BFH Beschluss v. - VII B 109/01

Gründe

Mit Schreiben vom…1998 ersuchte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) das zuständige Amtsgericht um Anordnung der Haft gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, nachdem der Kläger zum festgesetzten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ohne Angabe von Gründen nicht erschienen und die entsprechende Aufforderung des FA in Bestandskraft erwachsen war. Der sodann erlassene Haftbefehl wurde dem Gerichtsvollzieher zum Vollzug übersandt. Nach erfolglosem Einspruch gegen die Vollziehung des Haftbefehls blieb auch die Klage des Klägers vor dem Finanzgericht (FG), mit der er die Aufhebung der Einspruchsentscheidung sowie die Verurteilung des FA, erneut über das Ersuchen um Haftanordnung unter Berücksichtigung der vom Gericht dargelegten Rechtsauffassung zu entscheiden, begehrte, erfolglos.

Das FG hielt das Ersuchen um Anordnung der Erzwingungshaft für rechtmäßig, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen des § 284 Abs. 8 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) erfüllt seien; die zugrunde liegende Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sei weder nichtig noch anfechtbar. Das Ersuchen um Haftanordnung sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Stichhaltige Gründe für die Verweigerung der Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und für die Abgabe der Versicherung lägen nicht vor. Das FA habe die Vollstreckung auch in der vorliegenden Form fortführen dürfen, weil der Kläger eine früher getroffene Verabredung über eine Tilgung in Ratenzahlungen nicht eingehalten habe und die bisher geleisteten Zahlungen und die ihm angefallene Erbschaft seines Vaters zumindest Zweifel an der behaupteten Leistungsunfähigkeit aufkommen ließen. Auf den Vorschlag des Klägers, eine eidesstattliche Versicherung nach § 95 AO 1977 abzugeben, habe sich das FA nicht einlassen müssen. Auch die vom Kläger geltend gemachten wirtschaftlich und beruflich nachteiligen Folgen einer Eintragung in das Schuldnerverzeichnis führten zu keiner Einschränkung des Ermessens der Behörde.

Seine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt der Kläger auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Divergenz.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Soweit sich der Kläger auf Divergenz als Unterfall der Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der FinanzgerichtsordnungFGO—) beruft und dabei eine Abweichung des angefochtenen Urteils von Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) geltend macht, ist die Beschwerde unzulässig, denn der Kläger hat eine Divergenz nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf Divergenz des angefochtenen Urteils zu einer Entscheidung des BFH gestützt, muss unter genauer Bezeichnung der Divergenzentscheidung kenntlich gemacht werden, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegt. Der Kläger muss dartun, dass das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des BFH nicht übereinstimmt. Hierzu müssen in der Beschwerdebegründung abstrakte Rechtssätze des angefochtenen Urteils und der mutmaßlichen Divergenzentscheidung(en) herausgearbeitet und gegenübergestellt werden, so dass eine Abweichung erkennbar wird. Es muss sich jeweils um die Entscheidung tragende Rechtssätze handeln. Die Anforderungen an die Darlegung der Divergenz gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. (vgl. z.B. die BFH-Beschlüsse vom VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, 672, und vom II B 179/93, BFH/NV 1995, 695, jeweils m.w.N.) können insoweit unverändert in das seit geltende Revisionszulassungsrecht übernommen werden.

Die vom Kläger bezeichneten Rechtssätze des FG lassen eine Abweichung von Rechtssätzen, die der BFH aufgestellt hat, nicht erkennen.

a) Der vom BFH in seinem Urteil vom VII R 34/90 (BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57) aufgestellte Rechtssatz, wonach der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Anordnung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verbietet, wenn die Vollstreckungsbehörde die Vermögensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners bereits zuverlässig kennt, wird vom FG in keiner Weise in Frage gestellt. Das FG hat diesen Rechtssatz lediglich auf die tatsächlichen Verhältnisse des Streitfalls zur Anwendung gebracht und dabei die Aussage getroffen, dass —auf Grund bestimmter Umstände (der Kläger hatte Ratenzahlungen erbracht, diese in der Folge aber eingestellt; ferner war ihm eine erhebliche Erbschaft angefallen, ohne dass er daraus Tilgungsleistungen erbracht hätte)— von einer zuverlässigen Kenntnis der Behörde im Streitfall nicht ausgegangen werden könne. Welche weiteren Folgerungen der Kläger hieraus ziehen möchte, ist für die Frage der Divergenz unerheblich.

