BFH Beschluss v. - V B 60/01

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer KG Geldspielgeräte. Sie ermittelte die von ihr in den Streitjahren (1981 und 1983 bis 1986) erzielten Umsätze, indem sie auf die von den Spielern eingeworfenen Geldeinsätze den Vervielfältigungsfaktor von 1,5 anwandte. Dem folgte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) in den Umsatzsteuerbescheiden vom .

Im Jahr 1994 entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), dass bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit der gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze, der den an die Spieler ausgezahlten Gewinnen entspreche, nicht zur Besteuerungsgrundlage gehöre (vgl. Urteil vom Rs. C-38/93 -Glawe-, Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548). Daraufhin bestimmte das Bundesministerium der Finanzen (BMF), dass die Grundsätze dieses EuGH-Urteils auf alle nicht bestandskräftigen Fälle anzuwenden seien; zugleich wurde die bisherige Beurteilung aufgegeben, nach der Bemessungsgrundlage für die Umsätze aus Geldspielautomaten der Geldeinsatz für das jeweilige Spiel sei, der notfalls geschätzt werden müsse (vgl. BStBl I 1994, 465).

Im Jahr 1995 legte die Klägerin unter Berufung auf das EuGH-Urteil in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide vom ein und erhob nach deren Zurückweisung Klage.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, nach der Rechtsprechung des (BFHE 179, 563, BStBl II 1996, 399) komme eine Änderung bereits bestandskräftiger Umsatzsteuerbescheide auch unter dem Gesichtspunkt der sog. Emmott'schen Fristenhemmung nicht in Betracht.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, die sie auf grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Durch die Rechtsprechung ist geklärt, dass die Entscheidung des EuGH in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 über die Auslegung der Besteuerungsgrundlagen im Fall von Geldspielautomatenumsätzen nicht zur Änderung bereits bestandskräftiger Umsatzsteuerfestsetzungen verpflichtet. Ein Fall der sog. Emmott'schen Fristenhemmung liegt nicht vor, weil Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) objektiv ordnungsgemäß in § 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 umgesetzt worden ist. Nur die Auslegung und Anwendung der umgesetzten Regelung in Rechtsprechung und Verwaltung entsprach nicht der Beurteilung des bezeichneten EuGH-Urteils. Der Klägerin war weder der rechtzeitige Weg zu den Gerichten versperrt, noch wären die Gerichte —bei rechtzeitiger Anfechtung der Steuerfestsetzungen— gehindert gewesen, die Prüfung der Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht durchzuführen. Für die Geltendmachung des Rechts auf richtlinienkonforme Anwendung und Auslegung des einzelstaatlichen Rechts ist unter diesen Voraussetzungen das nationale Verfahrensrecht maßgebend (vgl. , BFH/NV 1999, 681, m.w.N.).

2. Die Klägerin hat innerhalb der dafür maßgeblichen Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine erneute Überprüfung dieser Rechtsprechung angezeigt erscheinen lassen.

Die von ihr angeführten Grundsätze eines Staatshaftungsanspruchs gegen einzelne Mitgliedstaaten im Falle der Nichtumsetzung von EG-Richtlinien in innerstaatliches Recht greifen nicht ein, weil —wie dargelegt— eine solche Nichtumsetzung nicht vorlag. Sie ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht daraus, dass das BMF seine Verwaltungsanweisungen an das bezeichnete EuGH-Urteil angepasst hat.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1057 Nr. 8
VAAAA-68469