BVerwG Beschluss v. - 1 WDS-VR 8/17

Konkurrentenstreit; vorläufiger Rechtsschutz; Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes

Gesetze: § 3 Abs 1 SG, § 3 Abs 2 WBO, § 123 VwGO, Art 3 Abs 1 GG

Tatbestand

1Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz in einem Konkurrentenstreit um die Besetzung eines nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Abteilungsleiter-Dienstpostens beim ....

2Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet (im derzeitigen Dienstgrad) voraussichtlich mit Ablauf des . Zuletzt wurde er am 27. August ... zum Oberfeldarzt befördert. Derzeit wird er als Facharzt für ... beim ... verwendet.

3Am entschied der Präsident des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr (im Folgenden: Bundesamt für das Personalmanagement), den nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten des Abteilungsleiters ... beim ... mit dem Beigeladenen zu besetzen. Der Beigeladene hatte die Aufgaben dieses Dienstpostens bereits seit Januar 2016 kommissarisch wahrgenommen. Der Antragsteller wurde am von seiner Personalführerin telefonisch darüber informiert, dass er nicht ausgewählt worden sei.

4Der Auswahlentscheidung des Präsidenten des Bundesamts für das Personalmanagement liegt ein Planungsbogen für das Auswahlverfahren zugrunde, der sich in eine Dienstpostenbeschreibung, eine mit einer Auswahlempfehlung schließenden Kandidatenvorstellung sowie ein Protokoll mit der Auflistung der Stellungnahmen der beteiligten Stellen und der abschließenden Entscheidung des Präsidenten gliedert. Beigefügt sind Personalbögen der beiden in die engere Wahl gezogenen Kandidaten, des Beigeladenen und des Antragstellers, die im Entscheidungszeitpunkt beide den Dienstgrad Oberfeldarzt innehatten.

5Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom legte der Antragsteller gegen die Auswahlentscheidung "Widerspruch" ein. Der an das Bundesamt für das Personalmanagement adressierte Rechtsbehelf ging dort am und - nach Weiterleitung - am beim Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - ein. Das Verfahren über diesen Rechtsbehelf ist bis zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren ausgesetzt.

6Mit weiterem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht ... vorläufigen Rechtsschutz gegen die Auswahlentscheidung vom beantragt. Mit Beschluss vom (Az.: VG ...) erklärte das Verwaltungsgericht ... den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Bundesverwaltungsgericht - Wehrdienstsenate -.

7Zur Begründung des vor dem Senat fortgesetzten Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes führt der Antragsteller insbesondere aus:

Die Auswahlentscheidung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG. Das Verfahren sei nicht transparent durchgeführt worden, sodass es insgesamt anfällig für Diskriminierungen sei. Der Beigeladene sei in der dienstlichen Beurteilung 2015 lediglich um 0,4 Punkte besser bewertet worden als er; es hätte daher weiterer Hilfskriterien für die Auswahl bedurft. Seine, des Antragstellers, Leistung hätte in der dienstlichen Beurteilung 2015 zudem bei den Einzelmerkmalen "Belastbarkeit" und "Fachkenntnis und praktisches Können" nicht mit "8", sondern mit "9" bewertet werden müssen. Bezweifelt werde ferner die hinreichende Aktualität der dienstlichen Beurteilungen aus dem Jahre 2015.

8Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin bis zur bestandskräftigen Entscheidung über seine Wehrbeschwerde vom im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Beigeladenen vom Dienstposten des Leitenden Arztes Abteilung ... am ... mit der Besoldungsgruppe A 16 BBesO zu entfernen, sowie die kommissarische Dienstpostenwahrnehmung vorläufig zu untersagen.

9Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

10Die Beschwerde sei als fristgerecht eingelegt zu werten. Die Beschwerdefrist habe zwar mit Ablauf des geendet; innerhalb dieser Frist sei die Beschwerde weder bei dem Disziplinarvorgesetzten noch beim Bundesministerium der Verteidigung eingegangen. Es sei jedoch von einer insgesamt pflichtwidrigen Verzögerung der Weiterleitung vom Bundesamt für das Personalmanagement an das Bundesministerium der Verteidigung auszugehen.

