teilwertabschreibung vorgenommen.

6 Im Jahr 2006 fand beim Kläger eine Außenprüfung statt, die die Wirtschaftsjahre 1998/1999 bis 2001/2002 sowie die Kalenderjahre 1999 bis 2002 umfasste. Im Betriebsprüfungsbericht stellte der Prüfer u.a. fest, dass im Hinblick auf die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG weggefallene Möglichkeit der Beibehaltung eines niedrigeren Teilwerts eine Wertaufholung vorzunehmen sei und ermittelte für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 eine Gewinnerhöhung von ... DM. Da die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 1998 bereits zum abgelaufen war, wurde nur die auf das Kalenderjahr 1999 entfallende hälftige Gewinnerhöhung steuerlich erfasst.

7 Mit Bescheid vom setzte das FA die Feststellungen des Betriebsprüfers um und änderte den gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheid für 1999 entsprechend; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde —wie auch bei den die Jahre 2000 bis 2002 betreffenden, nach der Prüfung ergangenen Änderungsbescheiden— aufgehoben. Dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr legte das FA Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von ... DM zugrunde und setzte die Steuer auf ... DM (... €) fest. Hiergegen wandten sich die Kläger mit dem Einspruch.

8 Eine im Jahr 2008 beim Sohn der Kläger durchgeführte Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2006 kam zu dem Ergebnis, dass in der Vergangenheit vorgenommene Teilwertabschreibungen zum in Höhe von ... € (... DM) aufzuholen seien.

9 Gegen die aufgrund dieser Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide legte der Sohn der Kläger Einspruch ein; die Rechtsbehelfe sind noch anhängig. Aufgrund der Erhöhung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für die Veranlagungszeiträume 2002 und 2003 durch die Teilwertaufholung im Wirtschaftsjahr 2002/2003 wurde die Einkunftsgrenze des § 5 des Eigenheimzulagegesetzes (EigZulG) überschritten, so dass das FA die Festsetzung der Eigenheimzulage für eine im Jahr 2003 fertig gestellte Wohnung gemäß § 11 Abs. 4 EigZulG aufhob.

10 Vor diesem Hintergrund begehrten die Kläger eine Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr zu ihrem Nachteil, indem zum eine Teilwertaufholung auf den ursprünglichen Wert der Anschaffungskosten vorgenommen werden solle.

11 Das FA wies den Einspruch der Kläger zurück.

12 Hiergegen erhoben die Kläger Klage. Mit Beschluss vom lud das Finanzgericht (FG) den Sohn der Kläger zum Verfahren bei. Die Klage wies das FG als unzulässig ab.

13 Mit den Revisionen machen die Kläger und der Beigeladene und Revisionskläger (Beigeladener) geltend, das FG habe die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.

14 Die Kläger und der Beigeladene beantragen,

1. das Urteil des Schleswig-Holsteinischen aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass im Wirtschaftsjahr 1998/1999 eine weitere Teilwertaufholung in Höhe von ... DM berücksichtigt wird, die zur Hälfte auf 1999 entfällt;

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

15 Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

16 Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revisionen der Kläger und des Beigeladenen für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

17 1. Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die Kläger haben nicht dargetan, durch den angefochtenen Bescheid i.S. des § 40 Abs. 2 FGO in ihren Rechten verletzt zu sein.

18 a) Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Kläger die Festsetzung einer höheren als der im angefochtenen Verwaltungsakt festgesetzten Steuer begehrt (z.B. , BFH/NV 2007, 1506, und vom I R 79/10, BFHE 234, 101, BStBl II 2012, 421).

19 Ein solcher Sachverhalt liegt im Streitfall vor, da die Klage auf eine Erhöhung der streitigen Wertansätze für die Grundstücke in der Schlussbilanz des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers zum und mithin auf die Festsetzung einer höheren Steuer für das Streitjahr abzielt.

20 Zwar kann nach der Rechtsprechung des BFH eine Rechtsverletzung i.S. des § 40 Abs. 2 FGO ausnahmsweise auch dann vorliegen, wenn in dem angefochtenen Steuerbescheid eine Steuer nicht oder zu niedrig festgesetzt worden ist und die Festsetzung einer höheren Steuer begehrt wird. So können die Dinge z.B. liegen, wenn ein auf einen Betrag von Null lautender Bescheid sich für den Kläger deshalb nachteilig auswirkt, weil darin angesetzte Besteuerungsgrundlagen im Rahmen anderer Verfahren verbindliche Entscheidungsvorgaben liefern (, BFHE 177, 44, BStBl II 1995, 537, und vom IX R 124/92, BFHE 176, 409, BStBl II 1995, 628). Ebenso kann eine Klage gegen die Festsetzung einer zu niedrigen Steuer zulässig sein, wenn jene Festsetzung dazu führen kann, dass der Kläger bei späteren Steuerfestsetzungen Nachteile erleidet (z.B. , BFHE 113, 405, BStBl II 1975, 304; , BFHE 152, 40, BStBl II 1988, 286). Dabei sind auch nachteilige Auswirkungen in Betracht zu ziehen, die sich aus der Anwendung allgemein anerkannter Bilanzierungsgrundsätze bei der Gewinnermittlung nach §§ 4, 5 EStG ergeben, insbesondere auch aus dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs (z.B. , BFHE 108, 278, BStBl II 1973, 323).

