BFH Beschluss v. - VII B 193/01

Gründe

I. Das seiner Zeit zuständig gewesene Finanzministerium hat die im Jahre 1974 erfolgte Bestellung des Klägers und Beschwerdegegners (Kläger) als Steuerberater mit dem angefochtenen Bescheid vom wegen gesetzlich vermuteten Vermögensverfalls widerrufen; der Kläger war in 11 Fällen wegen Haftanordnung zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, der zwischenzeitlich ebenfalls geltend gemachte Widerrufsgrund des Nichtunterhaltens einer Berufshaftpflichtversicherung (§ 46 Abs. 2 Nr. 3 des SteuerberatungsgesetzesStBerG—) greife nicht durch, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung nachgewiesen habe, dass sein Haftpflichtversicherungsschutz nicht unterbrochen gewesen sei. Der vorübergehende, zwischenzeitlich beseitigte Prämienzahlungsverzug sei allein kein Grund für den Widerruf der Bestellung.

Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestellung nach § 46 Abs. 2 Nr. 5 StBerG (jetzt § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG i.d.F. des Art. 1 Nr. 42 des 7. Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater vom , BGBl I, 874) seien ebenfalls nicht erfüllt, weil nach Überzeugung des Gerichts keine Gefährdung von Mandanteninteressen vorliege. Indizien für die Nichtgefährdung von Mandanteninteressen seien das Stillhalten der Gläubiger (die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis hätten bisher in keinem Fall zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geführt) und das Ausbleiben von Beschwerden von Mandanten des Klägers hinsichtlich seiner Steuerberatertätigkeit und deren honorarmäßiger Abwicklung. Entscheidend für die vom FG gewonnene Überzeugung von der Nichtgefährdung von Auftraggeberinteressen sei aber, dass der Kläger nach der konkreten Gestaltung seiner Mandantengeschäfte keinen unmittelbaren Zugriff auf Mandantengelder oder auf Mandantenvermögen habe. Aus den Aussagen seiner als Zeugin vernommenen Kanzleimitarbeiterin ergebe sich, dass er hauptsächlich als Berater für Anlageobjekte tätig sei, deren Realisierbarkeit und Wirtschaftlichkeit er begutachte. Darüber hinaus erstelle er nur noch in wesentlich geringerem Umfang als früher Buchhaltungen, Steuererklärungen und Jahresabschlüsse aus dem Bereich des Einzelhandels. Honorarzahlungen und Beratungsvergütungen erhalte der Kläger erst nach Abwicklung der Aufträge. Vorauszahlungen erhalte er nicht. Ebenso verfüge er nicht über Honorareinzugsermächtigungen. Mandantengelder, die keine Honorarzahlungen darstellten, nehme der Kläger nicht ein. Vermögensberatung betreibe der Kläger nicht. Die sich demgegenüber aus der immensen Überschuldung ergebende Gefahr der Gefährdung von Mandanteninteressen, für deren Bestehen die Steuerberaterkammer als Indiz die Möglichkeit überhöhter Gebührenberechnungen annehme, reiche nicht aus, wenn der Kläger wie im Streitfall den Beweis der Nichtgefährdung von Auftraggeberinteressen erbringe.

II. Die gegen das Urteil gerichtete Beschwerde, mit der die jetzige Beklagte und Beschwerdeführerin (die Steuerberaterkammer) die Zulassung der Revision gegen das Urteil begehrt, ist, wenn nicht bereits unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlichen Weise dargelegt worden sind, so doch jedenfalls unbegründet, weil die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht gegeben ist.

1. Soweit die Steuerberaterkammer eine Abweichung der Vorentscheidung von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) darin sieht, dass das FG das Bestehen einer konsolidierungsähnlichen Lage hinsichtlich der Vermögensverhältnisse des Klägers als Indiz ansehe, das gegen eine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber spreche, obwohl der Kläger dies gar nicht vorgetragen und geltend gemacht habe, hat sie die behauptete Abweichung der Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) nicht ausreichend dargelegt. Dazu wäre es erforderlich gewesen, dem aus dem (BFH/NV 2001, 69) entnommenen Rechtssatz einen Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung so gegenüberzustellen, dass daraus die Abweichung ersichtlich wird. Das hat die Steuerberaterkammer in der Beschwerdebegründung nicht getan. Die Behauptung, das FG habe insoweit die Darlegungs- und Feststellungslast des Klägers nicht beachtet, reicht nicht aus, weil allein die Nichtbeachtung der Rechtsprechung des BFH den in § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO auch enthaltenen Zulassungsgrund der Divergenz zu einer Entscheidung des BFH (vgl. Beschluss vom IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837) nicht zu begründen vermag.

