BAG Urteil v. - 9 AZR 152/17

Bewerbungsverfahrensanspruch - Schadensersatzanspruch des nicht berücksichtigten Bewerbers - Primärrechtsschutz gegen Abbruch eines Auswahlverfahrens

Leitsatz

Verlangt der nicht berücksichtigte Bewerber Schadensersatz wegen Abbruchs des Auswahlverfahrens, muss er zuvor die Fortführung des abgebrochenen Auswahlverfahrens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht haben, wenn ihm dies zumutbar und möglich war.

Gesetze: Art 33 Abs 2 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 839 Abs 3 BGB

Instanzenzug: ArbG Zwickau Az: 3 Ca 261/16 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 3 Sa 443/16 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen der Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs durch Abbruch des Auswahlverfahrens.

2Die Beklagte schrieb im August 2014 unter der Nr. 01/2014 die auf die Zeit vom bis zum befristete Stelle als „Sachgebietsleiter/in Bauverwaltung (m/w)“ mit 39 Wochenstunden und einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 10 TVöD aus. Das Anforderungsprofil für die Stelle sah ua. ein abgeschlossenes Ingenieurstudium bzw. die Qualifikation als Verwaltungswirt/in (FH) oder eine vergleichbare Ausbildung sowie einschlägige Berufserfahrung einschließlich umfassender Kenntnisse im Bereich des öffentlichen Baurechts bzw. der kommunalen Bauverwaltung vor.

3Neben dem Kläger, der die in der Ausschreibung genannten Anforderungen erfüllte, stellten sich nach einer Vorauswahl und Vorstellungsgesprächen noch drei weitere Bewerber am dem aus 16 Mitgliedern bestehenden Gemeinderat der Beklagten vor, der gemäß § 28 Abs. 4 der Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen (SächsGemO) im Einvernehmen mit dem Bürgermeister ua. über die Einstellung der Gemeindebediensteten entscheidet. Bei der Abstimmung des Gemeinderats erhielt die Bewerberin M neun, der Kläger sieben und die übrigen Bewerber keine Stimmen. Nach Herstellung des Einvernehmens mit dem Bürgermeister unterrichtete dieser am Folgetag die Bewerber über die getroffene Auswahlentscheidung. Der Kläger erklärte, die Entscheidung nicht zu akzeptieren.

4Am schrieb die Beklagte die Stelle als „Sachgebietsleiter/in Bauverwaltung (m/w)“ unter der Nr. 02/2014 neu aus. Im Unterschied zur vorherigen Ausschreibung wurde die Anforderung „einschlägige Berufserfahrung einschließlich umfassender Kenntnisse im Bereich des öffentlichen Baurechts/der kommunalen Bauverwaltung“ nicht mehr als Voraussetzung, sondern nur noch als „wünschenswert“ bezeichnet. Der Kläger bewarb sich auch auf diese Ausschreibung und forderte die Beklagte gleichzeitig erfolglos auf, das Stellenbesetzungsverfahren 01/2014 fortzusetzen.

5Das Arbeitsgericht Zwickau verurteilte die Beklagte am (- 9 Ca 146/15 -), das abgebrochene Stellenbesetzungsverfahren 01/2014 fortzuführen und über die Bewerbung des Klägers erneut zu entscheiden. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten wies das Sächsische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom (- 3 Sa 315/15 -) zurück.

6Innerhalb des Stellenbesetzungsverfahrens 01/2014 wurde der Kläger für den zu einem weiteren Gespräch in die Sitzung des Gemeinderats geladen. Der Kläger erklärte mit anwaltlichem Schreiben vom , der Einladung nicht zu folgen, und machte gegenüber der Beklagten dem Grunde nach Schadensersatz für die Monate Januar bis November 2015 in Höhe der ihm entgangenen Vergütung geltend. Am stimmte der Gemeinderat der Beklagten erneut über die Besetzung der Stelle ab. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger der einzige noch zur Wahl stehende Kandidat. Die zwölf anwesenden Mitglieder des Gemeinderats votierten einstimmig gegen die Besetzung der Stelle mit dem Kläger. Mit Schreiben vom informierte die Beklagte den Kläger unter Zurückweisung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche darüber, dass er der einzige noch zur Auswahl stehende Bewerber gewesen sei und der Gemeinderat am einstimmig beschlossen habe, die Stelle nicht mit ihm zu besetzen. Sie schrieb die Stelle unter dem erneut aus. Hierauf bewarb sich der Kläger nicht. Nach einer Entscheidung des Gemeinderats der Beklagten vom wurde am mit einem Bewerber ein Arbeitsvertrag für die Zeit ab dem geschlossen. Dieser nahm seine Tätigkeit auf.

7Mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger sein Schadensersatzbegehren weiterverfolgt. Er hat die Rechtsauffassung vertreten, er sei im Wege des Schadensersatzes vergütungsmäßig so zu stellen, als wäre ihm die Stelle als Sachgebietsleiter Bauverwaltung mit Wirkung zum übertragen worden. Die Beklagte hätte die Stelle mit ihm besetzen müssen. Spätestens als er am der einzig verbliebene Bewerber gewesen sei, habe sich das Auswahlermessen der Beklagten auf null reduziert. Mit der ablehnenden Entscheidung des Gemeinderats sei das Stellenbesetzungsverfahren endgültig abgeschlossen worden. Durch die Vereitelung seines Einstellungsanspruchs sei die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet. Ihm habe es nicht oblegen, gegen die erneut ablehnende Entscheidung rechtlich vorzugehen und in der weiteren Folge die endgültige Stellenbesetzung zu verhindern.

8Der Kläger hat zuletzt beantragt,

9Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, der Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers sei nicht verletzt. Der Kläger habe nicht verlangen können, dass die ausgeschriebene Stelle zu einem bestimmten Zeitpunkt besetzt werde. Bis zum sei keine Entscheidung über die Besetzung der Stelle getroffen worden. Einem Schadensersatzanspruch stehe weiterhin entgegen, dass der Kläger seiner Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen sei. Er hätte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die endgültige Besetzung der Stelle verhindern können und müssen.

10Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

11Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht nicht stattgegeben. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den geltend gemachten Schadensersatz.

12I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den zu 2. erhobenen Feststellungsantrag.

131. Dieser ist nach gebotener Auslegung hinreichend bestimmt.

14a) Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein ( - Rn. 16, BAGE 126, 26). Für das Verständnis eines Klageantrags ist nicht an dem buchstäblichen Wortlaut der Antragsfassung zu haften. Bei Zweifeln ist der Antrag auszulegen. Das Gericht hat den erklärten Willen zu erforschen, wie er aus der Klagebegründung, dem Prozessziel und der Interessenlage hervorgeht. Die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) sind für die Auslegung von Klageanträgen heranzuziehen. Das gilt auch im Revisionsverfahren ( - Rn. 11; - 9 AZR 70/07 - aaO mwN).

15b) Nach der danach gebotenen Auslegung genügt der Feststellungsantrag des Klägers den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche zukünftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus der unterlassenen Einstellung bei der Beklagten als „Sachgebietsleiter/in Bauverwaltung (m/w), Stellenbesetzungsverfahren 01/2014“ entstehen werden. Er möchte so gestellt werden, als wäre ihm die ausgeschriebene Stelle übertragen worden. Mit diesem Inhalt wäre der Antrag mangels vollstreckbaren Inhalts zu unbestimmt. Es wird nicht deutlich, in welchem Umfang der Kläger wie ein Sachgebietsleiter Bauverwaltung behandelt werden will. Der Antrag kann vom Senat konkretisierend dahin gehend ausgelegt werden, dass es ihm allein um die finanzielle Gleichstellung in der Vergütung geht. Zwar beschränkt sich sein Antrag nicht ausdrücklich hierauf. Der Kläger gibt in der Klagebegründung jedoch keine anderen Nachteile durch die unterbliebene Einstellung an, sondern verweist darauf, dass die Schadensersatzansprüche für die Zukunft (anders als die mit dem Leistungsantrag geltend gemachten Entgelt(differenz-)ansprüche) der Höhe nach „noch nicht absehbar“ seien. Mit dieser Auslegung, ihn ab dem vergütungsmäßig so zu stellen, als wäre er eingestellt worden, ist die Klage hinreichend bestimmt und als Feststellungsklage zulässig (vgl.  - Rn. 18, BAGE 126, 26).

162. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse, alsbald feststellen zu lassen, ob die Beklagte ihm gegenüber verpflichtet ist, Schadensersatz zu leisten. Die Schadensersatzverpflichtung einer Partei ist ein Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO ( - Rn. 26 mwN).

