BAG Urteil v. - 3 AZR 252/17

Beitragsorientierte Leistungszusage - vorzeitiges Ausscheiden

Leitsatz

Die Tarifvertragsparteien dürfen nach § 19 Abs. 1 BetrAVG von den in § 2 BetrAVG geregelten Vorgaben zur Berechnung der Höhe einer gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft auch zulasten der Arbeitnehmer abweichen. Diese Befugnis erfasst auch die Übergangsregelung in § 30g Abs. 2 BetrAVG. In Tarifverträgen kann daher auch für vor dem erteilte beitragsorientierte Leistungszusagen eine Berechnung der Anwartschaft nach § 2 Abs. 5 BetrAVG angeordnet werden.

Gesetze: § 2 Abs 5 BetrAVG, § 19 Abs 1 BetrAVG, § 30g Abs 2 BetrAVG

Instanzenzug: Az: 5 Ca 7132/15 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 3 Sa 781/16 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Höhe der betrieblichen Erwerbsminderungsrente des Klägers.

2Die Beklagte ist der Bundesverband der Innungskrankenkassen und war bis Ende 2002 Beteiligte der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (im Folgenden VBL). Sie befindet sich zwischenzeitlich in Liquidation.

3Der im Januar 1957 geborene Kläger war bei der Beklagten ab dem auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 12. Juni/ beschäftigt. Dieser bestimmt in seinem § 2:

4Der am in Kraft getretene Tarifvertrag über die IKK-Betriebsrente (TV IKK-BR) vom (im Folgenden TV IKK-BR) lautet auszugsweise:

5Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist mit Ablauf des .

6Mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Rheinland vom wurde dem Kläger ab dem eine Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet bis zum bewilligt. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente wegen voller Erwerbsminderung waren danach ab dem erfüllt.

7Seit dem bezieht der Kläger von der Beklagten eine betriebliche Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem TV IKK-BR. Bei deren Berechnung wurden von der Beklagten die bis zum erworbenen Rentenbausteine iHv. 3.505,67 Euro berücksichtigt und daraus eine monatliche Rente iHv. 292,14 Euro (3.505,67 Euro/Jahr : 12 Monate/Jahr) brutto errechnet.

8Mit seiner Klage erstrebt der Kläger die Zahlung einer höheren betrieblichen Erwerbsminderungsrente. Er hat die Auffassung vertreten, bei deren Berechnung seien die bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres fehlenden garantierten Rentenbausteine nach § 12 Abs. 2 TV IKK-BR hinzuzurechnen. § 5 Abs. 1 TV IKK-BR stehe dem nicht entgegen. Dieser regele lediglich den Anspruch dem Grunde nach, während sich dessen Höhe nach § 12 Abs. 2 TV IKK-BR richte.

9Der Kläger hat beantragt

10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

11Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden arbeitsgerichtlichen Urteils. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

12Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht entsprochen. Der Klageantrag zu 1. ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei der Berechnung seiner betrieblichen Erwerbsminderungsrente nach § 12 Abs. 2 TV IKK-BR Rentenbausteine bis zur Vollendung seines 60. Lebensjahres hinzurechnet. Der Klageantrag zu 2. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

13I. Der Klageantrag zu 1. hat keinen Erfolg.

141. Der Antrag ist zulässig, bedarf jedoch der Auslegung.

15a) Wie das Vorbringen des Klägers zeigt, will er mit seinem Antrag festgestellt wissen, dass die Beklagte ihm eine Erwerbsminderungsrente zu gewähren hat, bei deren Berechnung sie zu den bis zum von ihm tatsächlich erworbenen Rentenbausteinen iHv. insgesamt 3.505,67 Euro nach § 12 Abs. 2 TV IKK-BR noch die (fiktiven) Rentenbausteine hinzurechnet, die er bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres im Januar 2017 noch hätte erreichen können. Diesem Begehren liegt die Annahme des Klägers zugrunde, dass sich trotz seines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vor dem Eintritt des Versorgungsfalls Invalidität die Erwerbsminderungsrente nach § 12 Abs. 2 TV IKK-BR bemisst.

16b) In dieser Auslegung ist der Antrag zulässig, insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO.

