BFH Urteil v. - IX R 35/00

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, sind Eigentümer dreier Ferienwohnungen: Zwei befinden sich in einem von den Klägern im Jahre 1995 fertig gestellten Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung in X; die dritte Ferienwohnung haben die Kläger im Dezember des Streitjahres (1996) in Y erworben. Die Wohnungen in X wurden im Auftrag der Kläger von einem Vermittler zur Vermietung an Feriengäste angeboten; daneben waren auch die Kläger selbst zum Vermieten berechtigt und hatten dies lediglich dem Vermittler anzuzeigen. Der Vermittlungsvertrag enthält keine Regelungen hinsichtlich einer Selbstnutzung. Die Erdgeschosswohnung war im Jahre 1995 an 74 Tagen, im Streitjahr (1996) an 78 Tagen und im Jahre 1997 an 137 Tagen vermietet, die Obergeschosswohnung an 81 Tagen (1995), 59 Tagen (Streitjahr 1996) und 51 Tagen (1997). Die Ferienwohnung in Y ist in das Gästezimmerverzeichnis der Gemeinde eingetragen. Da die Kläger der ”Interessengemeinschaft Fremdenverkehr Y” beigetreten waren, vermittelte das Fremdenverkehrsbüro der Gemeinde ab 1997 kostenlos Mietinteressenten. Die Kläger als Vermieter waren gehalten, dem Fremdenverkehrsbüro die Zeiten zu melden, in denen die Ferienwohnung bereits belegt war oder für eine Vermietung nicht zur Verfügung stand. Die Kläger inserierten die Ferienwohnung in Y —ebenso wie die in X— außerdem in verschiedenen überregionalen Zeitungen und Zeitschriften.

In ihrer Einkommensteuererklärung des Streitjahres machten die Kläger aus der Vermietung der Ferienwohnungen in X einen —durch Gegenüberstellen der Einnahmen und der (gesamten) Aufwendungen ermittelten— Werbungskostenüberschuss von 18 439 DM geltend. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) ließ die von ihm gekürzten (der Vermietung nicht direkt zuordenbaren) Aufwendungen nur mit dem auf die Vermietungstage beider Wohnungen entfallenden Anteil (137/732) zum Abzug zu; hierdurch ergaben sich positive Einkünfte. Die im Zusammenhang mit der Vermietung der Ferienwohnung in Y im Streitjahr 1996 geltend gemachten Werbungskosten berücksichtigte das FA im Verlaufe eines gegen die Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geführten Einspruchsverfahrens —aufgrund der aus der Veranlagung des Jahres 1997 gewonnenen Erkenntnisse— nur mit einem der (geschätzten) durchschnittlichen Vermietungsdauer entsprechenden Anteil von 70/365.

Mit ihrer gegen die Werbungskostenkürzung gerichteten Klage machten die Kläger geltend, das FA habe eine realitätsfremde Selbstnutzung der Ferienwohnungen unterstellt, obwohl tatsächlich keine stattgefunden habe; außerdem sei für die Ferienwohnungen in X die degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) zu gewähren. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt: Die Kläger hätten sich nach den Gesamtumständen die Entscheidung über eine Selbstnutzung der Ferienwohnungen vorbehalten; deshalb seien ihnen grundsätzlich deren Leerstandszeiten zuzurechnen. Bei einem Gebäude mit mehreren Ferienwohnungen gelte dies jedoch nur für die Wohnung, bei der Anhaltspunkte für eine Selbstnutzung bestünden. Im entschiedenen Fall seien daher den Klägern bei dem Haus in X nur die Leerstandszeiten der Obergeschosswohnung und außerdem die Leerstandszeiten der Ferienwohnung in Y als Selbstnutzung zuzurechnen. Degressive AfA habe das FA zutreffend nicht gewährt, weil Ferienwohnungen nicht Wohnzwecken i.S. des § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr gültigen Fassung dienten. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1077 veröffentlicht.

Gegen die Vorentscheidung wenden sich die Kläger und das FA jeweils mit der Revision.

Die Kläger rügen mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht für das Gebäude in X die degressive AfA verweigert sowie die Leerstandszeiten der Obergeschosswohnung in X und der Ferienwohnung in Y der Selbstnutzung durch die Kläger zugerechnet.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 33 810 DM zu berücksichtigen und die Einkommensteuer des Streitjahres auf 6 640 DM festzusetzen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision der Kläger zurückzuweisen.

Das FA rügt mit seiner Revision ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht die auf die Erdgeschosswohnung des Hauses in X entfallenden Werbungskosten ohne Kürzung berücksichtigt. Auch bei dieser Wohnung sei eine Selbstnutzung durch die Kläger (die auch in einem unentgeltlichen Überlassen liegen könne) nicht ausgeschlossen. Im Übrigen reiche nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die tatsächliche Möglichkeit der Selbstnutzung aus.

Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision des FA zurückzuweisen.