173. Der grundsätzlich geltende Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht entgegen.

18a) Der Vorrang dient dem Zweck, Rechtsstreitigkeiten prozesswirtschaftlich sinnvoll zu erledigen ( - Rn. 28). Deshalb ist eine Feststellungsklage zulässig, wenn mit ihr eine sachgerechte, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Überlegungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen ( - aaO; - 9 AZR 985/07 - Rn. 19, BAGE 129, 72).

19Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das der Vollstreckung nicht zugängliche Feststellungsurteil ist geeignet, den rechtlichen Konflikt der Parteien endgültig zu lösen und weitere Prozesse zu vermeiden. Zwischen den Parteien besteht lediglich Streit über den Grund der Schadensersatzverpflichtung, nicht über die Ausgestaltung der Leistungspflicht.

20b) Soweit der Kläger ein Feststellungsurteil hinsichtlich der zukünftig fällig werdenden Ansprüche auf Schadensersatz begehrt, gilt der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage vor der Feststellungsklage ohnehin nicht. Auf Klagen, die zukünftige Ansprüche zum Gegenstand haben, ist der Grundsatz nicht anwendbar ( - Rn. 30 mwN).

21II. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung kein Schadensersatzanspruch mit dem Inhalt zu, ihn finanziell so zu stellen, als wäre ihm die ausgeschriebene Stelle mit Wirkung zum übertragen worden.

221. Ein übergangener Bewerber kann Schadensersatz wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung verlangen, wenn ein Arbeitgeber, der bei seiner Auswahlentscheidung an die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist, eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten vergibt, die bei ordnungsgemäßer Auswahl ihm hätte übertragen werden müssen, und der Bewerber es nicht unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwehren (vgl.  2 C 6.11 - Rn. 9, BVerwGE 145, 185). Der Schadensersatzanspruch folgt - unabhängig vom Amtshaftungsanspruch (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG; vgl. hierzu  - zu 3 f der Gründe, BGHZ 129, 226) - aus § 280 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB iVm. Art. 33 Abs. 2 GG als Schutzgesetz (vgl.  - Rn. 68; - 9 AZR 70/07 - Rn. 27 ff., BAGE 126, 26).

232. Die Beklagte hat es nicht rechtswidrig unterlassen, eine Auswahlentscheidung bereits mit Wirkung zum zugunsten des Klägers zu treffen.

24a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, der Kläger habe nicht dargelegt, dass er zum Zeitpunkt der ersten Auswahlentscheidung des Gemeinderats der Beklagten am der am besten geeignete Bewerber war.

25aa) Dem zurückgewiesenen Bewerber stehen nur dann Schadensersatzansprüche zu, wenn ihm anstelle des Konkurrenten das Amt hätte übertragen werden müssen ( - Rn. 68; - 9 AZR 445/96 - zu I 3 b der Gründe, BAGE 87, 165). Hierfür muss festgestellt werden, dass ein hypothetischer Kausalverlauf bei rechtmäßigem Vorgehen des Arbeitgebers zu einer Entscheidung geführt hätte, die für die Schadensersatz begehrende Partei günstiger gewesen wäre ( - aaO; vgl. auch  2 C 37.04 - zu II 3 der Gründe, BVerwGE 124, 99). Der Bewerbungsverfahrensanspruch verlangt nicht, dass, abweichend von sonst geltenden haftungsrechtlichen Grundsätzen, ein Schadensersatzanspruch unabhängig von adäquater Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Schaden eingeräumt wird (vgl.  - Rn. 9). Das Verhalten des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren ist für den Schaden eines zurückgewiesenen Bewerbers nur ursächlich, wenn sich jede andere Besetzungsentscheidung des Arbeitgebers als rechtsfehlerhaft erwiesen hätte. Dies erfordert eine Reduktion des dem Arbeitgeber zustehenden Auswahlermessens auf null. Eine solche Reduktion ist nur anzunehmen, wenn der zurückgewiesene Bewerber nach den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien der bestqualifizierte Bewerber ist. Erst wenn die klagende Partei ihrer diesbezüglichen Darlegungslast genügt, obliegt es dem Arbeitgeber, dem Vortrag substanziiert entgegenzutreten. Dies gilt unabhängig davon, ob der Bewerber seinen Anspruch auf § 280 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB iVm. Art. 33 Abs. 2 GG stützt ( - aaO; vgl. auch  - Rn. 27 ff., BAGE 126, 26).

