BFH Urteil v. - X R 69/01

Instandsetzungsaufwendungen nach dem Erwerb eines Wohngebäudes als Vorkosten nach § 10e EStG

Gesetze: EStG § 10e Abs. 6

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit notariellem Vertrag vom erwarben sie ein im Jahr 1973 errichtetes Einfamilienhaus. Im Zeitpunkt des Übergangs von Besitz, Nutzen und Lasten am räumten die Verkäufer das Anwesen vertragsgemäß. Von dem Gesamtkaufpreis entfielen 106 944 DM auf das Grundstück und 213 248 DM auf das Gebäude.

Vor Bezug am renovierten die Kläger das Gebäude: Sie modernisierten Bad und WC (neue Wand- und Bodenfliesen, neue Armaturen), im Kinderzimmer wurde anstelle eines Fensters ein großes Türelement eingebaut, das den Zugang zum Garten ermöglicht, anstelle der Ölheizung wurde eine Gasheizung installiert, Türen und Türzargen wurden ausgetauscht sowie die Fußböden weitgehend erneuert. Die Kosten beliefen sich auf 49 714 DM. Hierbei handelte es sich überwiegend um reine Materialkosten. Im Jahr 1994 fielen weitere Kosten für das Dach (10 000 DM) und die Elektroinstallation (3 641 DM) an.

Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Renovierungs- und Modernisierungsaufwendungen ursprünglich in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) stehenden Steuerbescheid gemäß 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sofort zum Abzug zugelassen hatte, bewertete er die Aufwendungen im Änderungsbescheid vom als Herstellungskosten gemäß § 10e Abs. 1 EStG und ermittelte den Abzugsbetrag neu.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach im Wesentlichen erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage insoweit statt, als es die Einkommensteuer für das Streitjahr 1993 unter Ansatz des Höchstbetrags nach § 10e Abs. 1 EStG (19 800 DM) ermittelte und von 25 480 DM auf 25 442 DM ermäßigte. Die streitigen Instandhaltungs- und Modernisierungsaufwendungen seien nicht nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar, sondern anschaffungsnahe Herstellungskosten (§ 10e Abs. 1 EStG). Der Wert der Instandsetzung und Modernisierung in zeitlicher Nähe zur Anschaffung setze sich aus den nachgewiesenen Kosten in Höhe von insgesamt 63 355 DM und dem Wert der erheblichen Eigenleistungen des Klägers bei den Installations-, Bau-, Schreiner- und Malerarbeiten zusammen. Der Wert der Eigenleistungen sei mit mindestens 49 500 DM (Aufschlag von 150 v.H. auf den reinen Materialeinsatz in Höhe von 33 000 DM) anzusetzen. Der Wert der Modernisierung betrage somit 112 855 DM und mache damit 42 v.H. des anteiligen Kaufpreises des Gebäudes aus.

Im Änderungsbescheid vom hat das FA vor Bezug angefallene Schuldzinsen sowie die Geldbeschaffungskosten als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG berücksichtigt. Dieser Steuerbescheid wurde nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) in das Revisionsverfahren übergeleitet (Art. 6 2.FGOÄndG).

Mit der Revision rügen die Kläger sinngemäß Verletzung von § 10e Abs. 6 EStG. Sie begehrten zunächst, das FG-Urteil aufzuheben und unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 1993 vom Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 49 715 DM als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG zu berücksichtigen. In der mündlichen Verhandlung vom schränkten sie dieses Begehren dahin gehend ein, Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 45 715 DM als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG zu berücksichtigen.

II. Die auf die Berücksichtigung weiterer Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG in Höhe von 45 715 DM begrenzte Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Zu Unrecht hat das FG die Kosten sämtlicher von den Klägern durchgeführten Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen als Herstellungskosten nach § 255 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) beurteilt. Die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG ist insoweit zu kürzen.

1. Aufwendungen, die vor der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen, sind nur dann nach § 10e Abs. 6 EStG als Vorkosten abziehbar, wenn sie nicht zu den Herstellungs- oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören. Welche Aufwendungen dies sind, bestimmt sich bei den Gewinn- und Überschusseinkünften nach § 255 HGB (vgl. , BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. b). § 10e Abs. 6 EStG enthält keine davon abweichende Definition. Vielmehr folgt aus der Bezugnahme zum Begriff der Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, dass die Begriffe Anschaffungskosten und Herstellungskosten in dem im Einkommensteuerrecht verwendeten Sinn zu verstehen sind (vgl. Senatsbeschluss vom X B 5/91, BFH/NV 1992, 379).

a) Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.