17Zwischen den Parteien ist lediglich streitig, ob sich die Höhe der dem Kläger zu zahlenden betrieblichen Erwerbsminderungsrente nach § 12 Abs. 2 TV IKK-BR berechnet. Die Klage richtet sich auf die Feststellung des Umfangs der Leistungspflicht der Beklagten und bezieht sich damit auf ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Mit der Klärung der Frage, ob bei der Berechnung der betrieblichen Erwerbsminderungsrente des Klägers nach § 12 Abs. 2 TV IKK-BR die Rentenbausteine bis zur Vollendung seines 60. Lebensjahres hinzuzurechnen sind, wird der Streit zwischen den Parteien insgesamt geklärt. Auch der Vorrang der Leistungsklage steht nicht entgegen. Die Feststellungsklage ermöglicht vorliegend eine sachgemäße und einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte, weshalb prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl.  - Rn. 17 mwN).

182. Der Klageantrag zu 1. ist nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, bei der Berechnung der betrieblichen Erwerbsminderungsrente des Klägers nach § 12 Abs. 2 TV IKK-BR zu den bis zum von ihm tatsächlich erworbenen Rentenbausteinen die bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres noch fehlenden garantierten Rentenbausteine hinzuzufügen. Die Berechnung der betrieblichen Erwerbsminderungsrente des Klägers richtet sich nach § 5 Abs. 1 TV IKK-BR iVm. § 2 Abs. 5 BetrAVG in der seit dem geltenden Fassung (im Folgenden BetrAVG).

19a) Das Versorgungsverhältnis des Klägers bestimmt sich aufgrund der Verweisung in § 2 des Arbeitsvertrags vom 12. Juni/ ua. nach diesem Tarifvertrag. Beim TV IKK-BR handelt es sich um einen den BAT/IKK ergänzenden Tarifvertrag. Hiervon gehen die Parteien des Rechtsstreits auch übereinstimmend aus.

20b) Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Gewährung einer betrieblichen Erwerbsminderungsrente. Er erfüllt die allgemeinen und die speziellen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen (voller) Erwerbsminderung nach § 2 Abs. 2 Buchst. c, Abs. 3 iVm. § 3 und § 4 TV IKK-BR.

21aa) Der Kläger erfüllt die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 2 und Abs. 3 TV IKK-BR.

22(1) Der Kläger hat die Zahlung der betrieblichen Erwerbsminderungsrente bei der Beklagten im Mai 2015 entsprechend § 3 Abs. 2 TV IKK-BR schriftlich beantragt.

23(2) Die Wartezeit nach § 3 Abs. 3 TV IKK-BR war jedenfalls am / und damit lange vor dem Eintritt der Erwerbsminderung beim Kläger erfüllt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger, der seit dem bei der Beklagten beschäftigt war, auch nach der Beendigung der Mitgliedschaft bei der VBL eine versorgungsfähige Dienstzeit von fünf Jahren zurückgelegt und die Beklagte hatte entsprechend lange Versorgungsbeiträge nach § 6 TV IKK-BR erbracht.

24bb) Die speziellen Leistungsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 3 TV IKK-BR sind jedenfalls seit dem erfüllt.

25Der im Januar 1957 geborene Kläger ist mit Ablauf des nach § 4 Abs. 3 TV IKK-BR vor Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren nach § 4 Abs. 1 TV IKK-BR aus seinem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden. Sein 65. Lebensjahr wird er erst im Januar 2022 vollenden. Zudem hat der Kläger durch Vorlage des Bescheids der Deutschen Rentenversicherung Rheinland iSv. § 4 Abs. 3 TV IKK-BR nachgewiesen, dass er seit dem befristet eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht und die Voraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente seit dem gegeben sind.

26c) Die betriebliche Erwerbsminderungsrente des Klägers richtet sich nach § 5 Abs. 1 TV IKK-BR iVm. § 2 Abs. 5 BetrAVG. Das ergibt die Auslegung des TV IKK-BR (vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen  - Rn. 24 mwN).

27aa) Danach steht ein Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis vor dem Eintritt eines Leistungsfalls iSv. § 5 Abs. 1 TV IKK-BR der Anwendung von § 12 TV IKK-BR entgegen.

28(1) Nach § 5 Abs. 1 TV IKK-BR richten sich die Ansprüche des (auch ehemaligen) Beschäftigten, wenn das Beschäftigungsverhältnis vor Eintritt eines Leistungsfalls endet, nach den Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) in der jeweils gültigen Fassung. Bereits der Wortlaut der Regelung zeigt, dass sich die Ansprüche im Falle des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis - dem Grunde und der Höhe nach - nach dem Betriebsrentengesetz in der jeweils gültigen Fassung bestimmen.