26bb) Aus dem Sachvortrag des Klägers und den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ergibt sich nicht, dass der Kläger unter den Kandidaten, die am zur Auswahl standen, der bestqualifizierte Bewerber war. Der Kläger hat lediglich ausgeführt, dass die ausgewählte Frau M nicht das Anforderungsprofil der Stelle erfüllt habe. Zu den beiden weiteren Bewerbern verhält sich sein Sachvortrag nicht.

27b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass die Beklagte zudem nicht verpflichtet gewesen sei, die Stelle bereits zum zu besetzen, hält einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.

28aa) Ob, in welcher Gestalt und zu welchem Zeitpunkt eine Stelle besetzt werden soll, entscheidet der Dienstherr in Ausübung seiner Organisationsgewalt nach seinen Bedürfnissen. Die Schaffung und Besetzung von Planstellen dient grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Sie erfolgt nicht in Wahrnehmung der Fürsorgepflicht des öffentlichen Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten (vgl.  2 C 27.15 - Rn. 34, BVerwGE 156, 272). Subjektive Rechte etwaiger Bewerber auf den Erlass einer solchen Entscheidung bestehen grundsätzlich nicht, sondern setzen sie voraus. Dies gilt auch für die vorgelagerte Frage, wann eine hierauf bezogene Auswahlentscheidung getroffen wird ( 2 C 27.15 - aaO).

29Aus der Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsgewalt des öffentlichen Arbeitgebers folgt, dass es ihm im Grundsatz obliegt, nicht nur darüber zu entscheiden, ob und wann er welche Statusämter vorhält, sondern - im Rahmen einer angemessenen Ausgestaltung des Auswahlverfahrens - auch, wann er diese endgültig besetzen will (vgl.  2 C 27.15 - Rn. 35 mwN, BVerwGE 156, 272). Die organisatorische Entscheidungshoheit des öffentlichen Arbeitgebers über die zeitliche Dimension der Stellenbesetzung wird somit - abgesehen von Missbrauchsfällen - nicht durch subjektive Rechtspositionen des Bewerbers eingeschränkt. Es gibt keinen Anspruch auf die vom Kläger erstrebte zügige Durchführung des Bewerbungsverfahrens oder auf eine Entscheidung über die Bewerbung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dies beruht darauf, dass bereits kein Anspruch auf Bereitstellung einer Stelle besteht (vgl.  2 C 27.15 - aaO).

30Die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens muss aber dem grundgesetzlich verbürgten Bewerbungsverfahrensanspruch Rechnung tragen und darf dessen Inanspruchnahme nicht vereiteln oder unangemessen erschweren ( 2 C 27.15 - Rn. 36, BVerwGE 156, 272; vgl. auch  2 A 3.13 - Rn. 18, BVerwGE 151, 14). Der Dienstherr darf seine Organisationsgewalt nicht gezielt und manipulativ einsetzen, um eine Auswahlentscheidung zugunsten oder zulasten einzelner Bewerber zu steuern ( 2 C 27.15 - aaO).

31bb) Anhaltspunkte für eine manipulativ-verzögernde Gestaltung des Auswahlverfahrens liegen hier nicht vor. Der Abbruch des Auswahlverfahrens durch die Neuausschreibung (Nr. 02/2014) vom war nach der Entscheidung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom (- 3 Sa 315/15 -) zwar rechtsunwirksam. Aus der damit verbundenen Verletzung von Art. 33 Abs. 2 GG kann der Kläger indes keinen Einstellungsanspruch zu einem bestimmten Zeitpunkt herleiten. Er hatte lediglich einen Anspruch auf Fortführung des ursprünglichen Auswahlverfahrens nach dessen Maßgaben. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte im November 2015 nachgekommen.

323. Ein Schadensersatzanspruch steht dem Kläger auch unter dem Gesichtspunkt nicht zu, dass ihm bei der Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens 01/2014 als zuletzt noch einzigem Bewerber der Posten als Sachgebietsleiter Bauverwaltung hätte übertragen werden müssen.

33a) Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die ein öffentlicher Arbeitgeber mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt. Der unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Verfassungsnorm dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Beamten und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst steht deshalb bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Daraus folgt angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren (st. Rspr., zB  - Rn. 16 mwN).

