BGH Beschluss v. - 1 StR 368/17

Verständigung im Strafverfahren: Hinweis des Gerichts auf eine beabsichtigte Bewährungsauflage

Gesetze: § 56b Abs 1 S 1 StGB, § 257c StPO

Instanzenzug: LG Kaiserslautern Az: 6058 Js 18828/15 - 2 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen, versuchter Steuerhinterziehung in drei Fällen und vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ihre Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

21. Die Angeklagte macht zu Recht einen Verfahrensfehler beim Zustandekommen der Verständigung geltend, weil ihr vor Abschluss der Vereinbarung kein Hinweis auf die Anordnung von Bewährungsauflagen nach § 56b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 StGB erteilt worden ist.

3a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:

4In einem Telefonat vom zwischen dem Vorsitzenden und einem der Verteidiger der Angeklagten, dessen Inhalt nicht schriftlich festgehalten wurde, teilte der Vorsitzende mit, nach Beschränkung des Verfahrensstoffs komme bei der Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten bis zu einem Jahr und drei Monaten in Betracht, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden könne; als Bewährungsauflage sei eine Arbeitsauflage oder eine Geldzahlung möglich. Der Verteidiger entgegnete, eine Arbeitsauflage scheide aus, über eine Geldzahlung ließe sich reden.

5Am kam es zwischen den Verfahrensbeteiligten und dem Landgericht zu einer Verständigung gemäß § 257c StPO. Das Landgericht machte den Verfahrensbeteiligten folgenden Vorschlag:

6„Ausgehend vom nach Teileinstellungen noch angeklagten Sachverhalt nach Maßgabe des Hinweisbeschlusses vom 6. Hauptverhandlungstag“ wird hinsichtlich der Angeklagten       K.     „bei insoweit glaubhaftem Geständnis und kooperativem Verhalten“ eine Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens neun Monaten bis zu einem Jahr und drei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, erfolgen. Als Bewährungsauflage sei „eine Arbeitsauflage mit Abgeltungsklausel Geldzahlung angedacht“.

7Der Vorsitzende erteilte die Belehrung gemäß § 257c Abs. 4, Abs. 5 StPO. Die Verteidigung der Angeklagten erklärte, als Bewährungsauflage sei eine Arbeitsauflage nicht akzeptabel, aber die Erteilung einer Auflage zur Schadenswiedergutmachung. Der Vorsitzende wies darauf hin, dass „die Bewährungsauflage angedacht sei, mithin nicht Inhalt der Verständigung wäre“. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft führte aus, er könne sich als Bewährungsauflage die Zahlung von 42.000 Euro an die Finanzkasse vorstellen.

8Dem Vorschlag des Landgerichts stimmten die Angeklagte und ihre Verteidigung zu. Die Angeklagte erklärte darüber hinaus, sie werde sich „entsprechend verhalten“.

9Durch Beschluss der Strafkammer wurden nach entsprechendem Antrag der Staatsanwaltschaft verschiedene Anklagevorwürfe gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Angeklagte räumte sodann die verbleibenden Vorwürfe ein.

10Am hielt der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft seinen Schlussvortrag, beantragte eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird und als Bewährungsauflage die Rückzahlung der Steuerschuld von 42.514,16 Euro. Die Verteidigung der Angeklagten beantragte eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten und stimmte der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Bewährungsauflage zu.

11Am wurden Urteil und Bewährungsbeschluss verkündet. Im Bewährungsbeschluss wurde der Angeklagten auferlegt, den Schaden „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ auf die Haftungsforderung der Finanzverwaltung in Höhe von 42.514,16 Euro wiedergutzumachen und 200 Stunden gemeinnützige Arbeit (monatlich mindestens 20 Stunden) zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu erbringen.

12Die Strafkammer hat weder im Rahmen der Verständigung noch bei den Vorgesprächen über ihr Zustandekommen - abgesehen von dem Hinweis des Vorsitzenden auf die „angedachte Arbeitsauflage“ - weitere alternativ oder kumulativ konkret in Betracht kommende Bewährungsauflagen erörtert.

