BGH Urteil v. - VI ZR 611/16

Schadensersatz bei Kfz-Unfall: Gegenstandswert für ersatzfähige vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten bei Forderung des Wiederbeschaffungsaufwands für ein beschädigtes Fahrzeug

Leitsatz

1. Dem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht.

2. Verlangt der Geschädigte vom Schädiger im Rahmen seiner ihm durch § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eingeräumten Ersetzungsbefugnis den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) für ein beschädigtes Fahrzeug, dann richtet sich der für den Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten maßgebliche Gegenstandswert nach dem Wiederbeschaffungsaufwand und nicht nach dem ungekürzten Wiederbeschaffungswert (Bestätigung Senatsurteil vom , VI ZR 465/16, VersR 2017, 1282).

Gesetze: § 249 Abs 2 S 1 BGB

Instanzenzug: Az: 8 S 106/16 Urteilvorgehend AG Siegburg Az: 106 C 36/16 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer auf die Erstattung weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach einem im Übrigen regulierten Verkehrsunfall, für den die Beklagte allein haftet, in Anspruch.

2Der Kläger hatte hinsichtlich seines bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs den Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 3.700 € (Wiederbeschaffungswert von 5.200 € abzüglich Restwert in Höhe von 1.500 €) sowie weitere durch das Schadensereignis verursachte Kosten geltend gemacht und von der Beklagten ersetzt erhalten. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers erstattete die Beklagte unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 4.516 € (Wiederbeschaffungsaufwand zuzüglich weiterer Kosten). Der Kläger ist der Auffassung, die Rechtsanwaltskosten seien aus einem Gegenstandswert von 6.016 € zu berechnen, der sich aus dem Wiederbeschaffungswert - ohne Abzug des Restwerts - und den weiteren Kosten zusammensetze. Es stünden ihm daher noch weitere 157,80 € zuzüglich Zinsen an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.

3Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die zugelassene Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.

Gründe

I.

4Das Berufungsgericht hat seine bei BeckRS 2016, 113057 veröffentlichte Entscheidung darauf gestützt, dass der Gegenstandswert, der der Berechnung der Höhe der zu ersetzenden Rechtsanwaltskosten zugrunde zu legen sei, der berechtigten Schadensersatzforderung gegenüber dem Schädiger entspreche. Dies sei der Wiederbeschaffungsaufwand. Soweit der Kläger geltend mache, er habe seinen Prozessbevollmächtigten auch mit der Restwertverwertung beauftragt, sei kein höherer Gegenstandswert zugrunde zu legen. Benötige der Geschädigte in diesem Zusammenhang juristischen Rat, erfolge dies vielmehr auf eigene Rechnung.

II.

5Diese Erwägungen halten, wie der Senat zwischenzeitlich in einem Parallelverfahren mit Urteil vom (VI ZR 465/16, VersR 2017, 1282) entschieden hat, rechtlicher Überprüfung stand. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst zur Vermeidung bloßer Wiederholungen vollumfänglich auf die dortigen Entscheidungsgründe (aaO, Rn. 5 ff.) Bezug. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich im Streitfall nichts anderes, weil der Kläger geltend macht, seinen Rechtsanwalt auch mit der Restwertverwertung beauftragt zu haben.

61. Zur Ermittlung des Restwerts im Rahmen der Berechnung des Wiederbeschaffungsaufwands hat der Senat bereits mit Urteil vom (aaO, Rn. 13) ausgeführt:

"Ob und unter welchen Voraussetzungen der Umstand, dass ein Rechtsanwalt Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ermittlung und Prüfung des Restwerts entfaltet, zu einer Erhöhung des Gegenstandswerts im Innenverhältnis zum Mandanten führt, kann ebenfalls dahinstehen. In dem hier maßgeblichen Außenverhältnis, in welchem zur Bezifferung der begründeten Schadensersatzforderung der Restwert abzuziehen ist, können anwaltliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ermittlung dieses Abzugspostens nicht den anzusetzenden Gegenstandswert erhöhen (AG Buchen, SP 2013, 267; a.A. Jungbauer, DAR 2007, 609, 610; Schneider, DAR 2015, 177, 178)."

7Hieran hält der Senat fest.

82. Als eigenständige Schadensposition kommen die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Restwertverwertung anfallenden Rechtsverfolgungskosten nur dann in Betracht, wenn sie adäquat kausal auf dem Schadensereignis beruhen und die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe unter den Umständen des Falles aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (vgl. , DAR 2017, 671 Rn. 10; vom - VI ZR 196/11, NJW 2012, 2194 Rn. 8; vom - VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 Rn. 5 f., jeweils für das Geltendmachen von Ansprüchen gegen den eigenen Versicherer). Besondere Umstände wie etwa schwere unfallbedingte Krankheitsfolgen oder auch nur konkrete rechtliche Schwierigkeiten der Restwertverwertung, aufgrund derer der Kläger zur Verwertung des beschädigten Fahrzeugs anwaltlicher Hilfe bedurft hätte, sind im Streitfall weder festgestellt noch vorgetragen. Im Übrigen macht der Kläger eine derartige eigenständige gebührenrechtliche Angelegenheit und Schadensposition auch nicht geltend.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:121217UVIZR611.16.0

Fundstelle(n):
NJW 2018 S. 938 Nr. 13
UAAAG-68635