34b) Der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende Bewerbungsverfahrensanspruch setzt dem Grundsatz nach voraus, dass die begehrte Stelle noch nicht besetzt ist. Für eine Neubescheidung ist kein Raum, wenn die Stelle dem erfolgreichen Konkurrenten rechtswirksam auf Dauer übertragen worden und damit nicht mehr verfügbar ist ( - Rn. 28, BAGE 155, 29; - 9 AZR 554/09 - Rn. 35). Der unterlegene Bewerber hat regelmäßig keinen Anspruch auf „Wiederfreimachung“ oder Doppelbesetzung der Stelle ( - aaO; - 9 AZR 70/07 - Rn. 26, BAGE 126, 26). Nur wenn der öffentliche Arbeitgeber den effektiven Rechtsschutz des Bewerbers vereitelt, gilt eine Ausnahme. Dann ist es ihm entsprechend den Rechtsgedanken aus § 162 Abs. 2 BGB sowie aus §§ 135, 136 BGB verwehrt, dem übergangenen Bewerber die anderweitige Stellenbesetzung entgegenzuhalten ( - aaO mwN). Der Bewerbungsverfahrensanspruch kann auch dadurch erlöschen, dass das Stellenbesetzungsverfahren ohne Ergebnis, das heißt ohne Besetzung der Stelle, abgebrochen wird. Wie eine Übertragung der Stelle an einen Konkurrenten (vgl. zum Begriff der Besetzung des Amts  - Rn. 29, aaO) zieht auch ein Abbruch diese Rechtsfolge nur dann nach sich, wenn er rechtsbeständig ist (vgl.  - Rn. 22 f.;  2 C 6.11 - Rn. 11, BVerwGE 145, 185; vgl. auch  - Rn. 31, BAGE 155, 29).

35c) Der Abbruch kann aus der Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsgewalt des öffentlichen Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Danach hat der öffentliche Arbeitgeber darüber zu entscheiden, ob und wann er welche Statusämter zur Besetzung bereithält. Deshalb kann er das Verfahren abbrechen, weil er die Stelle, die dem erfolgreichen Bewerber übertragen werden sollte, nicht mehr besetzen will. Ebenso stellt es einen sachlichen, dem Organisationsermessen zugehörigen Grund für einen Abbruch dar, wenn der öffentliche Arbeitgeber sich entschlossen hat, die Stelle neu zuzuschneiden (vgl.  2 C 6.11 - Rn. 16, BVerwGE 145, 185).

36d) Im Übrigen bedarf der Abbruch eines Auswahlverfahrens eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG genügt ( - Rn. 6 f., BVerfGK 10, 355). Der öffentliche Arbeitgeber kann demnach das Auswahlverfahren zum Beispiel abbrechen, wenn es fehlerhaft ist und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann (vgl.  2 A 3.13 - Rn. 19, BVerwGE 151, 14; - 2 C 6.11 - Rn. 17, BVerwGE 145, 185). Genügt die Abbruchentscheidung diesen Vorgaben nicht, ist sie unwirksam und das in Gang gesetzte Auswahlverfahren nach dessen Maßgaben fortzuführen. Eine Neuausschreibung darf dann nicht erfolgen ( - Rn. 22;  2 A 3.13 - aaO).

37e) In formeller Hinsicht müssen die Bewerber von dem Abbruch rechtzeitig und in geeigneter Form Kenntnis erlangen. Der öffentliche Arbeitgeber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er das Stellenbesetzungsverfahren ohne Stellenbesetzung endgültig beenden will. Der für den Abbruch maßgebliche Grund muss, sofern er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich dokumentiert werden ( - Rn. 23 mwN;  2 C 6.11 - Rn. 19, BVerwGE 145, 185).

38f) Ein rechtswidriger Abbruch des Auswahlverfahrens verletzt den grundrechtsgleichen Bewerbungsverfahrensanspruch. Die Bewerber können daher bereits diese Maßnahme, obwohl sie nur vorbereitenden Charakter besitzt, einer gerichtlichen Kontrolle zuführen.

39aa) Effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gegen den unberechtigten Abbruch eines Auswahlverfahrens kann nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erlangt werden. Der Bewerber begehrt die zeitnahe Fortführung des begonnenen Auswahlverfahrens mit dem bestehenden Bewerberkreis. Dies kann selbst im Erfolgsfall durch eine Hauptsacheklage nicht erreicht werden. Der Verfügungsgrund für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935 ff. ZPO ergibt sich daher aus dem Inhalt des Rechtsschutzbegehrens, das auf eine sofortige Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers gerichtet ist und daher bereits aus strukturellen Gründen nur im Wege des Eilrechtsschutzes verwirklicht werden kann (vgl. für das verwaltungsgerichtliche Verfahren  2 A 3.13 - Rn. 22, BVerwGE 151, 14).

