Online-Nachricht - Dienstag, 19.06.2018

Datenschutz | Vertrauliche Informationen in der BaFin-Akte (EuGH)

Nicht alle in der Akte einer Finanzaufsichtsbehörde enthaltenen Informationen sind zwangsläufig vertraulich. Informationen, bei denen es sich möglicherweise um Geschäftsgeheimnisse gehandelt hat, verlieren im Allgemeinen ihren vertraulichen Charakter, wenn sie mindestens fünf Jahre alt sind ().

Hintergrund: Die Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. über Märkte für Finanzinstrumente verpflichtet die zuständigen Behörden zur Wahrung des Berufsgeheimnisses und berechtigt sie nur in den in der Richtlinie abschließend aufgezählten Fällen zur Weitergabe der vertraulichen Informationen, die sie erhalten haben.

Sachverhalt: Herr Ewald Baumeister gehört zu den durch die Tätigkeit der deutschen Gesellschaft Phoenix Kapitaldienst, deren Geschäftsmodell auf einem betrügerischen Schneeballsystem beruhte, geschädigten Anlegern. Im Jahr 2005 wurde ein Insolvenzverfahren über das Vermögen von Phoenix eröffnet. Zugleich wurde die Gesellschaft aufgelöst und wird seitdem gerichtlich abgewickelt. Herr Baumeister verlangte bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Zugang zu bestimmten Phoenix betreffenden Unterlagen, u. a. dem Gutachten einer Sonderprüfung, Wirtschaftsprüferberichten, internen Stellungnahmen sowie Berichten und Korrespondenz, die die BaFin im Rahmen ihrer Phoenix betreffenden Aufsichtstätigkeit erhalten oder verfasst hatte. Da die BaFin ihm den Zugang zu diesen Dokumenten verweigerte, rief Herr Baumeister die deutschen Gerichte an. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) fragt den Gerichtshof in diesem Kontext nach der Tragweite der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente.

Der EuGH führte hierzu u.a. aus:

  • Nicht alle Informationen, die das überwachte Unternehmen betreffen und von ihm an die zuständige Behörde übermittelt wurden, und auch nicht alle in der Überwachungsakte enthaltenen Äußerungen dieser Behörde (einschließlich ihrer Korrespondenz mit anderen Stellen) stellen ohne weitere Voraussetzungen vertrauliche Informationen dar, die von der Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses gedeckt sind.

  • Als vertraulich einzustufen sind Informationen, die

    • nicht öffentlich zugänglich sind und bei deren Weitergabe die Gefahr einer Beeinträchtigung der Interessen der Person, die sie geliefert hat, oder

    • der Interessen Dritter oder des ordnungsgemäßen Funktionierens des durch die Richtlinie geschaffenen Systems zur Überwachung der Tätigkeit von Wertpapierfirmen bestünde.

  • Informationen, die möglicherweise Geschäftsgeheimnisse waren, aber mindestens fünf Jahre alt sind, verlieren im Allgemeinen ihren vertraulichen Charakter.

  • Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn die Partei, die sich auf die Vertraulichkeit beruft, nachweist, dass die Informationen trotz ihres Alters immer noch wesentliche Bestandteile ihrer eigenen wirtschaftlichen Stellung oder der von betroffenen Dritten sind. Diese Erwägungen gelten jedoch nicht für Informationen, deren Vertraulichkeit aus anderen Gründen als ihrer Bedeutung für die wirtschaftliche Stellung der fraglichen Unternehmen gerechtfertigt sein könnte, z. B. Informationen über aufsichtsrechtliche Überwachungsmethoden und -strategien.

  • Unter das allgemeine Verbot der Weitergabe vertraulicher Informationen in der Richtlinie fallen die Informationen, die bei der Prüfung des Zugangsantrags als „vertraulich“ einzustufen sind, unabhängig davon, wie sie zum Zeitpunkt ihrer Übermittlung an die zuständigen Behörden einzustufen waren.

  • Den Mitgliedstaaten steht es frei, den Schutz vor der Weitergabe auf den gesamten Inhalt der Überwachungsakten der zuständigen Behörden zu erstrecken oder umgekehrt den Zugang zu Informationen zu gestatten, die den zuständigen Behörden vorliegen und keine vertraulichen Informationen im Sinne der Richtlinie sind. Die Richtlinie soll die zuständigen Behörden nämlich nur dazu verpflichten, die Weitergabe vertraulicher Informationen grundsätzlich zu verweigern.

Hinweis:

Im vorliegenden Fall ist es Sache des BVerwG, zu prüfen, ob bei den der BaFin vorliegenden Informationen, deren Weitergabe Herr Baumeister beantragt hat, die Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses eingreift, die diese Behörde nach der Richtlinie trifft.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung Nr. 86/18 v. 19.06.2018 (Ls)

Fundstelle(n):
NWB OAAAG-86739