Gleiches gilt hinsichtlich des weiteren Vorwurfs der Steuerberaterkammer, das FG habe es unbeanstandet gelassen, dass der Kläger die bei Vermögensverfall typische Gefährdung der Interessen der Auftraggeber durch überhöhte Gebührenrechnungen nicht durch entsprechende Darlegungen und Nachweise entkräftet hat.

2. Aus den Ausführungen der Steuerberaterkammer, mit denen sie dem FG vorwirft, es habe allein aus dem Ausbleiben von Beschwerden darauf geschlossen, dass es keinen Grund zu Beschwerden über die Höhe der Gebührenrechnungen gebe, lässt sich der behauptete Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht entnehmen. Die Steuerberaterkammer hat es insoweit schon versäumt anzugeben, gegen welche Verfahrensvorschrift das FG verstoßen haben soll. Abgesehen davon lassen die Ausführungen aber auch nicht auf einen angeblichen Verfahrensfehler, sondern eher auf den Vorwurf einer unzutreffenden Beweiswürdigung schließen. Darin läge aber kein Verfahrens-, sondern ein materieller Fehler, der allein kein Zulassungsgrund ist.

3. Die nach Meinung der Steuerberaterkammer fehlende Auseinandersetzung mit dem Urteil des 4. Senats des (Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst 2001, 556) in der angegriffenen Entscheidung ist kein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Zwar kann eine höchstrichterliche Entscheidung zur Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sein, wenn von FG voneinander abweichende Ansichten vertreten werden. Zur Darlegung eines solchen Zulassungsgrundes ist es aber ebenfalls erforderlich, die sich widerstreitenden Rechtssätze aus den betreffenden Entscheidungen einander so gegenüberzustellen, dass sich daraus die Abweichung ergibt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 42). Daran fehlt es in der Beschwerdebegründung.

Sollte darüber hinaus nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO eine Zulassung der Revision auch dann in Betracht kommen, wenn das angefochtene Urteil lediglich im Entscheidungsergebnis von der Rechtsprechung anderer Gerichte abweicht (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 115 FGO Rz. 76, § 116 FGO Rz. 52 ff.), so kann dies jedenfalls nicht uneingeschränkt gelten. Vielmehr wäre auch unter diesem Gesichtspunkt die Darlegung zu verlangen, dass das angefochtene Urteil auf so schwerwiegenden Rechtsfehlern beruht, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung gefährdet würde, wenn es bestehen bliebe (vgl. BTDrucks 14/4061 S. 9; Rüsken, Rechtsbehelfe gegen willkürliche Gerichtsentscheidungen, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 2000, 815, 819 f.; auch schon Bundesgerichtshof —BGH—, Beschluss vom 1 StR 263/70, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1971, 389 zu der ähnlich lautenden Vorschrift des § 80 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über OrdnungswidrigkeitenOWiG—). Dazu führt die Beschwerde nichts aus.

4. Soweit es die Steuerberaterkammer als Verfahrensfehler rügt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), dass das FG keine Feststellungen zur Höhe der Steuerschulden getroffen hat, fehlt es an der genauen Bezeichnung eines Verfahrensfehlers. Falls die Steuerberaterkammer damit eine Verletzung der Pflicht des FG zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) rügen möchte, hätte sie darstellen müssen, dass und weswegen sich dem Gericht eine entsprechende Sachaufklärung auch ohne entsprechende Beweisanträge hätte aufdrängen müssen oder dass es gestellte diesbezügliche Beweisanträge übergangen hat. Dazu enthält die Beschwerde aber keine Aussagen.

5. Soweit die Steuerberaterkammer in Bezug auf den vom FG verneinten Widerrufsgrund einer unzureichenden Berufshaftpflichtversicherung eine unzutreffende Beweiswürdigung rügt, liegt darin kein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO. Es handelt sich dabei nicht um einen Verfahrensfehler, sondern gegebenenfalls um einen materiellen Fehler, der, wie bereits zuvor erwähnt, allein kein Zulassungsgrund ist. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass es sich um einen so schwerwiegenden Fehler handelt, dass er möglicherweise zu einer Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO führen könnte (vgl. oben unter Nr. 3).

