BFH Urteil v. - V R 27/00

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde am gegründet. Sie erwarb am zwei Grundstücke, um darauf entsprechend ihrem Gesellschaftszweck ein Wohn- und Geschäftshaus zu errichten. Sie richtete an die zuständige Baugenehmigungsbehörde eine Bauvoranfrage zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses, in dem u.a. Räume für eine Bank geplant worden waren. Einen entsprechenden Bauvorbescheid erhielt die Klägerin im April 1994.

Aus Rechnungen über Planungskosten machte sie in den Streitjahren 1993, 1994 und 1996 Vorsteuerbeträge (15 751,37 DM für 1993, 40 323,48 DM für 1994 und 4 724,10 DM für 1996) geltend. Im Juni 1997 teilte sie dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) mit, dass sie im Juli 1995 die bisherigen Bebauungspläne aufgegeben, die vorhandenen Altgebäude im Mai 1997 abgerissen und das Grundstück als Parkplatz vermietet habe.

Das FA änderte darauf die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und setzte die Umsatzsteuer jeweils auf 0 DM mit der Begründung fest, dass auf die Steuerbefreiung von Umsätzen durch Grundstücksvermietung nicht wirksam optiert werden könne, wenn diese Umsätze nur beabsichtigt, aber nicht wirklich ausgeführt worden seien.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, die Klägerin könne nur die Vorsteuerbeträge, die auf die beabsichtigte Errichtung gewerblich genutzter Gebäudeflächen entfielen, abziehen, weil sie ihre ernsthafte Absicht nachgewiesen habe, damit steuerpflichtige Umsätze zu erzielen. Wegen der weiteren Begründung wird auf das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 824 veröffentlichte Urteil des FG Bezug genommen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 9 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993. Das FG habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin mit der Errichtung des geplanten Gebäudes nicht vor dem begonnen habe. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung von Umsätzen durch Grundstücksvermietung setze nach § 9 Abs. 2 UStG 1993 in der seitdem anwendbaren Fassung voraus, dass der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwende oder zu verwenden beabsichtige, die den Vorsteuerabzug nicht ausschlössen. Da die Klägerin nach den vorhandenen Bauplänen beabsichtigt habe, Gebäudeteile auch an eine Bank zu vermieten, hätte das FG den Vorsteuerabzug insoweit nicht berücksichtigen dürfen.

Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.

Die Klägerin hat sich nicht geäußert.

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Das FG hat keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die es dem Senat ermöglichen, abschließend zu prüfen, ob die Klägerin zum Vorsteuerabzug in dem vom FG angenommenen Umfang berechtigt war.

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1993 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993 ist aber die Steuer für bezogene Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Die Umsätze durch Grundstücksvermietung sind nach § 4 Nr. 12 Buchst. a Satz 1 UStG 1993 steuerfrei, wenn nicht wirksam auf die Steuerbefreiung dieser Umsätze verzichtet wird.

Nach § 9 Abs. 1 UStG 1993 kann der Unternehmer einen Umsatz, der nach § 4 Nr. 12 steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt worden ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG 1993 ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG 1993 der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen nachzuweisen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 UStG 1993). § 9 Abs. 2 UStG 1993 in der ab geltenden Fassung durch das Missbrauchbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom ist in den Fällen des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1993 nicht anzuwenden, wenn mit der Errichtung des Gebäudes vor dem begonnen worden ist.

2. Für den Vorsteuerabzug aus Leistungsbezügen, die zur Ausführung von Ausgangsumsätzen verwendet werden sollten, aber nicht dazu verwendet worden sind, hat der Senat in richtlinienkonformer Auslegung der erwähnten Vorschriften die Grundsätze aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu Art. 17 und 20 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in den Urteilen vom Rs. C-400/98 —Breitsohl— (Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2000, 329, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht —UVR— 2000, 302) und vom Rs. C-396/98 —Grundstücksgemeinschaft Schloßstraße— (UR 2000, 336) herangezogen. Danach ergibt sich:

a) Die Eigenschaft der Klägerin als Steuerpflichtige bzw. Unternehmerin i.S. von § 15 Abs. 1 UStG bestand bereits im Zeitpunkt ihrer Investitionsausgaben in den Streitjahren vor Aufnahme der tatsächlichen Umsatztätigkeit aufgrund ihrer objektiv belegten Absicht, das geplante Gebäude nach Fertigstellung zu Vermietungsumsätzen —also zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. von Art. 4 Abs. 1, 2 der Richtlinie 77/388/EWG— verwenden zu wollen. Damit entstand auch das Recht auf Vorsteuerabzug der Klägerin bereits im Zeitpunkt dieser Leistungsbezüge.

b) Auch der Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug, das mit dem jeweiligen Leistungsbezug entstand, richtet sich nach den wiedergegebenen Grundsätzen des EuGH-Urteils in UR 2000, 336 entsprechend der objektiv belegten Verwendungsabsicht bei dem jeweiligen Leistungsbezug, soweit dessen tatsächliche Verwendung erst in einem späteren Besteuerungszeitraum begann. Dazu ist zu prüfen, ob die Erklärung, eine zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen zu wollen, in gutem Glauben abgegeben worden ist und durch objektive Anhaltspunkte belegt wird (vgl. insbesondere Rdnr. 41 des EuGH-Urteils in UVR 2000, 308, und Rdnr. 40 des bereits angeführten EuGH-Urteils in UR 2000, 329, UVR 2000, 302). Der Senat (Urteile vom V R 77/96, UR 2001, 260; vom V R 24/98, UR 2001, 214) entnimmt den erwähnten EuGH-Urteilen, dass insoweit jeweils der Zeitpunkt des Leistungsbezugs maßgeblich ist, zu dem das Recht auf Vorsteuerabzug dem Grunde und der Höhe nach entsteht (Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG).