29Entgegen der Auffassung des Klägers und des Landesarbeitsgerichts ist der Wortlaut von § 12 Abs. 2 TV IKK-BR demgegenüber nicht entscheidend. Zwar werden vom Begriff des „Beschäftigten“ im TV IKK-BR grundsätzlich auch Betriebsrentner und damit auch ehemalige Arbeitnehmer, die vorzeitig und damit vor dem Eintritt eines Leistungsfalls aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, erfasst. Dies zeigt ua. die Verwendung dieses Begriffs in § 12 Abs. 2 TV IKK-BR und § 5 Abs. 1 TV IKK-BR. Beide Normen regeln Ansprüche für „Beschäftigte“ nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses. Eine gleichzeitige Anwendung beider Regelungen scheidet jedoch aus, denn die Höhe der Erwerbminderungsrente kann sich entweder nur nach § 5 Abs. 1 TV IKK-BR oder nach § 12 Abs. 2 TV IKK-BR richten.

30(2) Die Systematik sowie der Regelungszusammenhang des TV IKK-BR sprechen ebenfalls dafür, dass sich die Berechnung der Erwerbsminderungsrente vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer ausschließlich nach den Vorgaben des § 5 Abs. 1 TV IKK-BR bestimmt.

31(a) Schon der speziellere Regelungsgegenstand von § 5 Abs. 1 TV IKK-BR legt dies nahe. § 5 Abs. 1 TV IKK-BR erfasst ausschließlich die Gruppe der vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer. Damit enthält diese Norm spezifische Regelungen für eine vom betriebsrentenrechtlichen „Normalfall“ der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers bis zum Eintritt des Versorgungsfalls abweichende Situation.

32(b) Auch § 5 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 TV IKK-BR stützen diese Auslegung. Die dortigen Regelungen weichen zugunsten der vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer vom Betriebsrentengesetz ab. Sie ordnen eine Berücksichtigung der Beschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern an; dies ist im Betriebsrentengesetz grundsätzlich nicht vorgesehen. Hätten die Tarifvertragsparteien weitere Abweichungen zugunsten dieser Arbeitnehmergruppe vorsehen wollen, hätte es nahegelegen, dies im Rahmen des § 5 Abs. 1 TV IKK-BR zu regeln.

33(c) Bei einem gegenteiligen Verständnis bliebe für § 5 Abs. 1 TV IKK-BR zudem kein sinnvoller Anwendungsbereich.

34Würde man § 12 Abs. 2 TV IKK-BR auch für die Berechnung der Betriebsrente eines vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmers anwenden, gäbe es keinen vernünftigen Grund, die Betriebsrenten von vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern, die eine andere in § 2 Abs. 1 TV IKK-BR geregelte Rentenart begehren, nach § 5 Abs. 1 TV IKK-BR iVm. § 2 Abs. 5 BetrAVG zu berechnen und nicht nach den Vorgaben der §§ 8 ff. TV IKK-BR. Da nicht angenommen werden kann, dass Tarifvertragsparteien sinnentleerte Normen schaffen wollen ( - Rn. 15, BAGE 158, 360; - 6 AZR 800/11 - Rn. 23; - 6 AZR 341/06 - Rn. 28, BAGE 120, 361), sind die Anwendungsbereiche der beiden Tarifnormen dahingehend abzugrenzen, dass § 5 Abs. 1 TV IKK-BR die Renten der vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer nach Grund und Höhe regelt und die §§ 8 ff. TV IKK-BR die Renten der Arbeitnehmer, bei denen im laufenden Arbeitsverhältnis ein Leistungsfall eintritt und die unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis in den Ruhestand übertreten.

35(3) Gegen dieses Verständnis spricht - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht, dass allgemeine Verweise auf das Betriebsrentengesetz in Versorgungstarifverträgen üblich sind. Dies steht der Annahme, § 5 Abs. 1 TV IKK-BR stelle eine eigenständige konstitutive Regelung zur Berechnung der betrieblichen Renten vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedener Arbeitnehmer dar, nicht entgegen. Die Regelungen § 5 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 TV IKK-BR zeigen, dass die Tarifparteien die Situation dieser Personengruppe selbst ausgestalten wollten. § 5 Abs. 1 TV IKK-BR enthält daher eine spezielle Regelung für die vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer, die sich nicht nur auf die Unverfallbarkeit ihrer Anwartschaften, sondern auch auf die Berechnung ihrer Betriebsrenten bezieht.

36bb) Die betriebliche Erwerbsminderungsrente des Klägers berechnet sich aufgrund der Verweisung in § 5 Abs. 1 TV IKK-BR nach § 2 Abs. 5 BetrAVG, der wortwörtlich dem bis zum geltenden § 2 Abs. 5a BetrAVG (im Folgenden BetrAVG aF) entspricht.