Ein Vermögensgegenstand (Wirtschaftsgut, hier: ein Gebäude) ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann (BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 2. b; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 255 HGB, Tz. 13). Zu den Anschaffungskosten zählen daher die Aufwendungen, die erforderlich sind, um das erworbene Wirtschaftsgut bestimmungsgemäß nutzen zu können.

b) Nutzt der Erwerber ein Hausgrundstück ab dem Zeitpunkt des Erwerbs, d.h. ab Übergang der Nutzungen und Lasten, hat er eine solche Zweckbestimmung getroffen; das genutzte Wirtschaftsgut befindet sich bereits in einem betriebsbereiten Zustand und kann nicht mehr in diesen Zustand versetzt werden (vgl. im Einzelnen , BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966, zu II. 2. b aa).

Wird hingegen —wie im Streitfall— ein Gebäude vor der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken renoviert und modernisiert, zählen Aufwendungen, die erforderlich sind, um das Wirtschaftsgut bestimmungsgemäß nutzen zu können, zu den Erhaltungs- oder Anschaffungskosten.

c) Zur Zweckbestimmung eines Gebäudes, das Wohnzwecken dient, gehört auch die Entscheidung, welchem Standard es entsprechen soll (sehr einfacher, mittlerer oder sehr anspruchsvoller Standard). Eine Steigerung des Wohnstandards setzt voraus, dass die Kernbereiche der Ausstattung einer Wohnung wesentlich verbessert werden; das ist der Fall, wenn bei mindestens drei der Bereiche Heizung, Sanitär und Elektroinstallation sowie Fenster der Nutzungswert durch die Baumaßnahmen deutlich gesteigert wird. Reparaturen oder auch das Ersetzen des Vorhandenen durch Gleichwertiges in zeitgemäßer Form erweitern den Nutzungswert nicht (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. a).

2. Nach den Feststellungen des FG, die vom FA nicht angegriffen wurden und für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), betrafen die nach der Teilrücknahme der Revision —die Kläger begehren im Zeitpunkt der Entscheidung keinen Abzug der Kosten für den Austausch des Fensters im Kinderzimmer gegen ein großes Türelement als Sonderausgaben— noch streitigen Aufwendungen für das Gebäude übliche, regelmäßig wiederkehrende Instandsetzungsarbeiten. Insoweit liegen deshalb keine die Betriebsbereitschaft herstellenden Anschaffungskosten, sondern Vorkosten i.S. von § 10e Abs. 6 EStG vor. Durch den Austausch der Ölheizung gegen eine Gasheizung wird der Nutzungswert der Anlage nicht deutlich erhöht und die Erneuerung der Fliesen und Armaturen in Bad und WC führt zu keiner erheblichen Steigerung des Wohnkomforts. Durch die Baumaßnahmen wurden daher die Kernbereiche der Ausstattung des Hauses nicht wesentlich verbessert, da nicht bei wenigstens drei der Bereiche Heizung, Sanitär und Elektroinstallation sowie Fenster der Nutzungswert deutlich gesteigert wurde. Auf die Frage, ob bei der Modernisierung der Elektroinstallation im Jahr nach Bezug des Gebäudes die Leitungskapazität maßgeblich erweitert und die Zahl der Anschlüsse erheblich vermehrt wurde, kommt es somit nicht entscheidend an. Unerheblich ist auch, dass die Türen, Zargen und Fußböden weitgehend ausgetauscht wurden, weil diese den Standard des Wohngebäudes nicht im Wesentlichen bestimmen.

3. Die Aufwendungen sind auch keine Herstellungskosten i.S. von § 255 Abs. 2 HGB. Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die für sich allein noch als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären, könnten in ihrer Gesamtheit zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 HGB führen, wenn dadurch der Gebrauchswert (das Nutzungspotenzial) des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand, d.h. dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs, deutlich erhöht wird (, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, zu I. 2. c und 3. b cc). Eine wesentliche Verbesserung ist danach immer dann gegeben, wenn der Gebrauchswert eines Gebäudes von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben wird (vgl. dazu im Einzelnen BFH in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3.). Ob Baumaßnahmen an einem Wohngebäude zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB geführt haben, ist mithin im Wesentlichen nach den gleichen Maßstäben zu entscheiden, nach denen die Betriebsbereitschaft gemäß § 255 Abs. 1 HGB zu beurteilen ist (, BFH/NV 2003, 35).

4. Die Berechnung der gemäß dem Tenor festzusetzenden Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 766
YAAAA-69667