c) Im Zeitpunkt des jeweiligen Leistungsbezugs muss demnach —nachweisbar— die Absicht bestanden haben, zum Vorsteuerabzug geeignete Ausgangsumsätze auszuführen. Wenn diese von der Wirksamkeit eines Verzichts auf die Steuerbefreiung des beabsichtigten Ausgangsumsatzes abhängen, muss die belegte Absicht des Steuerpflichtigen auch diese Voraussetzungen einschließen. Die Absicht, solche nach Option steuerpflichtigen Verwendungsumsätze auszuführen, kann nicht (wie dies ggf. Abschn. 148 Abs. 5 i.V.m. Abschn. 203 Abs. 3 der Umsatzsteuer-RichtlinienUStR— zu entnehmen ist) mit der Begründung als —für das Recht auf Vorsteuerabzug— unbeachtlich behandelt werden, ohne tatsächliche Ausführung des Verwendungsumsatzes sei ein Verzicht auf dessen Steuerfreiheit unzulässig (, BFH/NV 2001, 876).

d) Für die Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen der Unternehmer Eingangsleistungen für Ausgangsleistungen zu verwenden beabsichtigt, die nach einem Verzicht auf die Steuerbefreiung dieser Umsätze als steuerpflichtig zu behandeln sind, gilt die bestehende Gesetzeslage im Zeitpunkt des Leistungsbezugs. Für die Beurteilung, ob § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG i.d.F. des StMBG § 9 Abs. 2 UStG 1993 nicht anzuwenden ist, wenn mit der Errichtung des Gebäudes vor dem begonnen worden ist, kann sich der Unternehmer bis zur Verkündung (Veröffentlichung) des Gesetzesbeschlusses des StMBG () mit den Änderungen des Umsatzsteuergesetzes auf die bis dahin geltende Rechtslage berufen. Rechtssicherheit hinsichtlich einer (beabsichtigten) Gesetzesänderung tritt erst zu diesem Zeitpunkt ein. Das gilt jedenfalls für die bei jedem Leistungsbezug vom Unternehmer geforderte Sofortentscheidung über die —den Vorsteuerabzug bestimmende— beabsichtigte Verwendung der bezogenen Leistungen zur Ausführung besteuerter Umsätze (§ 15 Abs. 2 UStG 1993).

3. Die Feststellungen des FG dazu sind nicht eindeutig. Es hat —ohne dies näher zu begründen— ausgeführt (Urteil S. 10), ”Mit den vorgelegten Bauunterlagen und dem vom Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen der Klägerin über die Verhandlungen mit Mietinteressenten hat die Klägerin auch den Nachweis für ihre ernste Absicht erbracht, mit ihrer begonnenen wirtschaftlichen Tätigkeit später steuerpflichtige Umsätze zu erzielen”.

Diese Begründung reicht nicht aus, um nachzuprüfen, ob die Klägerin auch für die in den Streitjahren (insbesondere 1994 und 1996) bezogenen Eingangsleistungen beabsichtigt haben konnte, steuerpflichtige Ausgangsleistungen durch Grundstücksvermietung auszuführen. Für die erst nach dem tatsächlich bezogenen Planungsleistungen scheidet eine im guten Glauben erklärte Absicht zu steuerpflichtiger Vermietung an einen —mindestens teilweise— steuerfrei tätigen Mieter aus.

Die Voraussetzungen zum Verzicht auf die Steuerfreiheit der Grundstücksvermietung sind nach diesem Zeitpunkt aus § 9 Abs. 2 UStG 1993 in der ab geltenden Fassung zu entnehmen. Die Klägerin hat mit der Inanspruchnahme von Bauplanungsleistungen die Voraussetzung der (die Anwendbarkeit des § 9 Abs. 2 UStG 1993 ausschließenden) Übergangsregelung gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG i.d.F. des StMBG nicht erfüllt, dass ”mit der Errichtung des Gebäudes…vor dem begonnen worden ist”. Dieses Merkmal ist ersichtlich an den tatsächlichen Errichtungsvorgang und nicht schon an das Vorhandensein einer bloßen Herstellungskonzeption geknüpft (vgl. Senatsentscheidungen vom V B 69/97, BFH/NV 1998, 1005, und in UR 2001, 260).

Es fehlen Feststellungen, in welchem Umfang die Klägerin die geplanten Gebäudeteile an Mieter hätte vermieten wollen, die in den gemieteten Räumen ausschließlich zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze hätten ausführen wollen (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG i.d.F. des StMBG § 9 Abs. 2 UStG 1993). Zweifel daran, dass die Klägerin diese Absicht in dem vom FG angenommenen Umfang gehabt hat, ergeben sich aus der vom FG aufgrund der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung, dass die Klägerin mit drei Banken über die Vermietung von Grundstücksteilen verhandelt habe, im Übrigen deshalb, weil schon im Juli 1995 ”die bisherigen Bebauungspläne und das Bauantragsverfahren gestoppt” worden ist. Banken führen in von ihnen gemieteten Räumen aber regelmäßig nicht ausschließlich besteuerte Umsätze aus.

4. Der Senat verweist die Sache zur Konkretisierung der Feststellungen und deren Würdigung anhand der dargestellten rechtlichen Grundlagen an das FG zurück.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1621 Nr. 12
UR 2002 S. 603 Nr. 12
ZAAAA-68501