BFH Beschluss v. - III B 90/01

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie wird verworfen.

1. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der einmonatigen Frist zur Einlegung ihrer Beschwerde entsprechend den Anforderungen des § 56 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet hat. Es fehlt jedenfalls an einer ausreichenden Darlegung der Gründe für die Zulassung der Revision i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO i.d.F. durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757).

a) Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, das Urteil des Finanzgerichts (FG) stehe mit dem (BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514) nicht in Einklang. Denn es habe nicht berücksichtigt, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) in der Einspruchsentscheidung nicht auf die von ihrem Bevollmächtigten in seinem Fristverlängerungsantrag vom vorgetragenen besonderen Gründe, nämlich die krankheitsbedingte Vertretung eines Kollegen, eingegangen sei. Damit macht die Klägerin weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch Divergenz i.S. der bisherigen Rechtsprechung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO a.F. geltend. Sie stellt weder eine Rechtsfrage heraus, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit erforderlich erscheint (z.B. Beschluss des Senats vom III B 84/98, BFH/NV 1999, 646), noch leitet sie aus dem FG-Urteil einen abstrakten Rechtssatz ab, der mit einem Rechtssatz des Urteils des BFH in BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514 in Widerspruch stehen könnte (z.B. Beschluss des Senats vom III B 108/97, BFH/NV 2001, 418). Die Beschwerde beschränkt sich auf die Angabe, das FG-Urteil widerspreche dem BFH-Urteil in BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514. Damit ist weder die grundsätzliche Bedeutung noch die Divergenz i.S. der bisherigen Auslegung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO aufgezeigt.

b) In der Rechtsprechung ist noch nicht hinreichend geklärt, inwieweit sich durch die Neufassung der Vorschriften über die Revisionszulassung die Voraussetzungen für die Zulassung und die Erfordernisse für die Darlegung der Zulassungsgründe gegenüber der bisherigen Gesetzesfassung geändert haben. Im Schrifttum wird unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung der Bundesregierung (BTDrucks 14/4061) und die Stellungnahme des Rechtsausschusses (BTDrucks 14/4549) vertreten, über das bisherige Verständnis der grundsätzlichen Bedeutung i.S. der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts hinaus sei die Grundsatzrevision auch bei einer Verletzung revisiblen Rechts von erheblichem Gewicht gegeben, wenn diese geeignet sei, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 115 FGO Tz. 51 ff.). In dem Beschluss vom XI B 57/01 (juris) geht der BFH dagegen davon aus, die Möglichkeit der Revisionszulassung in derartigen Fällen rechtswidriger Entscheidungen des FG sei möglicherweise nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eröffnet.

Zum Verständnis der in § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO neu gefassten Revisionszulassungsgründe hat der (juris) ferner ausgeführt, eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts sei insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden sei, z.B. wenn der Einzelfall Veranlassung gebe, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Für eine Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geht der (BFH/NV 2001, 1549) von der Voraussetzung aus, dass Unterschiede in der Rechtsprechung über Fragen des revisiblen Rechts bestehen.

c) Der Streitfall erfordert keine Stellungnahme zu der Frage, ob sich der Gesetzesformulierung mit ausreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, dass neben die Divergenz (bisher § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F.) und die im Sinne der bisherigen Rechtsprechung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F. verstandene grundsätzliche Bedeutung weitere Revisionszulassungsgründe treten sollen. Denn die Beschwerde legt jedenfalls solche Gründe nicht genügend dar i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Auch fehlt es an hinreichenden Ausführungen zu den Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO, wie sie in den Beschlüssen des (juris), in BFH/NV 2001, 1549, und vom IV B 79, 80/01 (BFH/NV 2002, 119) näher umschrieben sind.

Die Klägerin weist auf den ihrer Meinung nach bestehenden Widerspruch des FG-Urteils zu dem BFH-Urteil in BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514 hin. Damit macht sie indes nicht schlüssig geltend, dass das FG-Urteil mit einem Rechtsfehler von erheblichem Gewicht behaftet sei, der geeignet wäre, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Das FG hat das von der Klägerin genannte BFH-Urteil nicht unbeachtet gelassen. Es hat einen Ermessensfehler des FA verneint, weil dieses in der Einspruchsentscheidung seine Erwägungen auf sämtliche erkennbar gegebenen und ernsthaft für noch maßgeblich zu erachtenden Umstände bezogen habe. Denn die Klägerin habe die in dem Fristverlängerungsantrag angeführten Gründe (die Krankheitsvertretung) im Einspruchsverfahren nicht herangezogen und auch nicht belegt. Unter diesen besonderen Umständen kann nicht von einer Rechtsverletzung durch das FG ausgegangen werden. Bei der möglicherweise zeitweilig gegebenen Verhinderung ihres Bevollmächtigten aufgrund der Krankheitsvertretung handelt es sich um einen Umstand aus der Sphäre der Klägerin. Die Auffassung des FG, die Klägerin selbst habe diesen Gesichtspunkt als nicht gegeben bzw. nicht maßgeblich angesehen, da sie bzw. ihr Bevollmächtigter ihn im gesamten Einspruchsverfahren —auch auf die Mitteilung der Ermessenserwägungen durch das FA in dessen Schreiben vom — nicht erwähnt hatte, stellt eine mögliche Würdigung der Sachumstände durch das FG dar. Denn die Finanzbehörde kann grundsätzlich davon ausgehen, dass der Steuerpflichtige die in seiner Sphäre liegenden für ihn sprechenden Unstände im Rechtsbehelfsverfahren vorträgt bzw. dass solche Umstände, wenn sie im Einspruch nicht angesprochen werden, nicht vorliegen. Da das FG-Urteil auf dieser möglichen Würdigung beruht, hat die Klägerin auch nicht schlüssig einen Unterschied in der Rechtsprechung oder eine im Streitfall entscheidungserhebliche bisher ungeklärte Rechtsfrage aufgezeigt.

2. Fehl geht auch die Rüge der Klägerin, das FG habe ihren in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag betreffend die von ihrem Bevollmächtigten übernommene Krankheitsvertretung nicht beachtet. Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ist ein Beweisantrag der Klägerin nicht zu entnehmen. Wird geltend gemacht, das FG habe einen mündlich gestellten, aber nicht protokollierten Beweisantrag übergangen, ist auch vorzutragen, dass von der Möglichkeit, die Berichtigung des Protokolls zu beantragen, Gebrauch gemacht wurde (, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562). Diesen Anforderungen genügt die Rüge der Klägerin nicht.

Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 649 Nr. 5
EAAAA-68291