40bb) Das Erfordernis einer zeitnahen Klärung folgt auch aus dem Gebot der Rechtssicherheit. Sowohl der öffentliche Arbeitgeber als auch die Bewerber brauchen Klarheit darüber, in welchem Auswahlverfahren die Stelle vergeben wird. Der zeitliche Parallellauf mehrerer auf dieselbe Stelle bezogener Verfahren mit unterschiedlichen Bewerbern würde zu schwierigen Vergabe- und Rückabwicklungsproblemen führen. Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs muss daher geklärt sein, bevor in einem weiteren Auswahlverfahren eine Entscheidung getroffen und das Amt vergeben wird. Primärrechtsschutz ist mithin im Wege eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend zu machen (vgl.  2 A 3.13 - Rn. 23, BVerwGE 151, 14).

41cc) Stellt ein Bewerber nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, darf der Dienstherr nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf vertrauen, dass der Bewerber den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht angreift, sondern sein Begehren im Rahmen einer neuen Ausschreibung weiterverfolgt (vgl.  2 A 3.13 - Rn. 24, BVerwGE 151, 14). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Monatsfrist für das öffentliche Dienstrecht aus dem für Beamte generell geltenden Rechtsmittelsystem (vgl. § 126 Abs. 2 BBG, § 54 Abs. 2 BeamtStG, § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO) abgeleitet ( 2 A 3.13 - aaO). Sie folgt damit anderen Grundsätzen als die dem Dienstherrn bzw. dem öffentlichen Arbeitgeber vor der endgültigen Besetzung der begehrten Stelle mit einem Konkurrenten auferlegte Wartefrist, mit der die Gewährung effektiven Rechtsschutzes für die unterlegenen Bewerber erst ermöglicht werden soll (vgl.  - Rn. 18, BVerfGK 11, 398). Nach Ablauf der Monatsfrist ist die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Abbruchs des Auswahlverfahrens mit einer Hauptsacheklage überprüfen zu lassen, verwirkt ( 2 A 3.13 - aaO). Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erscheint es sachgerecht, die Monatsfrist in der Regel auch im Bereich des Arbeitsrechts anzuwenden. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass sich Arbeitnehmer und Beamte zeitgleich um dasselbe öffentliche Amt bewerben können. Die Annahme unterschiedlicher Handlungsobliegenheiten, um nach Rechtsschutz nachzusuchen, für die Bewerber um dasselbe öffentliche Amt stände dem Erfordernis entgegen, dass sowohl der öffentliche Arbeitgeber als auch die Bewerber Klarheit darüber brauchen, in welchem Auswahlverfahren die Stelle vergeben wird. Letztlich muss der Senat aber nicht entscheiden, ob die Monatsfrist auch für den Bereich des Arbeitsrechts stets ausreichend und angemessen ist, um eine zeitnahe Klärung darüber herbeizuführen, ob der Bewerber eine einstweilige Verfügung gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens beantragen will. Hat der Bewerber von der Möglichkeit, um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen, überhaupt keinen Gebrauch gemacht, ist er von anschließenden Schadensersatzansprüchen in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ( 2 C 6.11 - Rn. 12, BVerwGE 145, 185).

42g) Gemessen an diesen Grundsätzen kann der Kläger keinen Schadensersatz beanspruchen, weil ihm als zuletzt einzigem Bewerber der Posten als Sachgebietsleiter Bauverwaltung nicht übertragen worden ist. Der mit seiner Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle entstandene Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers ist durch Abbruch des Auswahlverfahrens 01/2014 erloschen. Der Kläger kann sich nicht auf die Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs berufen, weil er nicht mit Rechtsmitteln gegen den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens vorgegangen ist, obwohl ihm dies möglich und zumutbar war.

43aa) Die Beklagte hat das Auswahlverfahren dadurch abgebrochen, dass sie entschieden hat, die Stelle dem Kläger als einzig verbliebenem Bewerber nicht zu übertragen. In dem konkreten Stellenbesetzungsverfahren konnte damit - vorbehaltlich einer Inanspruchnahme von Rechtsmitteln durch den Kläger - eine Stellenbesetzung nicht mehr stattfinden. Es endete mithin ergebnislos. Für die weiterhin beabsichtigte Besetzung der Stelle hat die Beklagte sodann ein neues Auswahlverfahren eingeleitet. Diesbezüglich stand dem Kläger kein Bewerbungsverfahrensanspruch zu, weil er sich auf die Neuausschreibung nicht erneut beworben hat.