Die Beschwerde sei jedoch in der Sache unbegründet. Die Auswahlentscheidung sei nach dem Grundsatz der Bestenauslese erfolgt. Beide Kandidaten, der Antragsteller und der Beigeladene, hätten sämtliche zwingenden Kriterien des Anforderungsprofils mit einer Ausnahme (Vorverwendung im Bundesministerium der Verteidigung) erfüllt. Das Auswahlverfahren sei unter Verzicht auf dieses Kriterium fortgesetzt worden. Im Leistungsvergleich habe sich der Beigeladene durchgesetzt, weil er als deutlich leistungsstärker einzuschätzen gewesen sei. Nach den dienstlichen Beurteilungen zum Vorlagetermin seien beide Bewerber als Oberfeldarzt im obersten Wertungsbereich beurteilt worden, der Beigeladene mit einem Leistungswert von "8,80", der Antragsteller mit einem Leistungswert von "8,40".

11Der Beigeladene hatte Gelegenheit zur Äußerung, hat sich jedoch nicht zur Sache geäußert und keinen Antrag gestellt.

12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - Az.: ... und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Gründe

13Der Antrag hat keinen Erfolg.

141. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im Wehrbeschwerdeverfahren gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 123 VwGO grundsätzlich statthaft. In dem - hinsichtlich des Rechtswegs bindend (§ 17a Abs. 2 Satz 2 GVG) - verwiesenen Rechtsstreit ist das Bundesverwaltungsgericht das sachlich zuständige Gericht, weil dessen Entscheidung in der Hauptsache zu beantragen wäre (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO).

15Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzung, dass ein Beschwerdeführer die Entscheidung des Wehrdienstgerichts (erst dann) beantragen kann, wenn die für die Entscheidung im vorgerichtlichen Wehrbeschwerdeverfahren zuständige Stelle einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt hat (§ 3 Abs. 2 WBO), auch dann gilt, wenn - wie hier - der Rechtsstreit zunächst beim (allgemeinen) Verwaltungsgericht anhängig gemacht und von dort an das Wehrdienstgericht verwiesen wurde. Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat in seinem Erwiderungsschreiben vom ausdrücklich erklärt, dass eine Abhilfe nicht erfolgen werde. Dem Erfordernis, dass die nach § 3 Abs. 2 WBO zuständige Stelle vor einer gerichtlichen Entscheidung Gelegenheit gehabt haben soll, selbst eine einstweilige Maßnahme zu treffen, ist damit der Sache nach Rechnung getragen.

162. Für die begehrte einstweilige Anordnung ist ein Anordnungsgrund gegeben (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

17Zwar verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung - auch nach einer der Dotierung des Dienstpostens entsprechenden Beförderung oder Planstelleneinweisung - nicht dahin, dass der durch sie begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; der Beigeladene müsste es vielmehr hinnehmen, von dem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden wäre (vgl. z.B. 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 39 m.w.N.).

18Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WDS-VR 2.10 - Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 28 Rn. 20 f. und vom - 1 WDS-VR 5.11 - BVerwGE 141, 271 Rn. 29 f.) kann sich in Konkurrentenstreitigkeiten um die Besetzung eines Dienstpostens ein Anordnungsgrund jedoch daraus ergeben, dass ein rechtswidrig ausgewählter Bewerber auf dem Dienstposten einen Erfahrungsvorsprung erlangt, der im Fall des Obsiegens des Antragstellers in der Hauptsache bei einer erneuten Auswahlentscheidung zu berücksichtigen wäre; dabei geht es um den materiellen Erfahrungsvorsprung, der sich - unabhängig von bestimmten Beurteilungszeiträumen oder Beurteilungsstichtagen - in dem Leistungsbild des ausgewählten Bewerbers niederschlägt und den der rechtswidrig übergangene Bewerber nicht mehr ausgleichen kann. Ein insoweit beurteilungsrelevanter Erfahrungsvorsprung und damit ein Anordnungsgrund ist dann anzunehmen, wenn zwischen dem Dienstantritt des ausgewählten Bewerbers auf dem strittigen Dienstposten und der (noch zu treffenden) gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten liegt. Diese Voraussetzung liegt hier vor, weil der Beigeladene die Aufgaben des strittigen Dienstpostens bereits seit Januar 2016 kommissarisch wahrnimmt; unter dem Blickwinkel eines beurteilungsrelevanten Erfahrungsvorsprungs ist damit die Spanne von sechs Monaten überschritten.

193. Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

20Der Senat geht im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von der Einschätzung des Bundesministeriums der Verteidigung aus, dass die Beschwerde des Antragstellers gegen die Auswahlentscheidung des Präsidenten des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr (im Folgenden: Bundesamt für das Personalmanagement) als im Ergebnis rechtzeitig eingelegt zu werten sei, weil die Überschreitung der Beschwerdefrist (§ 6 Abs. 1 WBO) auf einer pflichtwidrigen Verzögerung der Weiterleitung vom Bundesamt für das Personalmanagement an das Bundesministerium der Verteidigung beruhe (vgl. zu Fragen der verspäteten Beschwerdeeinlegung in Konkurrenzverhältnissen 1 WB 61.13 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 91 Rn. 38 ff.).

21Der Antrag hat jedoch deshalb keinen Erfolg, weil die Entscheidung des Präsidenten des Bundesamts für das Personalmanagement vom , den nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten des Abteilungsleiters ... beim t dem Beigeladenen zu besetzen, bei summarischer Prüfung rechtmäßig ist.

22a) Nach der Rechtsprechung zu beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten um Beförderungsämter folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG ein Bewerbungsverfahrensanspruch, der Bewerbern um ein öffentliches Amt ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung - nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung - in die Bewerberauswahl gibt; die Bewerbung darf nur aus Gründen abgelehnt werden, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (vgl. 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <102>). § 3 Abs. 1 SG übernimmt die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG in das Dienstverhältnis der Soldaten und erstreckt sie über Ernennungen hinaus auf Verwendungsentscheidungen. Der Senat hat deshalb einen dem Beamtenrecht entsprechenden Bewerbungsverfahrensanspruch auch für soldatenrechtliche Konkurrenzverhältnisse anerkannt (vgl. z.B. 1 WB 60.11 - juris Rn. 40 m.w.N.). Allerdings beschränkt sich die Geltung des Grundsatzes der Bestenauslese im Bereich der Verwendungsentscheidungen auf Entscheidungen über - wie hier - höherwertige, die Beförderung in einen höheren Dienstgrad oder die Einweisung in die Planstelle einer höheren Besoldungsgruppe vorprägende Verwendungen (vgl. klarstellend 1 WB 1.13 - juris Rn. 32).

23Aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt ferner die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle durch den unterlegenen Bewerber und ggf. durch das Gericht zu ermöglichen (vgl. - BVerfGK 11, 398 <402 f.>). Dem folgend hat der Senat eine entsprechende Verpflichtung zur Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen auch für Entscheidungen angenommen, die ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige militärische Verwendung betreffen (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 50 und vom - 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 36). Zur Dokumentation verpflichtet ist dabei primär die Stelle, die für die zu treffende Auswahlentscheidung zuständig ist (vgl. 1 WB 36.09 - Rn. 27).

24b) Die Dokumentationspflicht ist erfüllt.

25Die der gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Auswahlerwägungen ergeben sich aus dem Planungsbogen für das Auswahlverfahren. Der dortige Bewerbervergleich schließt mit der zusammenfassenden Feststellung, dass der Beigeladene aufgrund der weitreichenden Qualifikation und der insgesamt breiteren wissenschaftlichen Expertise über ein deutlich höheres Befähigungsniveau sowie über einen kontinuierlich besseren Leistungswert verfüge, den der Antragsteller auch durch die höhere Entwicklungsprognose nicht auszugleichen vermöge (Nr. 2.3 a.E. des Planungsbogens). Die Auswahlempfehlung zugunsten des Beigeladenen (Nr. 2.4 des Planungsbogens) stützt sich auf dessen kontinuierlich herausragendes Befähigungs- und Leistungsbild, seine wissenschaftliche und fachliche Expertise im Fachgebiet ... sowie seine nachgewiesene Eignung für Führungsaufgaben. Mit der Unterzeichnung des Planungsbogens hat der Präsident des Bundesamts für das Personalmanagement diese Erwägungen zur Grundlage seiner Auswahlentscheidung gemacht.

