BGH Urteil v. - 3 StR 482/17

Betäubungsmitteldelikt: Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Gesetze: § 30a Abs 2 Nr 1 BtMG, § 26 StGB, § 27 StGB

Instanzenzug: LG Bad Kreuznach Az: 1043 Js 8394/17 - 5 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestimmens einer minderjährigen Person zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall im Versuch, wegen Abgabe von Betäubungsmitteln an eine minderjährige Person sowie wegen versuchter unmittelbarer Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an eine minderjährige Person zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet; zudem hat es bestimmt, dass drei Monate der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollstrecken sind.

2Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Schuldspruch im Fall II.2. der Urteilsgründe und die Aussprüche über die Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe beschränkt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

3Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II.3. und II.4. und des Gesamtstrafenausspruchs; im Übrigen greift sie nicht durch.

4I. Revision der Staatsanwaltschaft

51. Nach den Feststellungen des Landgerichts zum Fall II.2. der Urteilsgründe beauftragte der Angeklagte den im Tatzeitraum 13 oder 14 Jahre alten Zeugen K.          damit, andere Jugendliche für den Verkauf von Cannabis anzuwerben. Dieser gewann den 17jährigen Zeugen S.     für das Vorhaben, der vom Angeklagten 3 Gramm Haschisch zum Weiterverkauf erhielt. S.      verlor jedoch 1 Gramm Haschisch; die restlichen 2 Gramm gab er nach einer Woche erfolglosen Bemühens um den Verkauf an den Angeklagten zurück und zahlte ihm unter der Vorspiegelung, das verlorene Gramm Haschisch verkauft zu haben, 10 € dafür.

62. Das Landgericht hat dieses Geschehen - insoweit ohne Rechtsfehler - als Bestimmen einer minderjährigen Person (des Zeugen S.     ) zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG) gewertet. Die Revision der Staatsanwaltschaft rügt jedoch zu Recht, dass das Landgericht zugunsten des Angeklagten übersehen hat, dass dieser nach den getroffenen Feststellungen zugleich (§ 52 StGB) den minderjährigen Zeugen K.        zur Förderung des Betäubungsmittelhandels des Angeklagten bestimmt und damit den Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG auch in dieser Variante erfüllt hat. Im Einzelnen:

7a) Die Handlungsalternative des "Bestimmens" im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG stellt sich als Parallele zu § 26 StGB dar (vgl. , BGHSt 45, 373, 374 f.; Beschluss vom - 3 StR 224/08, NStZ 2009, 393 f.; MüKoStGB/Öğlakcioğlu, 2. Aufl., § 30a BtMG Rn. 53; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 30a Rn. 49); sie erhebt die Anstiftungshandlung zur eigentlichen Haupttat (, NStZ 2015, 347, 348 mwN; Patzak/Körner/Volkmer-Patzak, BtMG, 8. Aufl., § 30a Rn. 32). Unter "Bestimmen" ist die Einflussnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt; dies setzt einen kommunikativen Akt voraus (vgl. , NStZ 2009, 393 f.). § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG in der Variante des Bestimmens eines Minderjährigen zum Fördern einer der dort genannten Handlungen erfordert weiter, dass der angestiftete Minderjährige neben den objektiven auch die subjektiven Voraussetzungen einer Beihilfehandlung im Sinne des § 27 StGB verwirklicht (, NStZ 2015, 347 f. mwN; zum Begriff des Förderns vgl. auch MüKoStGB/Öğlakcioğlu, aaO Rn. 57; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 30a Rn. 41). Die Vorschrift erfasst auch das Bestimmen zur Förderung einer inkriminierten Handlung durch den Bestimmenden selbst (vgl. MüKoStGB/Öğlakcioğlu, aaO Rn. 68).

8b) Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte nicht nur den Zeugen S.       zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bestimmt, sondern zugleich den minderjährigen Zeugen K.        zur Förderung des Betäubungsmittelhandels des Angeklagten veranlasst. Mit seinem "Auftrag" hat der Angeklagte als Person über 21 Jahre zielgerichtet Einfluss auf den Zeugen K.        genommen und bei diesem den Tatentschluss geweckt, andere Jugendliche für den Verkauf von Cannabis des Angeklagten anzuwerben. Der Zeuge K.           hat diesen Tatentschluss umgesetzt und mit der erfolgreichen Anwerbung des Zeugen S.      , der sich zum Verkauf von Cannabis des Angeklagten auf Kommissionsbasis bereiterklärte, den Handel des Angeklagten mit Betäubungsmitteln gefördert. Nach den getroffenen Feststellungen ist unzweifelhaft, dass der Zeuge K.         , der im Fall II.1. der Urteilsgründe selbst Cannabis vom Angeklagten erhielt und weiterverkaufte, dabei auch in der Vorstellung, den Betäubungsmittelhandel des Angeklagten zu fördern, tätig wurde.

9Der Angeklagte hat mit seinen Absatzbemühungen zugleich eine auf Umsatz gerichtete Handelstätigkeit entfaltet und die vom Zeugen K.          geförderte Haupttat (Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) vollendet.

10c) Hinsichtlich der Konkurrenzen der im Fall II.2. der Urteilsgründe verwirklichten Straftatbestände gilt Folgendes:

11Soweit ein und derselbe Güterumsatz Gegenstand der strafrechtlichen Bewertung ist, ist bei Absatzdelikten eine Tat anzunehmen (vgl. , StV 1997, 636, 637; vom - 4 StR 233/00, juris Rn. 12). Bestimmt der Täter bei seinem auf den Umsatz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gerichteten Handeln zugleich eine Person unter 18 Jahren dazu, mit diesen Betäubungsmitteln selbst Handel zu treiben oder das Handeltreiben des Täters zu fördern, so stehen § 29a Abs. 1 Nr. 2 und § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG wegen ihres verschiedenartigen Unrechtsgehalts in Tateinheit (vgl. , NStZ 2014, 161 mwN); nichts anderes gilt, wenn sich der Umsatz - wie hier - auf eine geringe Menge bezieht.