44bb) Der Senat muss nicht entscheiden, ob für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens 01/2014 die formellen (Unterrichtung und schriftliche Dokumentation) und materiellen (sachlicher Grund) Wirksamkeitsvoraussetzungen vorgelegen haben. Denn der Kläger hat den Abbruch des Verfahrens nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes angegriffen und kann sich deshalb in einem nachgelagerten Rechtsstreit über Sekundäransprüche auch nicht auf dessen Unwirksamkeit berufen. Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom über den Abbruch des Verfahrens informiert. Sie hat darauf hingewiesen, dass der Gemeinderat beschlossen habe, die Stelle nicht mit ihm als einzig verbliebenem Bewerber zu besetzen, das heißt ihn nicht einzustellen. Damit war auch für den Kläger eindeutig erkennbar, dass das Verfahren ohne Stellenbesetzung beendet und damit abgebrochen worden ist. Nach den oben dargestellten Grundsätzen hätte es nunmehr dem Kläger oblegen, gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens um einstweiligen Rechtsschutz (auf Fortführung des bisherigen Verfahrens) nachzusuchen. Dies hat er in vorwerfbarer Weise unterlassen. Die Obliegenheit, gegen den Abbruch durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorzugehen, ist spätestens aus der Entscheidung des - 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185) ablesbar. Die darin entwickelten Grundsätze können deshalb als Maßstab für die vom anwaltlich vertretenen Kläger zu beachtende Sorgfalt herangezogen werden. Der gerügte Abbruch des Auswahlverfahrens erfolgte zeitlich nach der oben genannten Entscheidung und deren Fortentwicklung (durch  2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14).

45cc) Der Kläger kann nicht mit Erfolg einwenden, es sei ihm unzumutbar gewesen, erneut gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens vorzugehen, nachdem er sich bereits zuvor schon einmal gegen den ersten Abbruch desselben Verfahrens gerichtlich zur Wehr setzen musste. Die Beklagte hat das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom (- 3 Sa 315/15 -) beachtet, indem sie das Stellenbesetzungsverfahren fortgesetzt und den Kläger neu beschieden hat. Der damit einhergehende Abbruch des Verfahrens erfolgte in einem völlig anderen Zusammenhang als der erste. Im Dezember 2014 brach die Beklagte das Verfahren durch Neuausschreibung der Stelle mit einem geänderten Anforderungsprofil ab. Bei der Entscheidung im November 2015, die Stelle nicht mit dem Kläger als einzig verbliebenem Bewerber zu besetzen, war die Situation - auch für den Kläger erkennbar - eine andere. Die letzten beiden Mitbewerber des Klägers hatten ihre Bewerbungen kurzfristig zurückgezogen, sodass dem Gemeinderat eine echte Auswahlentscheidung nicht mehr möglich war. Ferner hat der Kläger das gewünschte weitere Vorstellungsgespräch abgesagt. Er konnte somit nicht von vornherein ausschließen, dass der Gemeinderat den Abbruch des Verfahrens für erforderlich hielt, weil dieser ihn nicht mehr für persönlich geeignet erachtete, nachdem er der Einladung zum erneuten Vorstellungsgespräch nicht gefolgt war. Im Rahmen eines Rechtsstreits über die Fortsetzung des Auswahlverfahrens hätte geklärt werden können und müssen, worauf die Beklagte den Abbruch des Verfahrens tatsächlich gestützt hat und ob die formellen und materiellen Voraussetzungen hierfür vorgelegen haben, insbesondere ein sachlicher Grund für den Abbruch gegeben war. Denn der Anspruch auf Fortführung des Auswahlverfahrens nach Maßgabe der Entscheidung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom (- 3 Sa 315/15 -) hat dem Kläger zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch vermittelt, dass das Auswahlverfahren zu Ende geführt oder er gar ausgewählt wird (vgl.  - Rn. 27;  2 C 27.15 - Rn. 31, BVerwGE 156, 272).

46III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:121217.U.9AZR152.17.0

Fundstelle(n):
DB 2018 S. 6 Nr. 11
NJW 2018 S. 10 Nr. 15
NJW 2018 S. 1709 Nr. 23
ZIP 2018 S. 852 Nr. 17
JAAAG-77874