Online-Nachricht - Dienstag, 17.04.2018

Reiserecht | Wilder Streik befreit Airline nicht von Ausgleichsverpflichtung (EuGH)

Ein wilder Streik des Flugpersonals, der auf die überraschende Ankündigung einer Umstrukturierung folgt, stellt keinen "außergewöhnlichen Umstand" dar, der die Fluggesellschaft von ihrer Verpflichtung zur Leistung von Ausgleichszahlungen bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen befreit (, C-197/17 bis C 203/17, C-226/17, C-228/17, C-254/17, C-274/17, C-275/17, C-278/17 bis C-286/17 und C-290/17 bis C-292/17).

Sachverhalt: Ende September 2016 kündigte das Management der deutschen Fluggesellschaft TUIfly der Belegschaft überraschend Pläne zur Umstrukturierung des Unternehmens an. Daraufhin meldete sich ein Großteil des Flugpersonals nach einem von den Arbeitnehmern selbst verbreiteten Aufruf während etwa einer Woche krank. Zwischen dem und dem stieg die Quote krankheitsbedingter Abwesenheiten, auf bis zu 89 % des Cockpit-Personals und bis zu 62 % des Kabinenpersonals an. Am Abend des teilte das Management von TUIfly der Belegschaft mit, dass eine Einigung mit dem Betriebsrat erzielt worden sei.

Wegen dieses "wilden Streiks" wurden zahlreiche Flüge von TUIfly annulliert oder hatten eine Ankunftsverspätung von drei Stunden oder mehr. TUIfly ist der Ansicht, dass es sich um „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne der Fluggastrechteverordnung gehandelt habe und verweigert betroffenen Fluggästen daher die Auszahlung von Ausgleichszahlungen entsprechend der Verordnung.

Die Richter des EuGH teilen diese Auffassung nicht und führen u.a. weiter aus:

  • Die Verordnung sieht zwei kumulative Bedingungen für die Einstufung eines Vorkommnisses als „außergewöhnlicher Umstand“ vor: erstens, dass dieses Vorkommnis seiner Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft ist und zweitens von dieser nicht tatsächlich beherrschbar ist.

  • Beide Bedingungen sind nicht erfüllt:

  • Erstens gehören Umstrukturierungen zu den normalen betriebswirtschaftlichen Maßnahmen von Unternehmen. Somit sind die sich hieraus ergebenden Risiken der Konflikte mit den Mitarbeitern als Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der betreffenden Fluggesellschaft zu betrachten.

  • Zweitens kann nicht angenommen werden, dass der hier in Rede stehende „wilde Streik“ von TUIfly nicht tatsächlich beherrschbar war. Abgesehen davon, dass er auf eine Entscheidung von TUIfly zurückzuführen ist, endete er trotz der hohen Abwesenheitsquote nach einer Einigung zwischen TUIfly und dem Betriebsrat vom .

Quelle: EuGH, Pressemitteilung v. 17.04.2018 (il)

Fundstelle(n):
NWB AAAAG-80893