BGH Beschluss v. - 2 StR 238/17

Revision in Strafsachen: Notwendige Urteilsausführungen zur Beweiswürdigung

Gesetze: § 261 StPO

Instanzenzug: LG Gießen Az: 501 Js 35721/16 - 2 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten A.      hat es wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie gefährlicher Körperverletzung auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten, gegen den ebenfalls nicht revidierenden Mitangeklagten F.    und gegen den Mitangeklagten Z.    jeweils wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung auf Freiheitsstrafen von vier Jahren und neun Monaten bzw. fünf Jahren und vier Monaten erkannt.

2Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

41. Die Mitangeklagten A.        , F.      und Z.     planten in Litauen, einen Raubüberfall in Deutschland zu verüben, um Schmuck und Uhren zu erbeuten. Zu diesem Zweck besorgten sie sich eine Spielzeugpistole, zwei Hämmer und drei Pfeffersprays. Der Mitangeklagte F.     kontaktierte den ihm bekannten Angeklagten und vereinbarte mit ihm, dass dieser für die Durchführung eines Überfalls - insbesondere für die Flucht - drei Fahrräder nach Deutschland transportieren sollte. Am fuhren A.     , F.     und Z.      gemeinsam nach F.             , der Angeklagte brachte mit einem Mietwagen drei Fahrräder nach Deutschland. Ein bis zwei Tage vor dem Überfall übergab F.     dem Angeklagten in F.          den in Litauen versprochenen Lohn für den Transport in Höhe von 500 Euro. Die Angeklagten entschlossen sich, einen Juwelier in B.         zu überfallen und kundschafteten am das Juweliergeschäft R.   aus. Nach näherer Absprache mit F.     stellte der Angeklagte die drei Fahrräder im Bereich des Kurparks - etwa 100 Meter vom Juweliergeschäft entfernt - ab. Dabei war ihm bewusst, dass die Mitangeklagten die Räder zur Flucht nach dem Raubüberfall verwenden wollten.

5Die Mitangeklagten A.      , F.      und Z.      verabredeten spätestens jetzt den genauen Tatablauf. Der Angeklagte wusste, dass die Mitangeklagten bei dem Überfall neben einer Spielzeugpistole auch Pfefferspray zumindest zur Drohung einsetzen wollten, womit er sich billigend abfand. Entsprechend dem gemeinsamen Tatplan begaben sich die Mitangeklagten am späten Vormittag des zum Juweliergeschäft. A.       betrat als erster das Geschäft, bedrohte den Zeugen Ö.     mit der Spielzeugpistole und sprühte ihm Pfefferspray in das Gesicht. Während er den zu Boden gegangenen Zeugen Ö.     trat und mit der Pistole in Schach hielt, schlugen F.    und Z.     mit ihren Hämmern die Vitrinen ein und erbeuteten 52 hochwertige Uhren im Wert von ca. 76.000 Euro. Als der Zeuge Ö.    versuchte, sich durch den Einsatz von Reizgas zu verteidigen, traten die Mitangeklagten den Rückzug aus dem Geschäft an. Sie flohen anschließend mit den bereitgestellten Fahrrädern. Auf der Flucht legten sie an einem zuvor bestimmten Platz am Teich des Kurparks die Rucksäcke mit der Tatbeute ab und fuhren mit dem Zug nach F.           . Dort trafen sie den Angeklagten und bestimmten ihn, am Abend die Beute aus B.        abzuholen. Nachdem ein erster Versuch des Angeklagten, die geraubten Uhren zu holen, gescheitert war, wurden die Rucksäcke mit der Beute von der Polizei aufgefunden; die Uhren gelangten dadurch an den Ladeninhaber zurück. Der Angeklagte und die Mitangeklagten wurden am nächsten Tag festgenommen.

62. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe in dem Wissen, dass die Mitangeklagten einen Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft unter Einsatz von Pfefferspray und unter Vorhalt einer Spielzeugpistole verüben wollten, die Fluchtfahrräder bereitgestellt.

II.

7Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht seine Überzeugung, der Einsatz des Pfeffersprays beim Überfall sei vom Vorsatz des Angeklagten umfasst gewesen, nicht tragfähig begründet hat.

81. Zwar muss das Revisionsgericht die Überzeugung des Tatgerichts vom Vorliegen eines Sachverhalts grundsätzlich hinnehmen. So ist es ihm verwehrt, seine eigene Überzeugung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Zu prüfen ist aber, ob die tatrichterliche Überzeugung in den Feststellungen und den sie tragenden Beweiserwägungen eine ausreichende Grundlage findet. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogenen Schlussfolgerungen nicht nur eine Vermutung darstellen (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 29/15, StV 2015, 740; , StV 2014, 610).

92. Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte wusste, dass die Mitangeklagten beim Überfall eine Spielzeugpistole und Pfefferspray zumindest zur Drohung einsetzen wollten, aus einer „Gesamtschau aller Umstände und Indizien“ hergeleitet. Dabei hat es indes im Einzelnen lediglich auf den auf eigene Kosten erfolgten Transport der Fahrräder nach Deutschland, die Übergabe des Transportlohns zwei Tage vor dem Überfall, das Bereitstellen der Fahrräder in der Nähe des im Navigationsgerät des Angeklagten gespeicherten Tatorts, den Auftrag zum Abholen der Beute und die gemeinsame Nutzung eines Hotelzimmers mit dem Mitangeklagten F.     abgestellt.

10Diese Umstände vermögen zwar zu belegen, dass der Angeklagte wusste, dass die Mitangeklagten einen Überfall auf das Juweliergeschäft planten, und er sie dabei durch das Bereitstellen der Fahrräder am Tatort unterstützen wollte. Sie tragen aber nicht die Annahme, der Angeklagte sei im Vorfeld über die näheren, zwischen den Tätern abgesprochenen Details des Überfalls - insbesondere die zum Einsatz zu bringenden Tatmittel - informiert worden.

113. Der dargelegte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs. Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben aber aufrechterhalten, da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).

Der Beschluss des 2. Strafsenats des wird wegen eines offenkundigen Widerspruchs zwischen Beschlusstenor und Gründen dahingehend berichtigt, dass der Beschlusstenor Ziffer 1, erster Absatz lautet: „Auf die Revision des Angeklagten P.       wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom , soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten“.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:230118B2STR238.17.1

Fundstelle(n):
OAAAG-81603