37(1) Der Umfang der dem Kläger zustehenden betrieblichen Erwerbsminderungsrente richtet sich nach § 2 Abs. 5 BetrAVG. Der Gesetzgeber hat § 2 BetrAVG aF durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie vom (BGBl. I S. 2553) teilweise neu gefasst, ohne dass sich insoweit Änderungen zu der vorher geltenden Rechtslage ergeben sollten (vgl. BT-Drs. 18/6283 S. 13). Gemäß Art. 4 Satz 1 dieses Gesetzes ist die Neufassung insoweit am und damit während des laufenden Revisionsverfahrens in Kraft getreten. Mangels Übergangsvorschrift bestimmt sich der Anspruch des Klägers damit nach § 2 BetrAVG. Die Neufassung ist auch vom Revisionsgericht bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen (vgl.  - Rn. 18; - 1 AZR 267/85 - zu III 2 der Gründe, BAGE 54, 67).

38(2) Gemäß § 2 Abs. 5 BetrAVG tritt bei einer unverfallbaren Anwartschaft aus Entgeltumwandlung an die Stelle der Ansprüche nach Abs. 1, Abs. 3a oder Abs. 4 die vom Zeitpunkt der Zusage auf betriebliche Altersversorgung bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers erreichte Anwartschaft auf Leistungen aus den bis dahin umgewandelten Entgeltbestandteilen; dies gilt entsprechend für eine unverfallbare Anwartschaft aus Beiträgen im Rahmen einer beitragsorientierten Leistungszusage.

39(3) Der Kläger hat eine unverfallbare Anwartschaft aus Beiträgen im Rahmen einer beitragsorientierten Leistungszusage erworben.

40(a) Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG liegt eine beitragsorientierte Leistungszusage vor, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln.

41(b) Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der TV IKK-BR sieht vor, dass die von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Beiträge in eine Anwartschaft ua. auf Alters- und Invaliditätsversorgung umgewandelt werden. Nach §§ 8 ff. TV IKK-BR hat der Kläger bei Eintritt eines Versorgungsfalls Anspruch auf Auszahlung des sich auf seinem Versorgungskonto angesammelten Versorgungsguthabens (garantierte Rentenbausteine und Bonusrenten). Zum Zeitpunkt der Umwandlung steht aufgrund der Regelung in § 8 TV IKK-BR auch unmittelbar fest, welche Anwartschaft auf künftige Leistungen der Kläger durch die Umwandlung der Beiträge erwirbt (vgl. hierzu  - Rn. 34 ff., BAGE 156, 184). Die Regelungen des TV IKK-BR legen die Höhe der Anwartschaft, die die Arbeitnehmer jährlich erwerben können, verbindlich fest. Darüber hinaus sehen die § 2 Abs. 1 und § 20 Abs. 1 TV IKK-BR ausdrücklich vor, dass es sich bei der Versorgung nach dem TV IKK-BR um eine beitragsorientierte Leistungszusage nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG handelt.

42(4) Die Regelung des § 2 Abs. 5 BetrAVG ist auch im Streitfall anwendbar.

43(a) Die mit § 2 Abs. 5 BetrAVG wortlautidentische Vorgängerregelung des § 2 Abs. 5a BetrAVG aF wurde durch Art. 9 Nr. 7 Buchst. d des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz - AVmG) vom (BGBl. I S. 1310) erstmals mit Wirkung zum in das Betriebsrentengesetz eingefügt. Damit trug der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass bei beitragsorientierten Leistungszusagen die Anwendung von § 2 Abs. 1 BetrAVG zu Problemen führen kann, weil die vom Arbeitgeber bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers aufgebrachten Beiträge möglicherweise nicht zur Deckung des nach der ratierlichen Methode errechneten Teilanspruchs führen (vgl. Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs BetrAVG 6. Aufl. § 2 Rn. 456 und Rn. 469; ErfK/Steinmeyer 18. Aufl. BetrAVG § 2 Rn. 35).

44Da die Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft nach den Vorgaben des § 2 Abs. 5 BetrAVG für den Arbeitnehmer ungünstiger sein kann, hat der Gesetzgeber in § 30g Abs. 1 BetrAVG aF - seit dem § 30g Abs. 2 BetrAVG - eine Übergangsvorschrift vorgesehen. Nach § 30g Abs. 2 Satz 1 BetrAVG gilt § 2 Abs. 5 BetrAVG grundsätzlich nur für Anwartschaften, die auf Zusagen beruhen, die nach dem erteilt worden sind. Damit soll sichergestellt werden, dass die Beschränkung des „Unverfallbarkeitsbetrags“ bei vorzeitigem Ausscheiden grundsätzlich nicht auf „Altzusagen“ Anwendung findet (vgl. BT-Drs. 14/4595). Hiervon abweichend eröffnet § 30g Abs. 2 Satz 2 BetrAVG die Möglichkeit, dass die Regelung des § 2 Abs. 5 BetrAVG auch auf Anwartschaften angewendet wird, die auf Zusagen beruhen, die vor dem erteilt worden sind. Voraussetzung hierfür ist ein entsprechendes „Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“.