b) Die behauptete Abweichung vom ist schon deshalb nicht schlüssig dargelegt, weil mangels Angabe des Aktenzeichens die vom Kläger in Anspruch genommene Divergenzentscheidung nicht eindeutig identifiziert werden kann. Im Übrigen lässt das angefochtene Urteil keine Abweichung zu dem vom Kläger aus dem BFH-Urteil zitierten Rechtssatz, Vollstreckungsschuldner, die bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wirtschaftlich oder beruflich nachteilige Konsequenzen zu befürchten hätten, dürften gegenüber den anderen Vollstreckungsschuldnern nicht privilegiert werden, erkennen. Das FG hat hierzu gerade ausgeführt, die vom Kläger geltend gemachten beruflichen Nachteile einer Eintragung in das Schuldnerverzeichnis schränkten das Ermessen der Behörde, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 AO 1977 zu verlangen, nicht ein.

2. Soweit die Beschwerde auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt wird (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), kann der Senat offen lassen, ob der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen hinreichend i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt hat, denn allen aufgeworfenen Fragen kommt eine grundsätzliche Bedeutung jedenfalls nicht zu.

a) Die aufgeworfene Frage, ob auch das ”Kennen können” der Vollstreckungsbehörde (nämlich hinsichtlich der Vermögensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners), was der Kläger mit einem freiwillig angebotenen Vermögensverzeichnis nach § 95 AO 1977 herbeiführen wollte, das vom FA aber abgelehnt wurde, die Aufforderung nach § 284 AO 1977 unverhältnismäßig macht, ist nicht klärungsbedürftig, weil der Senat in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertritt, dass sich die Vollstreckungsbehörde nicht mit einem freiwillig angebotenen und beeideten Vermögensverzeichnis nach § 95 AO 1977 begnügen muss (BFH in BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57; vgl. ferner die Hinweise bei Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 284 AO 1977 Rz. 12 mit Fn. 6, und zuletzt —dort noch nicht berücksichtigt— die Senatsbeschlüsse vom VII B 188/98, BFH/NV 1999, 737, und vom VII B 307/98, BFH/NV 1999, 1302).

b) Die Rechtsfrage, ob den nach § 284 AO 1977 in Anspruch genommenen Vollstreckungsschuldner eine Aufklärungspflicht gegenüber der Finanzbehörde trifft, wenn ihm eine Erbschaft angefallen ist, ist für die Entscheidung des Streitfalls völlig unerheblich und daher in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Das FG hat den Gesichtspunkt des Erbschaftsanfalls allein dazu verwendet, dass das FA, das von Amts wegen davon erfahren hatte, nunmehr Zweifel an der vom Kläger behaupteten Leistungsunfähigkeit haben durfte und das Verlangen nach § 284 AO 1977 dem FA damit nicht von vornherein zwecklos erscheinen musste. Aus dem ”Verschweigen” des Klägers hat das FG somit keine diesem nachteilige Folgerungen gezogen.

c) Die ferner vom Kläger aufgeworfene Frage, ob sich die Vollstreckungsbehörde nicht wenigstens dann, wenn der Vollstreckungsschuldner wegen der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis erhebliche berufliche Nachteile zu befürchten hat, mit einer freiwillig nach § 95 AO 1977 angebotenen eidesstattlichen Versicherung begnügen muss, ist nicht klärungsbedürftig, weil sie in der Rechtsprechung des BFH bereits in verneinendem Sinne geklärt ist (vgl. , BFH/NV 1993, 342, und vom VII R 96/91, BFH/NV 1993, 220).

d) Sollte das FG, wie der Kläger vorträgt, der Auffassung gewesen sein, dass allein die nach § 284 AO 1977 abgegebene eidesstattliche Versicherung strafbewehrt sei, so wäre diese Auffassung zwar falsch, hätte aber keinen Einfluss auf die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, denn richtigerweise wollte das FG mit diesem Argument ausführen, dass die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 AO 1977 nicht nur wegen ihrer Strafbewehrtheit, sondern gerade wegen der damit verbundenen Folge der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (vgl. BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57) den notwendigen psychologischen Druck auf den Vollstreckungsschuldner ausübt und damit das FA eher in die Lage versetzt, zuverlässig Kenntnis über die Vermögensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners zu erlangen, als eine nach § 95 AO 1977 abgegebene eidesstattliche Versicherung. Eine Klärungsbedürftigkeit irgendwelcher Fragen zu diesem Aspekt kann der Senat nicht erkennen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 663 Nr. 5
BAAAA-68629