II. Die Revisionen der Kläger und des FA sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zu Unrecht für das Gebäude in X die Gewährung der degressiven AfA abgelehnt. Im Übrigen reichen die bisherigen Feststellungen des FG nicht aus, um in der Revisionsinstanz abschließend über die zutreffende Zurechnung der Leerstandszeiten und damit die Aufteilung der Werbungskosten sowie —insbesondere— darüber zu entscheiden, ob die Kläger die Ferienwohnungen in X und Y mit Überschusserzielungsabsicht vermietet haben.

1. Bei der Ermittlung des Einkommens für die Einkommensteuer sind nur solche positiven oder negativen Einkünfte anzusetzen, die unter die Einkünfte des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG fallen. Kennzeichnend für diese Einkunftsarten ist, wie der Große Senat des (BFHE 141, 405, 435, BStBl II 1984, 751, 766 f., unter C. IV. 3. c aa (1)) ausgeführt hat, dass die ihnen zugrunde liegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen der Erzielung positiver Einkünfte dienen.

a) Bezogen auf die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung folgt hieraus, dass eine Vermietungstätigkeit nur dann dieser Einkunftsart zuzurechnen ist, wenn der Vermieter die Absicht hat, auf die Dauer der Vermögensnutzung einen Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erwirtschaften (z.B. , BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676, unter II. 2.); nichtsteuerbare Veräußerungsgewinne bleiben dabei unberücksichtigt (Beschluss in BFHE 141, 405, 435, BStBl II 1984, 751, 766 f., unter C. IV. 3. c aa (2)). Die Überschusserzielungsabsicht kann erst nachträglich einsetzen und auch wieder wegfallen (, BFHE 150, 325, BStBl II 1987, 774, m.w.N.).

b) Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass die Steuerpflichtigen beabsichtigen, letztlich einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, selbst wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771). Die Grundsätze des vorgenannten Urteils sind auch bei Ferienwohnungen anzuwenden, wenn diese von den Steuerpflichtigen ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten werden (z.B. , BFHE 193, 479, BStBl II 2001, 705, m.w.N.). Dies gilt —wie der Senat in seinem Urteil IX R 97/00 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden hat— unabhängig davon, ob die Steuerpflichtigen die Ferienwohnung in Eigenregie oder durch Einschalten eines Dritten vermieten. Aus dem Urteil ergibt sich auch, dass durch die Vermietung veranlasste kurzfristige Aufenthalte in der Ferienwohnung keine Selbstnutzung sind.

c) Dagegen ist nach dem Urteil IX R 97/00 bei teilweise selbstgenutzten und teilweise vermieteten Ferienwohnungen die Frage, ob die Steuerpflichtigen mit oder ohne Überschusserzielungsabsicht vermietet haben, anhand einer unter Heranziehung aller objektiv erkennbaren Umstände zu treffenden Prognose zu entscheiden. Im Rahmen dieser Prognose sind, wenn eine Selbstnutzung jederzeit möglich ist, die auf die Leerstandszeiten entfallenden Aufwendungen entsprechend dem zeitlichen Verhältnis der tatsächlichen Selbstnutzung zur tatsächlichen Vermietung aufzuteilen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Gründe des Urteils IX R 97/00.

2. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG können bei im Inland belegenen Gebäuden des Privatvermögens, die vom Steuerpflichtigen auf Grund eines vor dem gestellten Bauantrages hergestellt worden sind, abweichend von § 7 Abs. 4 EStG im Jahr der Fertigstellung und in den darauf folgenden Jahren AfA in degressiv gestaffelten Sätzen —beginnend mit 5 v.H.— in Anspruch genommen werden.

3. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Vorentscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Kläger die Ferienwohnungen auch (zu privaten Zwecken) tatsächlich selbst genutzt oder ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit zur Vermietung bereitgehalten haben. Trifft das Letztere zu, ist ohne weitere Prüfung von der Überschusserzielungsabsicht der Kläger auszugehen. Haben die Kläger die Ferienwohnungen dagegen teilweise selbst genutzt, muss das FG die Kosten aufteilen und durch eine unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats vorzunehmende Prognose feststellen, ob jeweils durch die Vermietungstätigkeit ein Totalüberschuss erzielt werden kann. Für die Beurteilung der Frage, ob die Ferienwohnung in Y im Streitjahr auch der Selbstnutzung durch die Kläger dienen sollte, sind dabei —wie schon vom FG bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt— die Verhältnisse der nachfolgenden Veranlagungszeiträume ausschlaggebend. Bei den Ferienwohnungen in X hat das FG zutreffend die Frage der Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer als ein im Rahmen der Gesamtwürdigung zu beachtendes Indiz angesehen.

Die von den Klägern mit 5 v.H. geltend gemachte degressive AfA ist gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG zu gewähren, wenn —wie von diesen vorgetragen— der Bauantrag für das Gebäude in X im Jahre 1994 gestellt worden ist. Die Nutzung eines Gebäudes zu Wohnzwecken setzt nur die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG (s. dazu , BFHE 191, 502, BStBl II 2001, 66, zu § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG i.d.F. des StRG 1990 ÄndG) voraus, deren degressive Staffelung mit 7 v.H. beginnt; diese haben die Kläger aber nicht beansprucht.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 765 Nr. 6
VAAAA-69039