45(b) Es kann offenbleiben, ob die Übergangsvorschriften in § 30g Abs. 2 BetrAVG - abweichend vom Wortlaut - dahin auszulegen sind, dass es darauf ankommt, wann dem Arbeitnehmer erstmals eine „beitragsorientierte Zusage“ erteilt wurde. Dies hätte zur Folge, dass die Voraussetzungen von § 30g Abs. 2 Satz 1 BetrAVG auch erfüllt wären, wenn der Arbeitnehmer zwar bereits vor dem über eine Versorgungszusage verfügte, diese jedoch erst danach als beitragsorientierte ausgestaltet wurde. Denn die Tarifvertragsparteien sind berechtigt, die Anwendung von § 2 Abs. 5 BetrAVG bzw. § 2 Abs. 5a BetrAVG aF für die Berechnung der Rentenhöhe eines vorzeitig mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der Übergangsvorschrift § 30g Abs. 2 BetrAVG anzuordnen. Eine solche Regelung liegt hier mit § 5 Abs. 1 Satz 1 TV IKK-BR auch vor.

46(aa) Der Gesetzgeber hat den Tarifvertragsparteien in § 19 Abs. 1 BetrAVG (früher § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG) die Möglichkeit eingeräumt, von § 2 BetrAVG abzuweichen. Damit hat er ihnen zugleich die Befugnis eröffnet, insoweit auch von den Vorgaben des § 30g Abs. 2 BetrAVG abzuweichen. Die Tarifparteien können auch für sog. Altzusagen, mithin Versorgungszusagen, die vor dem erteilt wurden, die Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft abweichend vom Gesetz und damit von § 2 BetrAVG regeln. Soweit im Schrifttum angenommen wird, die Regelungen in §§ 26, 29 und 30 sowie §§ 30a bis 31 BetrAVG seien von der Änderungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nicht erfasst, weil diese Vorschriften im Zusammenhang mit den „tariffesten“ Vorschriften der §§ 11b6 sowie §§ 7 bis 15 BetrAVG stehen (vgl. Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs BetrAVG 6. Aufl. § 17 Rn. 180), greift dieses Argument vorliegend nicht. Die Regelung des § 30g Abs. 2 BetrAVG bezieht sich inhaltlich auf § 2 BetrAVG, der nach § 19 Abs. 1 BetrAVG ausdrücklich tarifdispositiv ist.

47(bb) § 5 Abs. 1 Satz 1 TV IKK-BR enthält auch eine zur Anwendung von § 2 Abs. 5 BetrAVG führende Regelung.

48Das gilt sowohl, wenn man die Verweisung in § 5 Abs. 1 Satz 1 TV IKK-BR auf das Betriebsrentengesetz „in der jeweils gültigen Fassung“ so versteht, dass - unabhängig von Übergangsregelungen - die jeweils aktuelle Fassung des Gesetzes, vorliegend mithin § 2 Abs. 5 BetrAVG, anzuwenden ist, als auch, wenn man lediglich auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages am abstellen würde. Mit dem TV IKK-BR haben die Tarifparteien mit Wirkung zum eine beitragsorientierte Leistungszusage nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG geschaffen. Die Berechnung der gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft aus einer beitragsbezogenen Leistungszusage war Ende des Jahres 2002 in § 2 Abs. 5a BetrAVG aF geregelt, der dem heutigen § 2 Abs. 5 BetrAVG entspricht.

49d) Die Beklagte hat die Betriebsrente des Klägers nach § 2 Abs. 5 BetrAVG richtig berechnet. Berechnungsfehler insoweit sind weder vorgebracht noch ersichtlich.

50II. Der Antrag zu 2. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen, der ausschließlich für den Fall des Erfolgs des Antrags zu 1. gestellt ist. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.

51III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:200218.U.3AZR252.17.0

Fundstelle(n):
BB 2018 S. 1139 Nr. 20
DB 2018 S. 7 Nr. 16
NJW 2018 S. 10 Nr. 24
EAAAG-80857