26c) Die Auswahlentscheidung ist auch in der Sache nicht zu beanstanden.

27aa) Beide in die engere Wahl gezogenen Bewerber, der Antragsteller und der Beigeladene, erfüllen die Kriterien des der Auswahlentscheidung zugrundegelegten Anforderungsprofils des Dienstpostens.

28Zwar verfügen beide Bewerber nicht über die nach dem Planungsbogen ursprünglich als dienstpostenunabhängiges Kriterium geforderte Stabsoffizierverwendung im Bundesministerium der Verteidigung (oder eine vergleichbare Verwendung). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt es in dem Fall, dass - wie hier - kein betrachteter Bewerber alle Kriterien des Anforderungsprofils erfüllt, im Beurteilungsspielraum des Entscheidungsträgers, ob er das eingeleitete Auswahlverfahren abbricht oder unter Verzicht auf diese Anforderungen fortsetzt (vgl. 1 WB 26.15 - juris Rn. 40 m.w.N., auch zur gleichlautenden Rspr. des für das Beamtenrecht zuständigen 2. Revisionssenats). Dabei gebietet es der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dass ebenso wie die Anwendung auch der Verzicht auf die ursprünglichen Anforderungen gegenüber allen Bewerbern einheitlich und gleichmäßig gehandhabt wird (vgl. hierzu zuletzt 1 WB 41.16 - Rn. 45 ff.).

29Im vorliegenden Fall ist das Auswahlverfahren unter Verzicht auf das Kriterium der Vorverwendung auf Ministerialebene fortgesetzt worden. Der Verzicht erfolgte gleichmäßig für beide Bewerber, die im Übrigen sämtliche zwingenden (und nicht bloß erwünschten) dienstpostenbezogenen Voraussetzungen erfüllen.

30bb) Der Präsident des Bundesamts für das Personalmanagement durfte dem Beigeladenen aufgrund dessen besserer dienstlicher Beurteilung den Vorrang vor dem Antragsteller einräumen.

31(1) Werden - wie hier - mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht, so haben - in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeutung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 55 und vom - 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 Rn. 42; für das Beamtenrecht Urteil vom - 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <61>). Zur Ermittlung des Leistungsstands konkurrierender Bewerber ist dabei in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen abzustellen, weshalb der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt; zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität ist es darüber hinaus zulässig, in die Auswahlentscheidung auch frühere Beurteilungen bis zu den beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen. Sind danach mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann im Rahmen sachgerechter Erwägungen auch sonstigen sachlichen Gesichtspunkten ein (gegebenenfalls) entscheidendes Gewicht für die Auswahl beigemessen werden, sofern dadurch das Gebot der Auswahl nach Eignung, Befähigung und Leistung nicht in Frage gestellt wird (vgl. 1 WB 59.10 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 60 Rn. 31 m.w.N.).

32Nach der Rechtsprechung des Senats können beim Vergleich der dienstlichen Beurteilungen der Bewerber Leistungsbewertungen als "im Wesentlichen gleich" eingestuft werden, wenn sie im selben Wertungsbereich (§ 2 Abs. 5 und 6 SLV sowie Nr. 610 Buchst. b ZDv 20/6 bzw. nunmehr ZDv A-1340/50) liegen und sich der Unterschied der Bewertungen (Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung) in einem begrenzten Rahmen hält ( 1 WB 60.11 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 65 LS 1 und Rn. 49 ff.; im konkreten Fall bejaht für eine Differenz von 0,3 Punkten auf einer neunstufigen Skala). Bei "im Wesentlichen gleichen" Leistungsbewertungen ist es mit dem Grundsatz der Bestenauslese vereinbar, dem prognostischen Teil der dienstlichen Beurteilungen, insbesondere der Entwicklungsprognose des nächsthöheren Vorgesetzten (Nr. 102 Buchst. c und Nr. 910 ZDv 20/6 bzw. nunmehr ZDv A-1340/50), ausschlaggebendes Gewicht im Eignungsvergleich zuzumessen ( 1 WB 60.11 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 65 LS 2 und Rn. 57 ff.).