12Danach besteht zwischen dem Bestimmen des Zeugen S.     zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und dem Bestimmen des Zeugen K.        zur Förderung des Betäubungsmittelhandels Tateinheit (§ 52 StGB). Denn die gegenüber beiden Zeugen entfalteten Aktivitäten des Angeklagten dienten dem Absatz derselben Rauschgiftmenge, mit welcher der Angeklagte zugleich Handel trieb. Das Handeltreiben (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) tritt wegen des verschiedenartigen Unrechtsgehalts nicht hinter das Verbrechen nach § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG zurück; vielmehr liegt auch insoweit Tateinheit vor (vgl. , NStZ 2014, 161, 162).

133. § 265 StPO steht der Ergänzung des Schuldspruchs durch den Senat nicht entgegen. Bei Erteilung eines entsprechenden Hinweises hätte sich der bereits im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.

144. Die Änderung des Schuldspruchs im Fall II.2. der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der für diese Tat verhängten Einzelstrafe sowie des Gesamtstrafenausspruchs. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht in diesem Fall eine höhere Einzelstrafe verhängt hätte, wenn es das tateinheitliche Bestimmen des erst 14 Jahre alten Zeugen K.         zur Förderung des Betäubungsmittelhandels in den Blick genommen hätte, zumal es den Umstand, dass der zum Handel angestiftete Zeuge S.     bereits 17 Jahre alt und damit nahe an der Altersgrenze des § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG war, ausdrücklich strafmildernd bewertet hat. Damit kann auch der Gesamtstrafenausspruch keinen Bestand haben; gleiches gilt für die Festlegung der Dauer des Vorwegvollzugs der Strafe vor der Maßregel.

155. Im Übrigen hat die Revision der Staatsanwaltschaft keinen Erfolg.

16Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin begegnet die Strafzumessung weder hinsichtlich der Erwägungen zur Strafrahmenwahl noch der Ausführungen zur Strafzumessung im engeren Sinne durchgreifenden recht-lichen Bedenken. Die Strafkammer war insbesondere nicht gehindert, die Angaben des Angeklagten zu seinem Betäubungsmittellieferanten und seine Bemühungen um die Aufklärung weiterer Straftaten strafmildernd zu berücksichtigen, auch wenn kein Aufklärungserfolg im Sinne von § 31 BtMG bzw. § 46b StGB festgestellt worden ist (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 428/15, NStZ 2016, 525; vom - 3 StR 513/15, juris Rn. 3).

17II. Revision des Angeklagten

18Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II.3. und II.4. der Urteilsgründe.

191. Das Landgericht hat insoweit festgestellt:

20Im Fall II.3. der Urteilsgründe bot der Angeklagte dem Zeugen S.    einen Joint zum unmittelbaren Konsum an; der Zeuge lehnte jedoch ab. Im Fall II.4. forderte der Angeklagte den Zeugen S.       auf, 5 Gramm Marihuana für ihn zu verkaufen. Der Zeuge S.     lehnte auch dieses Ansinnen ab.

21Das Landgericht hat das Geschehen im Fall II.3. der Urteilsgründe als versuchte Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an Minderjährige (§ 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG, §§ 22, 23 StGB) und im Fall II.4. der Urteilsgründe als versuchtes Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG, §§ 22, 23 StGB) gewertet. In beiden Fällen hat es einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch wegen Fehlschlags abgelehnt und dazu ausgeführt, dass der Erfolg jeweils allein aufgrund der Weigerung des Zeugen S.       , sich auf das Ansinnen des Angeklagten einzulassen, ausgeblieben sei.

222. Die Verneinung der Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 StGB hält in beiden Fällen rechtlicher Prüfung nicht stand.

23a) Fehlgeschlagen ist der Versuch, wenn der Taterfolg aus der Sicht des Täters mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreicht werden kann, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt wird. Daher sind zur Annahme eines Fehlschlags regelmäßig Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten im Moment seines Nichtweiterhandelns (Rücktrittshorizont) erforderlich; lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. , NStZ-RR 2013, 273, 274; Beschlüsse vom - 3 StR 298/11, NStZ 2012, 263 f.; vom - 4 StR 8/03, juris Rn. 8; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 24 Rn. 7 mwN).

24b) So liegt es hier. Das Urteil enthält keine Ausführungen zum maßgeblichen Vorstellungsbild des Angeklagten im Moment seines Nichtweiterhandelns; auf seinen Rücktrittshorizont kann auch nicht aus dem Urteil in seiner Gesamtheit geschlossen werden. Hätte der Angeklagte aber zu diesem Zeitpunkt die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang mit anderen, ihm zur Verfügung stehenden Mitteln - etwa durch wiederholtes Anbieten oder Überreden im Fall II.3. bzw. durch das Anbieten eines Vorteils im Fall II.4. - noch für möglich gehalten, käme ein Rücktritt vom unbeendeten Versuch nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 StGB in Betracht (vgl. , juris Rn. 4).

253. Der Darstellungsmangel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II.3. und II.4. des angefochtenen Urteils. Die zugrundeliegenden Feststellungen waren ebenfalls aufzuheben, da der Senat nicht ausschließen kann, dass auch insoweit neue Feststellungen getroffen werden können, die sich auf das Vorstellungsbild des Angeklagten im jeweiligen rechtserheblichen Zeitpunkt ausgewirkt haben.

264. Im Übrigen ist das Rechtsmittel des Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:110118U3STR482.17.0

Fundstelle(n):
YAAAG-85421