Die von der Steuerberaterkammer in diesem Zusammenhang weiter gerügte Verletzung der Sachaufklärungspflicht ist nicht hinreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Steuerberaterkammer hätte wenigstens ausführen müssen, weshalb sich die vermisste Beweiserhebung durch Einholung einer Stellungnahme der Versicherungsgesellschaft dem FG auch ohne einen entsprechenden Antrag der fachkundig vertretenen Steuerberaterkammer hätte aufdrängen müssen.

6. Soweit die Steuerberaterkammer meint, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) hinsichtlich der von ihr im Zusammenhang mit den Auswirkungen einer Rückwärtsversicherung aufgeworfenen Fragen, fehlt es u.a. an Ausführungen dazu, dass die gestellten Rechtsfragen in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig wären. Tatsächlich wäre diese Voraussetzung nicht erfüllt, weil es auf diese Fragen in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht ankäme. Denn nach den in einem eventuellen Revisionsverfahren den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nachgewiesen, dass sein Haftpflichtversicherungsschutz nicht unterbrochen war. Die aufgeworfenen Fragen nach den Auswirkungen einer Rückwärtsversicherung würden sich deshalb in einem Revisionsverfahren ebenso nicht stellen, wie sie sich dem FG nicht gestellt haben.

7. In Bezug auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Nichtgefährdung der Interessen der Auftraggeber angenommen werden kann und ob hierzu insbesondere eine Konsolidierung der desolaten Vermögenslage des Steuerberaters erforderlich ist, hat die Steuerberaterkammer die grundsätzliche Bedeutung der Frage (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht hinreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Voraussetzungen, unter denen einer Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommt, haben sich durch die Neugestaltung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Art. 1 Nr. 13 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom (BGBl I 2000, 1757) nicht geändert (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 23). Eine Rechtsfrage hat nach der insoweit einhelligen Rechtsprechung (vgl. nur , BFHE 184, 118, BStBl II 1998, 56) grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts liegt. Dass dies bei der aufgeworfenen Frage der Fall ist, hat die Steuerberaterkammer nicht, wie es nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich gewesen wäre, dargelegt. Der bloße Hinweis darauf, dass die Fragen bisher nicht höchstrichterlich geklärt seien, reicht insoweit nicht aus.

Aber auch wenn die Bedenken gegen die ausreichende Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage insoweit zurückgestellt würden, hätte sie nicht die von der Steuerberaterkammer behauptete Bedeutung. Denn der Senat hat bereits ausgeführt, dass die gesetzlich bestehende Vermutung für einen Vermögensverfall erst dann beseitigt ist, wenn der Schuldner mit den Gläubigern der titulierten Forderungen Vereinbarungen getroffen hat, die erwarten lassen, dass es zu keinen Vollstreckungsmaßnahmen mehr kommen wird (Senatsurteil vom VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2000, 741). In diesem Urteil hat er aber trotz eines nicht beseitigten Vermögensverfalls —wie vom FG richtig erkannt— den Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dadurch Interessen der Auftraggeber des Steuerberaters nicht gefährdet werden (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2001, 69). Die vom FG vorgenommene Würdigung der vom Kläger insoweit erbrachten Beweise ist möglich. Die zukünftig etwa abstrakt bestehende Möglichkeit, dass der Druck der Überschuldung zu Unregelmäßigkeiten des Steuerberaters führen kann, reicht alleine nicht aus, falls sich aus der Geschäftsführung des Steuerberaters in der Vergangenheit (z.B. verspätete Abgabe von Steuererklärungen in eigenen Angelegenheiten, Nichtabführung vereinnahmter Steuern, vgl. dazu , BFH/NV 2000, 1141; in HFR 2000, 741, und in BFH/NV 2001, 69) keine konkreten Anhaltspunkte für solche Unregelmäßigkeiten auch in der Zukunft ergeben oder auf Grund der Art der Schulden (z.B. hohe Steuerschulden, vgl. dazu Senatsbeschluss vom VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992) nicht auszuschließen ist, dass der Steuerberater die Interessen seiner Auftraggeber gegenüber den Finanzbehörden nicht unabhängig vertreten kann.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 818 Nr. 6
LAAAA-68669