21 b) Im Streitfall ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanz und dem Vorbringen der Kläger indes kein mit diesen Fällen vergleichbarer Sachverhalt.

22 Wäre der Bilanzansatz zum unrichtig und daher in den Folgejahren zu berichtigen, wäre die Korrektur in der ersten noch „offenen“ Schlussbilanz vorzunehmen, d.h. in der Schlussbilanz, die demjenigen Veranlagungszeitraum zugrunde zu legen ist, dessen Steuerfestsetzung noch geändert werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 170, 336, BStBl II 1994, 381; vom IV R 53/09, BFHE 234, 221, BStBl II 2011, 1017; vgl. auch Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 997, 1000). Nach den die Revisionsinstanz bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die nach Abschluss der Außenprüfung geänderten Bescheide für die Jahre 2000 bis 2002 in Anbetracht der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung und der Regelungen über die Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO) zu Lasten der Kläger geändert werden könnten.

23 Die Betriebsübergabe war für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage zu berücksichtigen. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Sachurteilsvorausetzungen einer Klage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (z.B. Dumke in Schwarz/Pahlke, FGO § 40 Rz 36). Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG im Jahr 2015 war bereits bekannt, dass die Kläger den Betrieb 2002 auf den Beigeladenen übertragen hatten. Mithin konnte sie die mögliche Berichtigung eines ggf. fehlerhaften Bilanzansatzes zum in den noch offenen Jahren ab 2003 nicht mehr betreffen und sich eine Rechtsverletzung der Kläger durch eine ggf. zu niedrige Steuerfestsetzung für 1999 nicht mehr ergeben.

24 2. Die Revision des Beigeladenen ist jedenfalls unbegründet; das angefochtene Urteil verletzt ihn nicht in seinen Rechten.

25 a) Ein Beigeladener kann ein Urteil nur mit Erfolg angreifen, wenn er durch die Entscheidung in seinen eigenen Rechten verletzt wird. Andernfalls könnte er im Unterschied zum Kläger (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO) ein Urteil bereits zu Fall bringen, wenn es nur gegen Vorschriften des objektiven Rechts verstößt (, BFHE 140, 136, BStBl II 1984, 348). Erforderlich ist daher ein Verstoß gegen eine Norm, die nicht ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit, insbesondere im öffentlichen Interesse an der gesetzmäßigen Steuererhebung und Sicherung des Steueraufkommens erlassen wurde, sondern —zumindest auch— dem Schutz der Interessen einzelner an dem betreffenden Steuerschuldverhältnis nicht beteiligter Dritter dient (sog. drittschützende Norm). Es genügt hingegen weder eine Verletzung lediglich wirtschaftlicher Interessen noch die Verletzung von Normen, durch die der Dritte nur aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit begünstigt wird (, BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63; vom I R 85/13, BFHE 252, 217, BStBl II 2016, 479; in BFHE 140, 136, BStBl II 1984, 348).

26 b) Im Streitfall wird der Beigeladene durch den an die Kläger gerichteten Steuerbescheid für das Streitjahr 1999 nicht in seinen Rechten verletzt.

27 Gegenüber dem Beigeladenen wird weder eine Steuer festgesetzt noch entfaltet die gegenüber den Klägern vorgenommene Steuerfestsetzung eine Bindungswirkung in Bezug auf zukünftige dem Beigeladenen gegenüber vorzunehmende Steuerfestsetzungen.

28 Insbesondere kann der Beigeladene durch die angefochtene Steuerfestsetzung nicht aufgrund des Grundsatzes des Bilanzenzusammenhangs als Drittbetroffener in seinen Rechten verletzt sein. Denn die der Steuerfestsetzung für das Streitjahr 1999 zugrunde liegende Schlussbilanz des Klägers zum stellt lediglich die Grundlage für die Anfangsbilanz des darauf unmittelbar folgenden Wirtschaftsjahrs dar, nicht hingegen für die der Besteuerung des Beigeladenen zugrunde zu legenden Wirtschaftsjahre ab dem Betriebsübergang im Jahre 2002. Die insoweit allein maßgebliche Schlussbilanz des Klägers zum ist ebenso wie die Steuerfestsetzung für 2002 nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Die Frage, ob zu niedrige Wertansätze in der letzten Schlussbilanz vor der unentgeltlichen Betriebsübergabe (§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG) beim Betriebsübernehmer überhaupt eine Rechtsverletzung begründen können, bedarf daher keiner Entscheidung.

29 Soweit der Beigeladene aufgrund der Ablehnung eines höheren Teilwertansatzes zum nicht von der Verjährung des Jahrs 1998 profitiert, mögen zwar seine wirtschaftlichen Interessen berührt sein. Dies genügt indes nicht für das Vorliegen einer subjektiven Rechtsverletzung im angeführten Sinne.

30 3. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzulässig (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391).

31 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 und 3 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2018:B.250418.VIR64.15.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2018 S. 237 Nr. 8
BFH/NV 2018 S. 831 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 30/2018 S. 2166
StuB-Bilanzreport Nr. 17/2018 S. 646
PAAAG-87916