BFH Beschluss v. - VIII B 146/00

Gründe

Die Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. Im Streitfall richtet sich die Entscheidung über die Zulassung der Revision nach § 115 FGO a.F. und nicht nach den §§ 115, 116 FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757),

weil das Urteil des Finanzgerichts (FG) vor dem verkündet worden ist (vgl. Art. 4 2.FGOÄndG).

1. Mit der Rüge, das FG habe durch Nichterhebung angebotener Beweise —im Streitfall: Vernehmung der Zeugin I— seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) verletzt, macht der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zwar einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F. geltend. Den Anforderungen der Vorschrift genügt sein Vorbringen aber nicht, denn die Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Nichterhebung angebotener Beweise setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—(vgl. Senatsbeschluss vom VIII B 54/97, BFH/NV 1999, 802, m.w.N., und , BFH/NV 1997, 777, m.w.N.) voraus, dass der Beschwerdeführer darlegt:

a. die ermittlungsbedürftigen Tatsachen,

b. die angebotenen Beweismittel und die dazu angegebenen Be

weisthemen,

c. die genauen Fundstellen (Schriftsatz mit Datum und Seiten

zahl, Terminprotokolle), in denen die Beweisthemen angeführt

worden sind,

d. das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme und

e. inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-

rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweis-

aufnahme beruhen kann.

Da § 76 FGO eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung der Prozessbeteiligte —ausdrücklich oder durch Unterlassen der Rüge— verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der ZivilprozessordnungZPO—), muss außerdem vorgetragen werden, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb die Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom I B 19-21/94, BFH/NV 1995, 441; vom X B 124/94, BFH/NV 1995, 238; vom VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608).

Diesen an eine Nichtzulassungsbeschwerde zu stellenden Anforderungen wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht.

Das Übergehen eines Beweisantrages kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Beteiligte den Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht gerügt hat, obwohl dort zu erkennen war, dass das Gericht den Beweis nicht erheben werde (vgl. , BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 373). Dass der Kläger das Übergehen eines Beweisantrages gerügt hätte, ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom jedoch nicht. Der Kläger hätte daher vortragen müssen, in der mündlichen Verhandlung eine Protokollierung der Rüge verlangt, und —im Falle der Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen— eine Protokollberichtigung gemäß § 94 FGO i.V.m. den §§ 160 Abs. 4, 164 ZPO beantragt zu haben (vgl. , BFH/NV 2000, 582). Dazu fehlt jeglicher Vortrag.

2. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.) hat der Kläger ebenfalls nicht in der erforderlichen Weise dargelegt.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, deren Voraussetzungen in der Beschwerdeschrift darzulegen sind (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.). Die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, reicht nicht aus. Vielmehr muss der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen und überdies Ausführungen machen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom VII S 10/89, BFH/NV 1990, 585, 586; vom V B 162/98, BFH/NV 1999, 1497).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger will letztlich geklärt wissen, ob die nur zeitweise, d.h. die nur vorübergehende und nicht auf Dauer angelegte Unterbringung bei einer Pflegefamilie die Haushaltszugehörigkeit i.S. des § 63 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auflöst. Er legt dabei aber einen Sachverhalt zugrunde, auf dem das erstinstanzliche Urteil nicht beruht, denn das FG geht bei seiner Entscheidung nach Würdigung der Gesamtumstände ersichtlich davon aus, dass die Tochter des Klägers nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft von ihrem Vater getrennt gelebt hat und stattdessen bei der Pflegefamilie N untergebracht war. Die grundsätzliche Bedeutung der Sache kann aber nicht auf einen anderen als den vom FG zugrunde gelegten Sachverhalt gestützt werden. Erhebt der Kläger damit jedoch die Rüge, das FG sei aufgrund der Unterbringung der Tochter bei der Pflegefamilie zu Unrecht von einer dauernden Trennung vom Kläger ausgegangen, so macht er keinen Verfahrensfehler geltend, sondern fehlerhafte Beweiswürdigung und damit falsche materielle Rechtsanwendung, die nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 132/98, BFH/NV 1999,510; vom IV B 96/98, BFH/NV 2000,70).

3. Die Rüge der Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. ist ebenfalls nicht zulässig erhoben. Dazu hätte der Kläger darlegen müssen, dass

- das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist;

- im Urteil des FG dieselbe Rechtsfrage wie in der Divergenzentscheidung entschieden wurde;

- die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann;

- die abweichend beantwortete Rechtsfrage für beide Entscheidungen rechtserheblich war und

- die Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist.

Diese Voraussetzungen sind nicht ausreichend dargetan; es scheitert bereits an der ersten Voraussetzung, denn die vom Kläger gerügte Abweichung vom Urteil des Bundessozialgerichts (BSG)vom 10 Rkg 8/92 ( SozR 3 - 5870 § 2 Nr. 22 )ist nicht gegeben. Das FG ist bei seiner Entscheidung nach Würdigung der ihm bekannten Tatsachen davon ausgegangen, dass die Tochter des Klägers nach Aufnahme in die Pflegefamilie dort ihren alleinigen Lebensmittelpunkt hatte, und dass die Trennung vom Kläger nicht nur vorübergehender Natur war. Auch das BSG geht in seiner Entscheidung davon aus, dass keine Haushaltsaufnahme mehr besteht, wenn die Unterbringung außerhalb der Familienwohnung so gestaltet ist, dass kein ortsbezogener Mittelpunkt gemeinschaftlicher Lebensinteressen mehr besteht und in absehbarer Zeit nicht mehr hergestellt werden soll. Dabei stellt das BSG bei der Frage der Haushaltsaufnahme auf Merkmale örtlicher Art —Familienwohnung—, materieller Art —Vorsorge, Unterhalt- und immaterieller Art— Zuwendung von Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes— ab, und bejaht eine Haushaltsaufnahme nur bei Erfüllung aller drei Kriterien. Weshalb das FG angesichts dieser Kriterien mit seiner Auffassung, I sei nicht mehr in den Haushalt des Klägers aufgenommen gewesen, von der Rechtsauffassung des BSG abgewichen sein soll, ist nicht erkennbar.

Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

Fundstelle(n):
UAAAA-68815