13Die Beschwerdeführerin sieht in dem Vorgehen des Landgerichts einen Verstoß gegen § 257c StPO sowie den Grundsatz des fairen Verfahrens und macht geltend, das Landgericht habe nicht auf die konkret in Betracht kommenden Bewährungsauflagen Geldauflage und kumulativ Arbeitsauflage hingewiesen. Außerdem sei die Arbeitsauflage auch nicht Teil der Verständigung gewesen und habe daher nicht verhängt werden dürfen. Die Angeklagte sei zum Zeitpunkt ihrer Zustimmung davon ausgegangen, dass allein die Schadenswiedergutmachung als Bewährungsauflage verhängt werden würde. Hätte sie gewusst, dass neben der Schadenswiedergutmachung auch eine Arbeitsauflage verhängt werden würde, hätte sie der Verständigung nie zugestimmt. Das Urteil beruhe in den Feststellungen zum Teil auf ihrer Einlassung zur Sache.

14b) Die zulässig erhobene Verfahrensrüge ist begründet.

15aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Angeklagter vor einer Verständigung gemäß § 257c StPO, deren Gegenstand die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe ist, auf konkret in Betracht kommende Bewährungsauflagen hingewiesen werden, die nach § 56b Abs. 1 Satz 1 StGB der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen und deren Erteilung Voraussetzung für die in Aussicht gestellte Strafaussetzung ist (BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 346/16, NStZ-RR 2016, 379, 380 und vom - 4 StR 254/13, BGHSt 59, 172, 174). Nur durch einen solchen vorherigen Hinweis kann sichergestellt werden, dass der Angeklagte vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung informiert ist und er deshalb autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt (vgl. hierzu u.a., NJW 2013, 1058, 1071; siehe auch BT-Drucks. 16/12310, S. 14, 15).

16Danach ist es erforderlich, dass das Gericht vor einer Verständigung offenlegt, dass es die Verhängung einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe allein nicht für ausreichend hält, sondern zur Verwirklichung der Genugtuungsfunktion des Strafverfahrens Bewährungsauflagen in Betracht zieht, die Bestandteil der Rechtsfolgenerwartung sind und gemäß § 56b Abs. 1 Satz 1 StGB - anders als Bewährungsweisungen gemäß § 56c Abs. 1 Satz 1 StGB (vgl. hierzu , NStZ 2015, 179) - als Genugtuung für begangenes Unrecht eine strafähnliche Sanktion darstellen. Erst die Kenntnis des Umstandes, dass ihm neben der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe weitere Maßnahmen mit Vergeltungscharakter drohen, die - wie hier in Form der Zahlungsauflage nebst kumulativ verhängter Arbeitsauflage - eine erhebliche Belastung darstellen können, versetzt den Angeklagten in die Lage, von seiner Entscheidungsfreiheit, ob er auf das Angebot des Gerichts eingehen möchte, auf einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage Gebrauch zu machen (BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 346/16, NStZ-RR 2016, 379, 380; vom - 4 StR 254/13, BGHSt 59, 172, 174 f. und vom - 4 StR 148/14, NJW 2014, 3173).

17bb) Diesen Anforderungen hat das Landgericht nicht entsprochen, weil der gesamte Umfang der Rechtsfolgenerwartung vor dem Zustandekommen der Verständigung nicht offengelegt wurde. Bei der hier gegebenen Sachlage reichte der Hinweis des Vorsitzenden, eine Bewährungsauflage sei angedacht, nicht aus. Es ist schon fraglich, ob Art und Umfang von Bewährungsauflagen überhaupt im Rahmen der Verständigung nach § 257c StPO ausgeklammert werden können. Jedenfalls bei der hier explizit erfolgten Ablehnung einer Arbeitsauflage durch die Angeklagte war deren Verhängung in dem ausgesprochenen Umfang im Zusammenhang mit der Geldauflage von der Angeklagten nicht vorherzusehen und auch nicht Gegenstand der Verständigung.

182. Auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht das Urteil des Landgerichts. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die Angeklagte nicht auf die Verständigung eingelassen hätte, wenn sie vor deren Zustandekommen darauf hingewiesen worden wäre, dass zur Genugtuung für das begangene Unrecht die Erteilung mehrerer Bewährungsauflagen gemäß § 56b StGB - insbesondere die von ihr abgelehnte Arbeitsauflage nach § 56b Abs. 2 Nr. 3 StGB - in Betracht kommt (vgl. u.a., NJW 2013, 1058, 1067, 1071; , BGHSt 59, 172, 176).

II.

19Die Aufhebung des Urteils in Bezug auf die Angeklagte entzieht zugleich dem Bewährungsbeschluss vom die Grundlage.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:090118B1STR368.17.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2018 S. 282 Nr. 9
PStR 2018 S. 105 Nr. 5
GAAAG-82232