33(2) Nach diesen Maßstäben ist nicht zu beanstanden, dass der Präsident des Bundesamts für das Personalmanagement dem Beigeladenen aufgrund der Leistungsbewertungen (Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung) in den aktuellsten planmäßigen dienstlichen Beurteilungen zum Vorlagetermin ein besseres Leistungsbild als dem Antragsteller zugesprochen hat. Dabei kommt es nicht darauf an und bedarf deshalb vorliegend keiner Klärung, ob der Präsident den Durchschnittswert des Antragstellers von "8,40" als "im Wesentlichen gleich" mit dem Durchschnittswert des Beigeladenen von "8,80" hätte einstufen dürfen. Er war jedenfalls im Rahmen seines Beurteilungsspielraums befugt, der Differenz von 0,4 Punkten, die einer besseren Bewertung von jeweils einem Punkt bei vier der zehn Einzelmerkmale entspricht, wie geschehen als Leistungsvorsprung des Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller zu bewerten und damit die Auswahl des Beigeladenen nach dem Grundsatz der Bestenauslese zu begründen. Denn nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Auswahlentscheidung auch allein ausschlaggebend auf einen in der dienstlichen Beurteilung zum Ausdruck kommenden signifikanten Leistungsvorsprung gestützt werden ( 1 WB 21.10 - Rn. 51).

34Fehlt es danach bereits an der Voraussetzung, dass mehrere Bewerber als "im Wesentlichen gleich geeignet" eingestuft sind, so kommt es auch nicht darauf an, ob und welchen sonstigen sachlichen Gesichtspunkten - wie etwa der Entwicklungsprognose des nächsthöheren Vorgesetzten - Gewicht für die Auswahl hätte beigemessen werden können.

35(3) Auch aus den weiteren Einwänden des Antragstellers ergeben sich keine rechtlichen Bedenken gegen die Auswahlentscheidung vom .

36Soweit der Antragsteller die Fehlerhaftigkeit seiner dienstlichen Beurteilung vom , insbesondere hinsichtlich der Bewertung von zwei Einzelmerkmalen, rügt, hätte er dies fristgerecht mit der Wehrbeschwerde gegen die dienstliche Beurteilung geltend machen können und müssen. Der Inhalt der bestandskräftig gewordenen dienstlichen Beurteilung kann zur Entscheidungsgrundlage in Auswahlverfahren herangezogen werden und unterliegt im Konkurrentenstreit keiner inzidenten gerichtlichen Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit (vgl. zum Ganzen insb. 1 WB 36.09 - BVerwGE 136, 119).

37Zu Unrecht bezweifelt der Antragsteller auch die hinreichende Aktualität der herangezogenen dienstlichen Beurteilungen. Im Hinblick auf den vergleichsweise kurzen Zwei-Jahres-Rhythmus, in dem planmäßige dienstliche Beurteilungen für Soldaten zu erstellen sind, sind dienstliche Beurteilungen, die zum letzten regulären Vorlagetermin (Nr. 203 ZDv 20/6 bzw. ZDv A-1340/50) vor der Auswahlentscheidung erstellt wurden, als hinreichend aktuell anzusehen. Bei der Auswahlentscheidung vom konnten deshalb die jeweils zum Vorlagetermin erstellten planmäßigen dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen zugrunde gelegt werden.

384. Der Beigeladene, der keinen eigenen Sachantrag gestellt hat, trägt die ihm entstandenen Aufwendungen selbst.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2017:181217B1WDSVR8.17.0

Fundstelle(n):
HAAAG-70867