Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Mutter ihrer 1974 geborenen Tochter T., die 1997 neben ihrem Studium als Aushilfskraft in einer Apotheke arbeitete. Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit betrugen insgesamt 14 558,75 DM. In diesem Betrag waren 560 DM enthalten, die T. im September 1997 aufgrund eines Buchungsfehlers des Arbeitgebers zu viel erhalten hatte. Der Betrag wurde ihr im Januar 1998 von ihrem Gehalt abgezogen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) setzte mit den Bescheiden vom und das Kindergeld für 1997 wegen Überschreitens des Jahresgrenzbetrages auf 0 DM fest und forderte das gezahlte Kindergeld in Höhe von 2 640 DM zurück. Der Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, dass der lediglich wegen eines Buchungsfehlers überzahlte Betrag von 560 DM ihrer Tochter nicht zugestanden habe und bei der Einkommensteuerveranlagung für 1997 auch nicht berücksichtigt worden sei, blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1999, 1236).
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§§ 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1, 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes —EStG—, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung —AO 1977—).
Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und ihr unter Abänderung der Bescheide über die geänderte Kindergeldfestsetzung und Kindergelderstattung vom und sowie der Einspruchsentscheidung vom Kindergeld in Höhe von 2 640 DM zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Der Beklagte war berechtigt, das 1997 an die Klägerin gezahlte Kindergeld zurückzufordern (§ 37 Abs. 2, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 175 Abs. 2 AO 1977; § 31 Satz 3, § 32 Abs. 4 Satz 2, § 70 Abs. 2, § 71 EStG).
1. Der Rückforderung stand die Bestandskraft der Kindergeldfestsetzung für das Jahr 1997 nicht entgegen. Stellt sich nach Ablauf eines Kalenderjahres heraus, dass die Einkünfte und Bezüge eines Kindes den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschreiten, so ist die Familienkasse berechtigt, die Festsetzung des Kindergeldes rückwirkend mit Wirkung zum Beginn dieses Jahres aufzuheben. Dabei kann offen bleiben, ob die Änderung in diesen Fällen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 allein oder in Verbindung mit § 175 Abs. 2 AO 1977 oder auf § 70 Abs. 2 EStG zu stützen ist (, BFHE 196, 270, BStBl II 2002, 86, und vom VIII R 76/01, zur Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2002, 1090).
2. Der Beklagte hat die Kindergeldfestsetzung auch zu Recht aufgehoben. Der Klägerin stand für das Kalenderjahr 1997 kein Kindergeldanspruch zu.
a) Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der für 1997 geltenden Fassung war ein über 18 Jahre altes Kind unter 27 Jahren, das für den Beruf ausgebildet wurde, nur zu berücksichtigen, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet waren, von nicht mehr als 12 000 DM hatte. Dieser Jahresgrenzbetrag war im Streitfall überschritten. Das gilt unabhängig davon, ob der überzahlte Betrag bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder bei den Bezügen der T. zu erfassen war.
aa) Gehörte der überzahlte Betrag nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit —die im Rahmen der Kindergeldfestsetzung selbständig und ohne Bindung an die Einkommensteuerveranlagung zu ermitteln sind (, BFHE 197, 387, BStBl II 2002, 296)— dann gehörte er jedenfalls zu den Bezügen. Unter Bezügen sind alle Einnahmen zu verstehen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfasst werden, also nicht steuerbare oder im Einzelnen für steuerfrei erklärte Einnahmen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Ausbildung des Kindes geeignet oder bestimmt sind (vgl. u.a. , BFHE 192, 485, BStBl II 2000, 684, und in BFH/NV 2002, 1090). Davon ist hier auszugehen. Der Betrag stand T. zu diesen Zwecken zur freien Verfügung. Sie musste ihn nicht sofort zurückzahlen, sondern nur eine Minderung ihrer Einnahmen im Januar des nächsten Jahres hinnehmen. Bei diesem Ergebnis kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darauf an, ob die Einnahmen durch das Arbeitsverhältnis oder durch einen Umstand veranlasst waren, der außerhalb dieses Verhältnisses lag und keinen hinreichenden Zusammenhang mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit begründete (zu den für die Zurechnung von Einnahmen zu einer Einkunftsart in Betracht kommenden Gesichtspunkten vgl. u.a. Crezelius und von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 8 Rdnr. B 23 f., und § 9 Rdnr. B 232 f.).
bb) Es sind alle Einkünfte und Bezüge zu erfassen, die dem Kind im Laufe eines Jahres zufließen. Zuflüsse und Abflüsse in anderen Jahren bleiben außer Betracht (, BFHE 197, 408, BStBl II 2002, 205; in BFH/NV 2002, 1090; vom VIII R 57/00, zur Veröffentlichung vorgesehen, juris). Einkünfte und Bezüge unterscheiden sich insoweit nicht. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Einkünfte nach dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln sind und deshalb dem Zuflussprinzip unterliegen (§§ 2 Abs. 2 Nr. 2, 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 EStG).
cc) Ein Zufluss liegt auch dann vor, wenn der Empfänger den Betrag später wieder zurückzahlen muss. Das Behaltendürfen ist kein Merkmal einer Einnahme. Diese bestimmt sich ausschließlich danach, ob sie zu einer —wenn auch nur vorübergehenden— Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen führt. Das entspricht bei den Überschusseinkünften ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. , BFH/NV 1998, 308, und vom IX R 69/98, BFHE 190, 442, BStBl II 2000, 197, unter 1. a der Gründe; Seiler in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 2. Aufl., § 11 Rz. 18, m.w.N.).
dd) § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG ist hier nicht anwendbar. Die Vorschrift setzt regelmäßig wiederkehrende Ausgaben voraus. Diese Voraussetzung ist hinsichtlich der Rückerstattung des überzahlten Betrages nicht erfüllt; die Verrechnung dieses Betrages mit den Gehaltszahlungen —wiederkehrenden Einnahmen i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG— ändert daran nichts.
ee) Die Rückerstattung des überzahlten Betrages ist auch kein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977. Zufluss und Abfluss von Einnahmen und Ausgaben können als tatsächliche Vorgänge nicht ungeschehen gemacht werden (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom VIII R 55/86, BFHE 166, 21, BStBl II 1992, 479, unter B. III. 4. b, bb, der Gründe, und vom GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C. II. 1. d, der Gründe).
ff) Geht man davon aus, dass der überzahlte Betrag zu den Bezügen gehört, kann die Klägerin sowohl den Werbungskostenpauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997 in Höhe von 2 000 DM als auch die Aufwandspauschale in Höhe von 360 DM jährlich geltend machen. Der danach zu berücksichtigende Gesamtbetrag der Einkünfte und Bezüge liegt jedoch auch in diesem Fall mit 12 198,75 DM noch über dem maßgeblichen Jahresgrenzbetrag.
b) Da die Kindergeldfestsetzung für 1997 danach zu Recht aufgehoben worden ist, konnte die Familienkasse das für dieses Jahr gezahlte Kindergeld nach § 37 Abs. 2 AO 1977 zurückfordern.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1430 Nr. 11
DStRE 2002 S. 1176 Nr. 19
IAAAA-68897